Der Arbeitnehmer hat bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf sechswöchige Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Dieser Zeitraum beginnt jeweils neu, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer anderen Erkrankung erneut ausfällt. Das BAG (Urteil v. 25.05.2016, 5 AZR 318/15) hat nun festgestellt, dass der Arbeitnehmer neben der Tatsache der Arbeitsunfähigkeit auch deren Beginn und Ende darlegen und beweisen muss, wenn sich zwei Krankheitszeiträume überschneiden.

Sachverhalt

Der klagende Arbeitnehmer war zunächst aufgrund einer Wirbelgelenkserkrankung vom 09.09.2013 bis 20.10.2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Während dieses Zeitraums von exakt sechs Wochen erhielt er Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG. Am 17.10.2013 suchte der Kläger − nunmehr wegen Schulterschmerzen − abermals seinen Hausarzt auf, welcher ihm am 21.10.2013 wegen dieser Schmerzen mit einer neuen Erstbescheinigung Arbeitsunfähigkeit attestierte. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für die Zeit ab dem 21.10.2013 ab.

Vermutung der "Einheit des Verhinderungsfalls" bei neuer Krankheit

Das BAG bestätigte in der vorliegenden Entscheidung die Rechtsauffassung der Arbeitgeberin und wies die Klage ab. Der Arbeitnehmer habe nicht beweisen können, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit erst nach Ende des ersten Arbeitsunfähigkeitszeitraumes eingetreten war, sodass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung ab dem 21.10.2013 zu verneinen sei. Grundsätzlich ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung auf die Dauer von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit begrenzt. Nach der gefestigten Rechtsprechung, die das BAG im vorliegenden Fall bestätigt hat, ändert auch eine während dieser Zeit auftretende und zu der bestehenden Arbeitsunfähigkeit hinzutretende neue Krankheit, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit begründet, nichts an der Dauer des Anspruchs (sog. Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls).

BAG: Arbeitnehmer muss Ende des ersten Krankheitszeitraums beweisen

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn bei Eintritt der neuen Arbeitsunfähigkeit die erste Arbeitsverhinderung bereits beendet war, sodass sich beide Krankheitszeiträume zeitlich nicht überschneiden. Dies ist nach Ansicht des BAG vor allem dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer in der Zwischenzeit tatsächlich gearbeitet hat oder − nach Einschätzung des Arztes − jedenfalls arbeitsfähig war. In diesem Fall entstehe ein neuer sechswöchiger Anspruch des Arbeitnehmers. Auf diese Ausnahmeregelung stützte sich der Kläger. Ob die durch die Schulterschmerzen bedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers schon zum Zeitpunkt des Arztbesuches am 17.10.2013 und damit noch während der ersten Arbeitsunfähigkeit vorlag oder ob sie erst am 21.10.2013 eingetreten war, konnte allerdings nicht festgestellt werden. Das Risiko, den genauen Beginn der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr feststellen zu können, habe nach Auffassung des BAG der Arbeitnehmer zu tragen, da es sich um eine Voraussetzung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung handele. Wenn unstreitig sei oder der Arbeitgeber gewichtige Indizien dafür vorbringe, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einer Krankheit beruhe, die zu einer früheren Krankheit hinzugetreten sei, dann müsse der Arbeitnehmer den Beginn der neuen krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung beweisen.

Praxishinweise

Bei der Bestimmung des Entgeltfortzahlungszeitraumes ist auf den Beginn der Arbeitsverhinderung und nicht auf den Krankheitsbeginn abzustellen. Verlängert sich der krankheitsbedingte Ausfallzeitraum eines Arbeitnehmers durch Hinzutreten einer neuen Krankheit, ist dies für den Entgeltfortzahlungszeitraum unbeachtlich, wenn die Ursprungserkrankung nicht schon beendet war. Dies hat der Arbeitnehmer zu beweisen. Gelingt ihm dies allerdings und stellt sich der Arbeitgeber auf den Standpunkt, dass in beiden Fällen dieselbe Erkrankung für die Arbeitsverhinderung ursächlich war und deshalb aufgrund einer Fortsetzungserkrankung keine Entgeltfortzahlungspflicht bestand (§ 3 Abs. 1 S. 2 EFZG), trägt wiederum der Arbeitgeber hierfür die Beweislast.

Autoren: Nicolas Wessels, Dr. Christian Hoppe
Co-Autor: Malte Windeler

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