Kapitalgesellschaften mit einem hohen Einsatz von wechselnden Leiharbeitnehmern und einer ungefähren Beschäftigtenanzahl von 500 oder 2.000 sollten prüfen, ob ihr Aufsichtsrat richtig besetzt ist. Der BGH hat klargestellt, dass die Schwellenwerte für die Unternehmensmitbestimmung nicht durch den Einsatz von wechselnden Leiharbeitnehmern umgangen werden können (BGH v. 25.06.2019 – II ZB 21/18). Seit dem 01.04.2017 ist gesetzlich festgehalten, dass Leiharbeitnehmer im Entleiherunternehmen für die Schwellenwerte mitzuzählen sind, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt (§ 14 Abs. 2 S. 6 AÜG). Die Einsatzdauer bezieht sich laut BGH auf den besetzten Arbeitsplatz – und nicht etwa auf die Einsatzdauer des einzelnen Leiharbeitnehmers.

Entscheidende Größen: mehr als 500 oder 2.000 Arbeitnehmer?
Die entscheidenden Zahlen lauten 500 und 2.000. Beschäftigt eine Kapitalgesellschaft in der Regel mehr Arbeitnehmer als 500, muss ein Drittel der Mitglieder im Aufsichtsrat mit Arbeitnehmervertretern besetzt werden (§ 1 Abs. 1 DrittelbG; § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG). Eine GmbH und eine KGaA müssen, sofern sie noch keinen Aufsichtsrat haben, in diesem Fall sogar erstmalig einen bilden. Werden in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt, muss der Aufsichtsrat zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern besetzt werden. „In der Regel“ bedeutet „normale“ Unternehmensgröße, sodass kurzfristige Schwankungen im Rahmen einer gewöhnlichen unternehmerischen Tätigkeit unberücksichtigt bleiben.

Welche Köpfe zählen mit?
Für die Berechnung des Schwellenwerts sind tatsächlich die Köpfe maßgeblich, sodass Teilzeitarbeitnehmer pro Kopf und nicht als Vollzeitäquivalent zählen. Einbezogen werden sämtliche Arbeitnehmer mit Ausnahme der leitenden Angestellten, auch geringfügig Beschäftigte, Auszubildende und Arbeitnehmer mit ruhendem Arbeitsverhältnis. Im Ausland Beschäftigte zählen bei der Berechnung nicht mit (OLG Frankfurt v. 25.05.2018 – 21 W 32/18). Im Rahmen der Konzernzurechnung ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitnehmer von abhängigen Unternehmen dem herrschenden Unternehmen zugerechnet werden können.

BGH: Leiharbeitnehmer zählen arbeitsplatzbezogen
Das Logistikunternehmen der Automobilbranche, das im Fall des BGH Antragsgegnerin des antragstellenden Gesamtbetriebsrats war, beschäftigte ca. ein Drittel Leiharbeitnehmer. Die Gesamtzahl der Beschäftigten betrug über 2.000 Arbeitnehmer, ohne die Leiharbeitnehmer wäre die Schwelle nicht übertroffen worden. Der Aufsichtsrat war lediglich mit einem Drittel Arbeitnehmervertretern, also nicht paritätisch, besetzt. Der Gesamtbetriebsrat meinte, dass die Leiharbeitnehmer mitzuzählen seien, da diese auf Stammarbeitsplätzen beschäftigt würden. Dagegen hielt das Unternehmen, dass nur solche Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen seien, die selbst über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus beschäftigt würden. Damit sei der Schwellenwert nicht überschritten. Nicht überraschend urteilte der BGH zu Gunsten des Gesamtbetriebsrats und zu Gunsten der Mitbestimmung. Die arbeitsplatzbezogene Betrachtungsweise war bereits 2015, vor der Änderung des AÜG, vom BAG vertreten worden (siehe ESCHE blog vom 06.11.2015).

Handlungsbedarf für Unternehmen
Unternehmen, die bislang durch einen hohen und wechselnden Einsatz von Leiharbeitern glaubten, die Schwellenwerte unterschreiten zu können, müssen nun handeln. Sie haben sich mit der korrekten Form der Mitbestimmung auseinanderzusetzen, den Betrieb zu analysieren und gegebenenfalls die Unternehmensorganisation anzupassen. Eine gesellschafts- und arbeitsrechtliche (interne) Beratung kann zum Ergebnis führen, dass Beherrschungsverträge mit Konzernunternehmen beendet werden und der Fremdpersonaleinsatz umgestaltet wird. Ohne rechtzeitige Vorkehrungen drohen Statusverfahren vor den Landgerichten, die in vielen Fällen sehr öffentlichkeitswirksam geführt werden.

Autoren: Greta Groffy und Fabian Neppeßen

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