Heute Spanien, morgen Frankreich und dann wieder nach Deutschland? Nicht selten kommt es vor, dass ein Erblasser mehrere Immobilien in unterschiedlichen Staaten besitzt und dort (abwechselnd) „wohnt“. Lebt der Erblasser insbesondere im Zeitpunkt seines Todes in der Auslands-Immobilie, wirft dies zwangsweise die Frage auf, welche internationale Nachlasszuständigkeit gegeben ist. Welche Kriterien dabei an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers zu stellen sind, hat das OLG Hamm beantwortet (OLG Hamm, Beschluss vom 10.7.2020 – 10 W 108/18). 

Mit der Frage des sodann anwendbaren Rechts beschäftigt sich dieser Beitrag nicht. 

Maßstab der EuErbVO

Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach Art. 4 EuErbVO. Nach dieser Vorschrift sind für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte desjenigen Mitgliedsstaates zuständig, in dessen Gebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Unter dem gewöhnlichen Aufenthalt versteht man den tatsächlichen Lebensmittelpunkt einer natürlichen Person, der mittels einer Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und zum Zeitpunkt des Todes festzustellen ist. Dabei sind insbesondere die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers im Zweitstaat, die besonders enge Bindung an einen Staat, Sprachkenntnisse oder auch die Lage des Vermögens maßgeblich. 

Dies beurteilt sich sowohl anhand objektiver und subjektiver Kriterien: 

Objektives Element

In erster Linie ist die objektive Gestaltung der Lebensverhältnisse vor und im Zeitpunkt des Todes des Erblassers für die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts heranzuziehen. Eine objektivierende Gesamtbetrachtung muss ergeben, dass der Erblasser entweder in dem einen oder in dem anderen Staat seinen Wohnsitz hatte.  

Nach Auffassung des OLG Hamm müssen hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben sein, dass der Erblasser „seine Zelte in Deutschland abgebrochen“ hat, damit das Erbrecht des ausländischen Staates Anwendung findet. Dies ist beispielhalber aber nicht anzunehmen, wenn der Erblasser weiterhin seine Meldeadresse in Deutschland hat und in Deutschland krankenversichert geblieben ist. Auch ist dies nicht der Fall, wenn der Erblasser seine Bankverbindung in Deutschland nicht aufgegeben hat. 

Subjektives Element

Daneben bestimmt sich der gewöhnliche Aufenthalt auch anhand eines subjektiven Elementes. Abzustellen ist hierbei auf den subjektiven Erblasserwillen, der einen Aufenthalts- und Bleibewillen erfordert. 

Nach dem OLG Hamm reicht es jedoch nicht für einen solchen Willen aus, wenn der Erblasser lediglich aus praktischen Gründen Wohnsitz im Ausland genommen hat (der Erblasser hatte sich von seiner Ehefrau getrennt und zog deswegen in die Auslands-Immobilie). Auch mangelt es an einem entsprechenden Aufenthalts- und Bleibewillen, wenn der Erblasser allein aus krankheitsbedingten Gründen nicht nach Deutschland zurückkehren konnte. 

Gegen einen manifestierten Aufenthaltswillen des Erblassers im Ausland spricht zudem, wenn sich der Erblasser trotz Auslandsaufenthalt weiterhin von einem deutschen Rechtsanwalt beraten lässt und zwecks dieser Beratungen Besprechungstermine in Deutschland wahrgenommen hat. Nach dem OLG Hamm hätte es für die Annahme eines entsprechenden Aufenthalts- und Bleibewillen in dem ausländischen Staat nahegelegen, einen Rechtsanwalt im Ausland (und gerade nicht in der alten Heimat) zu konsultieren. 

Fazit
Im Ergebnis überzeugt es, wenn bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes die Willensrichtung des Erblassers berücksichtigt wird. Das OLG Hamm stellt jedoch auch klar, dass diesem Willen keine übergeordnete Bedeutung beigemessen werden darf. Die objektive Gestaltung der Lebensverhältnisse des Erblassers vor und im Zeitpunkt seines Todes ist immer noch als maßgebliches Kriterium für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes heranzuziehen.

Autorin: Karin Friedrich-Büttner
Unter Mitarbeit von Louisa Klinghardt.