Durch die Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG, in Kraft getreten am 19.11.2020) werden Kulturveranstaltungen und Kultureinrichtungen nicht mehr mit Einrichtungen der (reinen) Freizeitgestaltung gleichgesetzt. Ein wichtiges Signal für eine von der Krise besonders betroffene Branche, das allerdings im Kontrast zu einer aktuellen Entscheidung des AG Frankfurt zur „Gutscheinlösung“ steht. 

Ursprünglicher Entwurf 

Der Gesetzentwurf zum neuen § 28a IfSG sah ursprünglich vor, als besondere Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus die Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von Einrichtungen, die der „Kultur und Freizeitgestaltung“ zuzurechnen sind, zu ermöglichen. „Kultur soll nicht mehr unter Freizeit subsumiert werden“, diese Forderung stellte der Deutsche Kulturrat daraufhin nachdrücklich an den Bundestag. Mit Erfolg: Der Entwurf wurde abgeändert und dem Kulturbereich eine eigenständige Ziffer gewidmet (§ 28a Abs. 1 Nr. 7 IfSG). Kultureinrichtungen und Kulturveranstaltungen werden also nunmehr vom Begriff der Freizeitgestaltung losgelöst betrachtet. Denn sie sind mehr als bloße Freizeiteinrichtungen und Vergnügungsorte.

Die zugehörige Gesetzesbegründung betont mit Blick auf die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG die Grundrechtsrelevanz von Kultureinrichtungen und Kulturveranstaltungen („Bei Untersagungen oder Beschränkungen im Bereich der Kultur muss der Bedeutung der Kunstfreiheit ausreichend Rechnung getragen werden.“). Aufgrund der neuen Regelungen im Infektionsschutzgesetz muss ab sofort jeder Lockdown im Kulturbereich eigenständig begründet werden. 

AG Frankfurt: Keine Systemrelevanz von Kultur

Weniger differenziert sieht dies das Amtsgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 28.09.2020 – 31 C 2036/20 (17): Die Veranstaltungsbranche (konkret ging es um ein Musikkonzert, das wegen Corona abgesagt wurde) diene lediglich der Freizeitgestaltung. Zwar schaffe diese einen Beitrag zur kulturellen Gestaltung der Gesellschaft. Hohe Verfassungsgüter mit überragender Schutzbedürftigkeit (wie etwa der Schutz von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Schutz der natürlichen Lebensgrundlage oder Denkmalschutz) erfasse die Veranstaltungsbranche allerdings nicht. Deswegen habe sie auch keine Systemrelevanz. 

Das AG Frankfurt am Main beschäftigte sich in dieser Entscheidung mit der sogenannten „Gutscheinlösung“ des Art. 240 § 5 Abs. 1 S. 1 EGBGB, wonach Veranstalter wegen der Absage von Konzerten aufgrund der Corona-Pandemie den Kunden Gutscheine anbieten dürfen und nicht (sofort) den Kaufpreis der Tickets zurückerstatten müssen. Das Gericht hält diese Regelung für verfassungswidrig, setzte den Rechtsstreit gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG aus und legte die Frage dem Bundesverfassungsgericht vor. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus.  

Fazit

Die Änderung des IfSG trägt dem Grundrechtsrang von Kunst und Kultur Rechnung und zeigt, dass kulturelle Einrichtungen und die damit verbundenen Veranstaltungen verfassungsrechtlich anerkannte Rechtsgüter sind. Wie das Bundesverfassungsgericht sich in dem vom AG Frankfurt vorgelegten Fall positionieren wird, bleibt abzuwarten.  

Unter Mitarbeit von Louisa Klinghardt.

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