Bisher verfiel der gesetzliche Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers zum 31.12. oder spätestens zum 31.03. des Folgejahres, wenn dieser keinen rechtzeitigen Urlaubsantrag gestellt hatte (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Nach dem Urteil des EuGH vom 06.11.2018 (Az. C-684/16, „Shimizu“) sind Arbeitgeber nunmehr gehalten, den Arbeitnehmer rechtzeitig auf ausstehende Urlaubsansprüche und den drohenden Verfall hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, wird der Urlaubsanspruch unbegrenzt übertragen.
Arbeitnehmer muss in die tatsächliche Lage versetzt werden, Urlaub zu nehmen
Der EuGH urteilte, dass für den Verfall des Urlaubsanspruchs bzw. Abgeltungsanspruchs nicht allein ausreichend ist, dass kein Urlaubsantrag gestellt wurde. Vielmehr muss der Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt werden, den ihm zustehenden Urlaub rechtzeitig zu nehmen. Der Arbeitnehmer darf nicht abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen. Nur wenn der Arbeitnehmer aus freien Stücken auf den Anspruch verzichtet, kann dieser erlöschen. Anderenfalls würde das Recht auf bezahlten Jahresurlaub, welches jedem Arbeitnehmer gemäß der EU-Richtlinie 2003/88/EG vom 04.11.2003 zusteht, in seinem Wesensgehalt angetastet.
Dem Arbeitgeber obliegt die angemessene Aufklärung
Der Arbeitgeber ist hiernach verpflichtet, den Arbeitnehmer konkret und in völliger Transparenz, im Zweifel förmlich, aufzuklären. Er muss ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraumes, jedenfalls aber am Ende des Übertragungszeitraumes verfällt. Hierfür trägt der Arbeitgeber die Beweislast. Praktisch bedeutet dies für den Arbeitgeber, dass er dem Arbeitnehmer
- spätestens im September, drei Monate vor Ablauf des Bezugszeitraumes,
- nachweisbar ein Schreiben oder Ähnliches zukommen lassen muss,
- in dem der noch ausstehende Urlaubsanspruch beziffert wird,
- der Arbeitnehmer aufgefordert wird, einen Urlaubsantrag zu stellen,
- und auf den ansonsten drohenden Verfall zum 31.12. bzw. bei Übertragung ins Folgejahr zum 31.03. hingewiesen wird.
Es bietet sich z. B. an, die Aufklärung über die monatlichen Lohnabrechnungen mit einem Textbaustein vorzunehmen. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber den Zugang beim Arbeitnehmer nachweisen kann.
Fazit
Es handelt sich um eine weitere Entscheidung des EuGH, die das deutsche Urlaubsrecht erheblich berührt. Im Ergebnis wird die jetzt geforderte explizite Aufklärung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber dazu führen, dass Arbeitnehmer verstärkt ihren Urlaubsanspruch durchsetzen. Unterbleibt dies, droht eine unbegrenzte Übertragung von Urlaubsansprüchen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätte der Arbeitnehmer dann einen umfangreichen Abgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Arbeitgeber sollten daher die Chance nutzen, in ihre Arbeitsvertragsmuster Sonderregelungen für den Verfall des übergesetzlichen Urlaubsteils (des Urlaubsanteils, der über das gesetzliche Mindestmaß von 20 Jahresurlaubstagen auf Basis einer Fünf-Tage-Woche hinausgeht) aufzunehmen. Der übergesetzliche Urlaubsteil sollte zum Ende des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen und die Abgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vertraglich ausgeschlossen werden.
Weiterführende Links: