Das BAG hat in einem jungen Urteil vom 23.01.2020 entschieden, dass die Nicht-Einladung eines Schwerbehinderten bzw. ihm gleichgestellten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund einer übersehenen Bewerbungsmail eine Benachteiligung des behinderten Bewerbers i.S.d. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) darstelle, weshalb er einen Schadensersatzanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG habe.

Grundsatz
Einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch aus § 15 AGG kann eine Person geltend machen, wenn sie wegen einer der in § 1 AGG benannten Gründe – wozu auch eine Behinderung gehört – benachteiligt wird. Das Benachteiligungsverbot folgt aus § 7 AGG.

Sachverhalt
Im vorliegenden Fall hatte sich ein einem Schwerbehinderten gleichgestellter Mensch auf eine vom Land Nordrhein-Westfalen ausgeschriebene Stelle per E-Mail beworben, wurde jedoch nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Dies nahm er zum Anlass das Land NRW auf Schadensersatz zu verklagen. Als Begründung für die ausgebliebene Einladung zum Vorstellungsgespräch wurde vom Beklagten Land angeführt, das E-Mail-Postfach sei übergelaufen gewesen und es habe ungenaue Absprachen der verantwortlichen Mitarbeiter gegeben, weshalb die Bewerbung untergangen und folglich nicht in den Geschäftsgang gelangt sei. Man habe die unstreitig zugegangene Bewerbung schlicht nicht zur Kenntnis genommen.

Gesetzliche Vermutung aus § 22 AGG
Diesen Vortrag ließen sowohl das LAG Köln, als auch das BAG nicht ausreichen, um die gesetzliche Vermutung aus § 22 AGG zu widerlegen. Danach trägt der Anspruchsgegner die Beweislast für das Nichtvorliegen der Benachteiligung, wenn Indizien vorhanden sind, die für eine Diskriminierung sprechen. Hier kam erschwerend hinzu, dass es sich beim Beklagten Land NRW um einen öffentlichen Arbeitgeber handelt. Als solcher ist er gemäß § 165 S. 3 SGB IX gesetzlich dazu verpflichtet, schwerbehinderte Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Aus der Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch folge laut BAG die begründete Vermutung, dass der Bewerber wegen seiner Gleichstellung mit einer schwerbehinderten Person benachteiligt worden sei.

Die vom Beklagten Land angeführten Organisationsfehler konnten den achten Senat nicht davon überzeugen, dass dem Land NRW eine tatsächliche Kenntnisnahme der Bewerbung nicht möglich gewesen sei.

Praxistipp
Die Entscheidung des BAG verdeutlicht: Beim Umgang mit Bewerbungsunterlagen von Schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Personen ist höchste Sorgsamkeit geboten. Andernfalls droht dem Arbeitgeber Ungemach in Gestalt von AGG-Klagen, deren Abwehr aufgrund der Beweislast gemäß § 22 AGG bei Vorliegen etwaiger Indizien nur schwer gelingen wird.

Autor: Julius Rödling

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