+++ Update vom 30.03.2020 +++
Der Bundestag hat am 27. März 2020 das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG) beschlossen. Bislang hatten die Vertretungsorgane einer juristischen Person nach § 15a Abs. 1 InsO ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber binnen drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen.
Nach der Übergangsregelung ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt. Das COVInsAG ist unternehmensfreundlich gefasst: Die Befreiung von der Insolvenzantragspflicht ist als gesetzlicher Regelfall ausgestaltet. Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags greift nur ausnahmsweise dann, wenn (i) die Insolvenzgründe nicht auf den Folgen der Ausbreitung des COVID-19-Virus beruhen oder (ii) keine Aussicht darauf besteht, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Zudem gilt bei Unternehmen, die am 31. Dezember 2019 noch nicht zahlungsunfähig waren, die gesetzliche – wenngleich widerlegliche – Vermutung, dass die Insolvenzreife auf der COVID-19-Pandemie beruht und dass Aussicht darauf besteht, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
Wenn nach der Übergangsregelung keine Insolvenzantragspflicht besteht, müssen GmbH-Geschäftsführer und Vorstände von Aktiengesellschaften nicht befürchten, in die Insolvenzverschleppungshaftung zu geraten oder für Zahlungen haftbar gemacht zu werden, die sie nunmehr aus dem Vermögen der Gesellschaft heraus leisten (§ 64 GmbHG; § 92 Abs. 2 AktG; § 130a Abs. 1 S. 2 HGB (ggfs. i.V.m. § 177a S. 1 HGB); § 99 S. 2 GenG). Hierzu regelt § 2 Abs. 1 Nr. 1 des COVInsAG, dass derartige Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters als vereinbar gelten.
Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten waren schon immer und sind auch zukünftig verpflichtet zu prüfen, ob sie zahlungsunfähig sind. Stellt sich bei der Prüfung das Bestehen einer Zahlungsunfähigkeit heraus, sollte nun fortlaufend und möglichst genau dokumentiert werden, dass die Zahlungsunfähigkeit auf der COVID-19-Pandemie beruht und dass die Aussicht besteht, die Zahlungsunfähigkeit – gegebenenfalls auch durch absehbare staatliche Hilfen – zu beseitigen, um erhebliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Zwar ist das COVInsAG unternehmensfreundlich ausgestaltet – dennoch besteht das Risiko, dass die gesetzliche Vermutung zu einem späteren Zeitpunkt widerlegt wird.
Das Gesetz tritt rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft und gilt vorerst bis zum 30. September 2020. Es besteht nach § 4 eine Verlängerungsmöglichkeit bis zum 31. März 2021.
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Nach § 15a Abs. 1 InsO haben die Vertretungsorgane einer juristischen Person ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber binnen drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Verletzung der Antragspflicht zieht erhebliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich. So geraten etwa Geschäftsführer einer GmbH in die Insolvenzverschleppungshaftung. Nach § 15a Abs. 4 InsO ist die verspätete Stellung des Insolvenzantrags mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht.
Die knappe Frist bringt – auch im Kern gesunde – Unternehmen derzeit in besondere Bedrängnis. Durch den abrupten Wegfall oft sämtlicher Einnahmen bei gleichzeitig weiterlaufenden Kosten kommen viele Unternehmen in die Lage, ihren fälligen Zahlungspflichten nicht mehr nachkommen zu können. Die Bundesregierung hat zwar verschiedene Instrumente zur Stützung der Liquidität der Unternehmen angekündigt. Aufgrund der Vielzahl der zu erwartenden Hilfsanträge wird aber kaum ein Unternehmen damit rechnen dürfen, dass solche Staatshilfen rechtzeitig gewährt werden und damit bei der Prüfung einer Zahlungsunfähigkeit berücksichtigt werden können.
Die Bundesregierung plant deshalb, die Insolvenzantragspflicht auszusetzen. Trotz Vorliegens eines Insolvenzgrundes soll kein Insolvenzantrag gestellt werden müssen, wenn (i) der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen der Corona-Epidemie beruht und (ii) aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf Sanierung bestehen. Wann genau diese Voraussetzungen gegeben sind und ein Unternehmen von der Antragspflicht tatsächlich befreit ist, ist noch nicht geklärt. In jedem Falle wird sich eine genaue Prüfung empfehlen, um nicht von den empfindlichen Folgen einer Antragspflichtverletzung getroffen zu werden.
Wann die Regelung mit welchem konkreten Inhalt in Kraft treten wird, ist noch unbekannt. Die Regelung soll vorerst bis zum 30. September 2020 gelten. Es soll eine Verlängerungsmöglichkeit bis zum 31. März 2021 geschaffen werden.
Autoren: Marc Heinrich und Alexander Gaub
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