Auch wenn ein verdeckter Einsatz eines Detektivs rechtmäßig sein kann, wird ein Ermittlungsbericht in vielen Fällen nachträglich gegenüber der observierten Person vollständig offengelegt werden müssen. Dies entschied jüngst das Oberlandesgericht Oldenburg (Urteil vom 09.04.2024, Az.: 13 U 48/23) für den Detektiveinsatz einer Versicherung. Das Urteil dürfte aber auch andere Detektivkunden, wie z.B. Arbeitgeber, aufhorchen lassen.  

Die Entscheidung
Das OLG Oldenburg hat in dem oben genannten Verfahren über den Anspruch eines Versicherten gegenüber einer Versicherungsgesellschaft auf Auskunft über die Ermittlungsberichte eines Detektivs zu entscheiden. Der Detektiv war von der Versicherung mit einer verdeckten Observation des Versicherten beauftragt worden. Hintergrund war, dass die observierte Person in einen Verkehrsunfall verwickelt worden war und sie Ansprüche bei der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers geltend machen wollte. Die Versicherung mutmaßte, dass die unfallbedingten Einschränkungen des Versicherten, auf die er Ansprüche gründen wollte, geringer waren als von ihm angegeben. Aus diesem Grund sollte durch den Detektiveinsatz geklärt werden, welchen gesundheitlichen Alltagseinschränkungen der Versicherte tatsächlich unterlag. Der Detektiv hatte seine Ermittlungsergebnisse in Ermittlungsberichten zusammengefasst. Der Kläger verlangte Auskunft über die zu seiner Person insoweit gespeicherten Daten und Herausgabe einer Kopie der Ermittlungsberichte. Nachdem das Landgericht einen Anspruch des Versicherten auf Auskunft nicht anerkannt hatte, hatte der Kläger mit der Berufung beim OLG Oldenburg Erfolg. Das OLG Oldenburg sah einen Auskunftsanspruch und einen Anspruch auf Herausgabe einer Datenkopie aus Art. 15 Abs. 1, 3 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) als gegeben an. 

Das Landgericht war in der Vorinstanz der Argumentation des Versicherungsunternehmens gefolgt. Dieses hatte sich darauf berufen, dass dem Auskunftsersuchen ein Geheimhaltungsinteresse des Versicherungsunternehmens gem. § 29 Abs. 1 S. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) entgegenstehe. Das Versicherungsunternehmen habe begründete Zweifel an den von dem Versicherten behaupteten Unfallfolgen gehabt und sah die Gefahr, dass der Versicherte die Informationen aus den Ermittlungsberichten in einem späteren Rechtsstreit zum Umfang der Versicherungsleistung dazu nutzen könnte, den eigenen Vortrag an die Erkenntnisse aus dem Bericht anzupassen. Dies beeinträchtige das Interesse der Versicherung an einer effektiven Verteidigung gegen die (mutmaßlich zu Unrecht) geltend gemachten Ansprüche. 

Das OLG Oldenburg sah hingegen die Voraussetzungen des Art. 15 Abs 1 und 3 DS-GVO für Ansprüche auf Auskunft und Datenkopien als gegeben an, weil sich die Versicherung nicht auf einem „Auskunftsverweigerungsrecht“ berufen könne. Die Versicherung habe kein ausreichendes schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung vorgetragen. Der Versicherte sei auch nicht verpflichtet gewesen, seinen Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DS-GVO zu begründen. Der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DS-GVO könne zwar nach Art. 15 Abs. 4 DS-GVO durch Rechte und Freiheiten anderer Personen eingeschränkt sein, wozu auch das Interesse am Schutz von Geschäftsgeheimnissen des Verantwortlichen gehören könne (siehe Erwägungsgrund 63 S. 5 DS-GVO). Solche berechtigten Interessen hätten aber in dem konkreten Fall nicht vorgelegen. 

Insbesondere habe es sich bei den Ermittlungsberichten nicht um Geschäftsgeheimnisse gehandelt. Der Begriff des Geschäftsgeheimnisses sei entsprechend Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie (EU) 2016/943 dahingehend auszulegen, dass als Geschäftsgeheimnisse solche Informationen geschützt seien, die nicht allgemein bekannt seien, einen kommerziellen Wert haben und Gegenstand angemessener Geheimhaltungspflichten seien. Zwar könne man vertreten, dass die „Prozessstrategie“ in einem Gerichtsverfahren als Geschäftsgeheimnis eingestuft werde, bei solchen Angaben zur Prozessstrategie handele es sich jedoch um Informationen aus der Sphäre des Verantwortlichen. Dem gegenüber stammten die in den Ermittlungsberichten enthaltenen Informationen nicht aus der Sphäre des Versicherungsunternehmens, sondern aus der des Versicherten. 

Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Datenerhebung im Wege der verdeckten Observation unter Eingriff in die Grundrechte des Klägers erfolgt sei, wobei nicht darüber entschieden wurde, ob dieser Eingriff verhältnismäßig und rechtmäßig gewesen war. Das OLG sah jedenfalls kein ausreichend überwiegendes schutzwürdiges Interesse darin, dass der Versicherte die in den Ermittlungsberichten enthaltenen Informationen nutzen könne, um seine Chancen für eine Rechtsverfolgung abzuschätzen bzw. in einem beabsichtigten Prozess seinen Vortrag an die Erkenntnisse aus den Ermittlungsberichten anzupassen. Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung müsse die Versicherung – so das OLG – die Erkenntnisse aus den Ermittlungsergebnissen ohnehin offenlegen. 

Das OLG vertritt die Auffassung, dass die Verteidigung gegen zivilrechtliche Ansprüche keinen Grund für die Beschränkung des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO darstelle. Dies könne man aus § 34 Abs. 1 Nr. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) herleiten. Diese Vorschrift sehe zwar Beschränkungen des Auskunftsanspruchs vor und verweise insofern auf Beschränkungen der Informationspflicht in § 33 Abs. 1 und 3 BDSG, jedoch umfasse der Verweis gerade nicht einen Verweis auf § 33 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BDSG, wonach eine Informationspflicht unter Umständen dann nicht bestehen könne, wenn die Erteilung der Information die Geltendmachung der Ausübung und Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche beeinträchtigen würde. Dass dieser Verweis bewusst unterlassen worden sei, könne man dem Gesetzgebungsverfahrens entnehmen, wo in einem Bericht des Innenausschusses zu dem Regierungsentwurf ausgeführt worden sei, dass der Auskunftsanspruch auf Verlangen der betroffenen Person anders zu beurteilen sei, als der Informationsanspruch nach Art. 13, 14 DSGVO, der unabhängig von einem Verlangen bestünde. 

Anmerkungen zur Entscheidung und zur Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung des OLG Oldenburg, die inzwischen rechtskräftig ist, ist nicht nur für die Fälle des Einsatzes von Detektiven durch Versicherungen von Bedeutung. Zum einen betrifft sie Detektiveinsätze in anderen Rechtsverhältnissen, z.B. in Arbeitsverhältnissen. Sie beschäftigt sich zudem mit der grundlegenden Frage, inwieweit betroffene Personen zur Vorbereitung oder Durchführung von Rechtsstreitigkeiten den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nutzen können, um sich Zugang zu Informationen zu verschaffen, die sie für die Vertretung ihrer Interessen einsetzen können. 

Bestätigt wird die Auffassung das zu den berechtigten Interessen des Art. 15 Abs. 4 DS-GVO, die einen Auskunftsanspruch ausschließen, auch solche des Verantwortlichen selbst zählen. Er ist eine „andere Person“ im Sinne der Norm. Dazu können Interessen an der Geheimhaltung jedweder Art, also auch solche in Bezug auf die Durchsetzung von und die Verteidigung gegen Ansprüche stehen. 

Das OLG Oldenburg leitet – nach der hier vertretenden Auffassung vorschnell – aus § 34 Abs. 1 Nr. 2 BDSG her, dass eine Auskunft nicht auch deshalb ausgeschlossen sein kann, weil Interessen des Verantwortlichen im Hinblick auf die Geltendmachung, Ausübung und Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche überwiegen. 

Richtig ist, dass § 34 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zwar zum Ausschluss der Auskunftspflicht auf eine Reihe von Tatbeständen in § 33 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BDSG verweist, für die dort geregelt ist, dass bei der Erhebung der Daten eine Informationsanspruch nicht besteht, dabei aber nach seinem Wortlaut nicht die Regelungen in § 32 Abs. 1 Nr. 4 und § 33 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BDSG erfasst. Gerade aus diesen nicht ausdrücklich in Bezug genommenen Regelungen folgt aber, dass es Fälle gibt, in denen wegen der die Interessen an einer Geltendmachung, Ausübung und Verteidigung von Rechtsansprüchen nichtöffentliche Stellen nicht über die Datenerhebung informieren müssen. Ohne eine solche Regelungen wären verdeckte Ermittlungen auch faktisch ausgeschlossen. Es trifft ebenfalls zu, dass zeitweise ein Verweis auf diese Ausnahmen bei Informationspflichten im Gesetzgebungsverfahren in Entwurfsfassungen der Regelungen zur Einschränkung des Auskunftsanspruchs enthalten war. Richtig ist aber auch, dass die Annahme, der Verweis auf §§ 32 Abs. 1 Nr. 4 und § 33 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a DS-GVO sei absichtlich unterblieben, zumindest in zahlreichen Fällen zu einem Wertungswiderspruch im Hinblick auf die Regelungen zu Einschränkungen der Informationspflichten nach § 32 Abs. 1 Nr. 4 und § 33 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BDSG führt. Denn dies würde bedeuten, dass es Fälle gibt, in denen auf Verlangen nach Art. 15 DS-GVO Informationen gegeben werden müssen, obwohl der Gesetzgeber diese Informationspflicht in den Vorschriften der §§ 32, 33 BDSG zum Schutz der Interessen des Verantwortlichen ausgeschlossen hat (ausführlich dazu Bongers in Kramer, IT-Arbeitsrecht, 3. Aufl., 2023, § 4 Rn. 84 ff., insb. Rn. 87 und 92 m.w.N.). Dieser Wertungswiderspruch müsste nach der hier vertretenen Auffassung unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Regelungen zumindest bis zum Abschluss einer Ermittlung dahingehend aufgelöst werden, dass nicht nur eine Informationspflicht, sondern auch der spiegelbildliche Auskunftsanspruch auf Basis einer Interessenabwägung ausgeschlossen sein kann.  

Praxistipps: 

  • In der Praxis ist es für Verantwortliche im Sinne der DS-GVO zunächst wichtig, schon bei Begründung des Vertragsverhältnis oder z.B. im Arbeitsverhältnis anlässlich der Einstellung die Unterstützung von behördlichen Ermittlungen, aber auch eigene private Ermittlungen als Zweck der Datenverarbeitung festzulegen, denn die Datenverarbeitung kann nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b DS-GVO nur für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erfolgen. 
  • Sinnvoll ist es gleichfalls, diese Zwecke abstrakt bereits zum Gegenstand der Informationen zu machen, die eine betroffene Person bereits bei der Erhebung der ersten personenbezogenen Daten nach Art. 13, 14 DS-GVO erhält.
  • Außerdem sollte vor Detektiveinsätzen oder anderen Ermittlungsmaßnahmen stets geprüft werden, ob weitere Informationen gegeben werden müssen oder nach §§ 32, 33 BDSG unterbleiben können. Dies ist Teil der Prüfung, ob und inwieweit eine „verdeckte“ Ermittlung zulässig ist. 
  • Des Weiteren sollten Verantwortliche im Sinne der DS-GVO schon bei der Planung von Detektiveinsätzen und anderen Ermittlungen sowie bei deren Durchführung und der Dokumentation von Ermittlungsergebnissen bedenken, dass sie – jedenfalls wenn die Ermittlungen ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr durch Transparenz beeinträchtigt werden können („Verdunkelungsgefahr“) – verpflichtet sein werden, Ermittlungsberichte und auf andere Weise dokumentierte Ermittlungsergebnisse nach Art. 15 Abs. 1 und 3 DS-GVO offenzulegen.  
  • Schließlich sollte bei der etwaigen Auskunftserteilung geprüft werden, ob es im Zusammenhang mit den Ermittlungen personenbezogene Daten „aus der Sphäre“ des Unternehmens gibt, an deren Geheimhaltung – z.B. wegen des Interesses an der Vertraulichkeit der Prozessstrategie – ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse besteht und deshalb ein Auskunftsanspruch ausgeschlossen ist.

 

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