Neue Regeln des BMF für „Inbound“-Lizenzverträge bestimmen, wann Quellensteuer einzubehalten ist.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nimmt mit Schreiben vom 27. Oktober 2017 (Dokument Nr. 2017/0894289) Stellung zu den sogenannten Inbound-Fällen – d. h. unter welchen Voraussetzungen ein ausländischer Lizenzgeber, der einem Lizenznehmer in Deutschland eine Software oder Datenbank zur Nutzung überlässt, der sogenannten beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Das Schreiben ist insbesondere für deutsche Lizenznehmer von Bedeutung, weil diese im Falle des Eingreifens der beschränkten Steuerpflicht einen sogenannten Steuerabzug („Quellensteuer“) in Höhe von 15 % des gesamten Entgelts vornehmen müssen. Nimmt der deutsche Lizenznehmer den Abzug nicht vor, droht ihm, die Quellensteuer selbst tragen zu müssen.

Zur Sicherung des Besteuerungsaufkommens ist der inländische Lizenznehmer verpflichtet, die Quellensteuer für Rechnung des ausländischen Lizenzgebers an das Bundeszentralamt für Steuern abzuführen. Das gilt grundsätzlich auch für den Fall, dass ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem betreffenden ausländischen Staat besteht. Zumeist hat dann zwar der ausländische Lizenzgeber die Möglichkeit, sich die deutsche Ertragssteuer (Einkommenssteuer oder Körperschaftssteuer) vom Bundeszentralamt für Steuern erstatten zu lassen oder aber eine Freistellung zu beantragen. Bis zur Vorlage einer Freistellungsbescheinigung bleibt aber der deutsche Lizenznehmer verpflichtet, die Quellensteuer abzuführen.

Es kommt deshalb entscheidend darauf an, in welchen Fällen der ausländische Lizenzgeber der beschränkten Steuerpflicht mit seinen inländischen Einnahmen aus der Überlassung von Software und Datenbanken an deutsche Abnehmer unterliegt.

Dies ist unter anderem der Fall, wenn eine „Verwertung“ von Rechten an Software oder Datenbanken im Inland stattfindet (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 f und Nr. 6 EStG).

Nach Auffassung des BMF soll nur die „wirtschaftliche Weiterverwertung“ die beschränkte Steuerpflicht (und damit die Pflicht zum Einbehalten von Quellensteuer) auslösen. Diese wirtschaftliche Weiterverwertung sei durch eine Einräumung von Nutzungsrechten gekennzeichnet, die dem Lizenznehmer eine umfassende Verwertung ermöglicht. Nicht der beschränkten Steuerpflicht unterfalle hingegen ein Lizenzvertrag, mit dem dem inländischen Lizenznehmer nur solche Rechte eingeräumt werden, die zur „bestimmungsgemäßen Nutzung“ der Software oder Datenbank erforderlich sind.

Die Abgrenzung erfolgt in Orientierung an urheberrechtlichen Gesichtspunkten. Nicht primär entscheidend ist allerdings, ob es sich um Individual- oder Standardsoftware handelt. Auch die Unterscheidung danach, ob ausschließliche oder einfache Nutzungsrechte (Letztere lassen die Lizenzierung weiterer Lizenznehmer zu) eingeräumt werden, hat nur indizielle Wirkung.

Eine wirtschaftliche Weiterverwertung einer Software (mit der Folge des Eingreifens der beschränkten Steuerpflicht und der Verpflichtung zum Abführen von Quellensteuer) liegt beispielsweise vor, wenn

  • dem inländischen Lizenznehmer umfassende Nutzungsrechte (Verbreitungs-, Vervielfältigungs-, Veröffentlichungs- und Bearbeitungsrechte) eingeräumt werden; oder
  • der inländische Lizenznehmer auf der Basis eines Software Distribution Agreement die Software fortentwickeln und in beliebiger Anzahl an Dritte weitervertreiben darf; oder
  • dem inländischen Lizenznehmer u. a. das Recht zur Bearbeitung sowie zur Vervielfältigung, Verbreitung und Vermietung als auch zur öffentlichen Wiedergabe eingeräumt wird und er in beliebiger Anzahl Dritten den Zugriff auf die Software über das Internet (z. B. eine cloudbasierte Anwendung) gewähren darf.

Dem gegenüber liegt lediglich eine Überlassung von Software zum „bestimmungsgemäßen Gebrauch“ vor (die nicht zur beschränkten Steuerpflicht führt), wenn

  • dem inländischen Lizenznehmer eine einfache Lizenz eingeräumt wird, die ihn lediglich dazu berechtigt, das Programm auf seinem Computer ablaufen zu lassen sowie eine Sicherungskopie anzufertigen; oder
  • dem inländischen Lizenznehmer eine Betriebslizenz (zur Nutzung durch alle Betriebsangehörigen) oder eine Konzernlizenz (zur Nutzung durch alle dem Konzern-Unternehmen) eingeräumt wird und das Recht zur Bearbeitung der Software darauf beschränkt ist, die überlassene Software an die Erfordernisse des eigenen Betriebes anzupassen, weitergehende Rechte jedoch nicht übertragen werden; oder
  • der Lizenznehmer zwar mit dem Vertrieb der Software in Deutschland betraut ist, sich das Recht des Lizenznehmers aber darauf beschränkt, vom ausländischen Lizenzgeber bezogene Kopien der Software unverändert an deutsche Abnehmer weiter zu vertreiben, und für jede Softwarekopie eine gesonderte Lizenzzahlung an den ausländischen Lizenzgeber zu leisten ist.

Gemischte Verträge unterliegen insgesamt der beschränkten Steuerpflicht, wenn die umfassende Rechteüberlassung zur wirtschaftlichen Weiterverwertung erkennbar im Vordergrund steht.

Gleiches gilt für die Überlassung von Datenbanken und Datenbankinhalten. Auch solche Verträge können der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, wenn dem inländischen Lizenznehmer bzw. Nutzer umfassende Nutzungsrechte zur „wirtschaftlichen Weiterverwertung“ eingeräumt werden. Eine wirtschaftliche Weiterverwertung ist beispielsweise gegeben, wenn dem inländischen Lizenznehmer das Recht eingeräumt wird, wesentliche Teile der Datenbank öffentlich wiederzugeben (z. B. über das Internet) oder Dritten Unterlizenzen an der Datenbank oder wesentlichen Datenbankinhalten einzuräumen. Werden hingegen dem inländischen Lizenznehmer nur diejenigen Rechte eingeräumt, die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Datenbank erforderlich sind (z. B. Zugriffs-, Lese- und Druckfunktion), unterliegt der Vorgang nicht der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 f und Nr. 6 EStG.

Praxistipp
Nutzt ein deutscher Lizenznehmer Software oder Datenbanken, die ihm von einem ausländischen Lizenzgeber überlassen werden, steht die Frage nach dem Eingreifen der beschränkte Steuerpflicht mit der Folge des Steuerabzugs („Quellensteuer“) stets im Raum. Wird dies erst bei einer Jahre später durchgeführten Betriebsprüfung thematisiert, ist der Schaden für den deutschen Lizenznehmer schon entstanden. Erfahrungsgemäß ist es häufig aussichtslos – im besten Fall mühsam – nicht an das Bundeszentralamt für Steuern abgeführte Quellensteuer, für die dann der deutsche Lizenznehmer haftet, zu einem späteren Zeitpunkt vom ausländischen Lizenzgeber zurückzufordern. Handelt es sich um Verträge mit einer erheblichen Vergütung, empfiehlt sich daher vor Abschluss des Vertrages – spätestens aber vor Zahlung des Entgeltes – eine steuerliche Prüfung vornehmen zu lassen und ggf. durch eine entsprechende vertragliche Regelung Vorsorge zu treffen.

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