Die Abwicklung von Bauverträgen unter dem Einfluss der Corona-Pandemie
Keine Geltung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie
Der Bundestag hat Ende März ein Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie verabschiedet, mit dem u. a. coronaspezifische Regelungen für das Vertragsrecht eingeführt wurden (ESCHE blog vom 30.30.2020: Gesetz zu Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus). Es besteht hiernach z. B. ein Recht zur Leistungsverweigerung, wenn die Erbringung einer Vertragsleistung aufgrund von Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Das Leistungsverweigerungsrecht erstreckt sich indes nur auf Dauerschuldverhältnisse (Mietverträge, etc.), zu denen Bauverträge nicht zählen. Damit gelten im Baubereich die vertraglichen Vereinbarungen fort, sie bleiben von dem o. g. Gesetz unberührt.
Erlass des BMI zu bauvertraglichen Fragen vom 23.03.2020
Am 23.03.2020 hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) einen Erlass zu bauvertraglichen Fragen im Zusammenhang mit Corona veröffentlicht. Dieser ist unmittelbar zwar nur auf Vertragsverhältnisse der Bundesbehörden anzuwenden, gibt jedoch wichtige Anhaltspunkte auch für rein privatwirtschaftliche Vertragsverhältnisse.
Grundaussage ist, dass Baustellen des Bundes grundsätzlich weiter betrieben werden sollen. Dies steht im Einklang mit den geltenden Corona-Verordnungen der Bundesländer, die allesamt vorsehen, dass Handwerker ihre Leistungen weiter erbringen dürfen. Der Baustellenbetrieb soll erst dann eingestellt werden, wenn dies unumgänglich ist, z. B. bei konkreten Betretungsverboten oder eingeschränkter Arbeitsfähigkeit des Auftragnehmers aufgrund von Quarantänemaßnahmen. Der eingesetzte SiGeKo hat besondere Vorkehrungen zur Reduzierung von Ansteckungsrisiken zu treffen.
Nach dem BMI kann die Corona-Pandemie im Einzelfall „höhere Gewalt“ sein und sich auf die bauvertraglichen Leistungspflichten auswirken. Eine generelle Einschränkung der bauvertraglichen Leistungsfähigkeit sei aber – gerade durch die sog. „Handwerker-Klausel“ in den Corona-Verordnungen – nicht anzunehmen.
Die Corona-Pandemie als höhere Gewalt auf Seiten des Auftragnehmers
In erster Linie kommt ein Berufen auf höhere Gewalt für den Auftragnehmer eines Bauvertrages in Betracht, etwa wenn sein Betrieb oder seine Beschäftigten unter Quarantäne gestellt sind, für seine ggf. ausländischen Beschäftigten oder seine Nachunternehmer Reisebeschränkungen gelten oder sich durch die Schließung von Zulieferern kein Baumaterial beschaffen lässt.
Beruft sich der Auftragnehmer auf höhere Gewalt hat er nachvollziehbar zu begründen, warum und in welchem Umfang er aufgrund der Corona-Pandemie seinen Leistungspflichten nicht nachkommen kann. Unter keinen Umständen kann die vertragliche Leistung unter pauschalem Hinweis auf Corona eingestellt werden. Eine Berufung auf höhere Gewalt ist ultima ratio, es besteht erst dann ein entsprechendes Leistungshindernis (d. h. eine Behinderung im bauvertraglichen Sinne), wenn dem Auftragnehmer auch Ersatzmaßnahmen objektiv unmöglich oder unzumutbar sind (z. B. die Einstellung weiterer Beschäftigter, die Beauftragung anderer Nachunternehmer, u. a.). Er hat alles zu unternehmen was ihm möglich ist, um seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen, auch wenn dies für ihn ggf. mit höheren Kosten verbunden ist.
Die Corona-Pandemie als höhere Gewalt auf Seiten des Auftraggebers
Auch der Auftraggeber kann aufgrund von Corona von Leistungseinschränkungen betroffen sein, etwa wenn die Projektleitung unter Quarantäne gestellt wird und der Auftraggeber deshalb nicht mehr seinen vertraglichen Kooperations- und Überwachungspflichten nachkommen kann oder ein Vorgewerk infolge der o. g. Auswirkungen nicht (rechtzeitig) erbracht werden kann.
Für den Auftraggeber gelten die gleichen Anforderungen wie für den Auftragnehmer. Er kann eine Leistungseinstellung aufgrund höherer Gewalt nur dann geltend machen, wenn er darlegt und nachweist, dass Ersatzmaßnahmen (z. B. Umstellungen im Bauablauf; Bestellung einer Vertretung) nicht möglich waren.
Rechtliche Auswirkungen
Kann sich eine der Vertragsparteien erfolgreich auf das Vorliegen höherer Gewalt berufen, kann dies vor allem folgende Auswirkungen auf das Vertragsverhältnis der Baubeteiligten haben:
- Der Auftragnehmer ist für die Dauer der Behinderung von seiner Leistungspflicht frei;
- Die Ausführungsfristen verlängern sich um die Dauer der Behinderung, zzgl. eines angemessenen Zuschlags für die Wiederaufnahme der Arbeiten;
- Dem Auftraggeber kommen gegenüber dem Auftragnehmer keine Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche aufgrund der entstehenden Verzögerung zu;
- Eine etwaige Vertragsstrafe wird durch Überschreitung der ursprünglichen Vertragsfristen nicht verwirkt;
- Kann der Auftraggeber erforderliche Mitwirkungen nicht erbringen, gerät er nicht in Annahmeverzug, sodass dem Auftragnehmer keine Entschädigungsansprüche zustehen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein Vorgewerk aufgrund von höherer Gewalt nicht fertiggestellt werden kann.
Wird die Bauausführung um mehr als drei Monate unterbrochen (hierzu zählt auch, wenn die Ausführung nicht planmäßig begonnen wird) steht bei VOB-Bauverträgen sowohl dem Auftraggeber als auch dem Auftragnehmer ein Sonderkündigungsrecht zu. Ein solches Kündigungsrecht sieht das BGB nicht vor. Sofern der geschlossene Bauvertrag kein außerordentliches Kündigungsrecht der Vertragsparteien regelt, wäre ggf. über eine einvernehmliche Aufhebung des Vertrages zu sprechen und über die bis dahin erbrachten Leistungen abzurechnen.
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