+++ Update vom 30.03.2020 +++

Hilfe für betroffene Unternehmen – gibt es Entschädigungen für Veranstaltungsverbote, Ladenschließungen, etc.?

Das Coronavirus hat Deutschland fest im Griff, es gilt das Gebot des „Social Distancing“ – Schulen und Kitas sind geschlossen, Geschäfte und Restaurants dürfen nicht öffnen, Veranstaltungen sind verboten, und auch für den Privatbereich gilt ein weitreichendes Kontaktverbot. Für betroffene Unternehmen bedeutet dies einschneidende wirtschaftliche Verluste, die auch durch die beschlossenen wirtschaftlichen Hilfen   nicht kompensiert werden. Sie stellen sich deshalb zurecht die Frage, ob und ggf. wer für ihre wirtschaftlichen Schäden aufkommt und welche Schritte sie einzuleiten haben.

Rechtsgrundlage für behördliche Maßnahmen
Behördliche Maßnahmen zu Corona stützen sich auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Die Zuständigkeit liegt grundsätzlich bei den örtlichen Ordnungsbehörden, die nach § 28 Abs. 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen haben. Sie handeln zumeist per Allgemeinverfügung, einer gesetzesähnlichen Regelung, die sich nicht an eine bestimmte Person richtet, sondern an einer näher definierten Adressatenkreis („Geschäfte des Einzelhandels dürfen nicht öffnen; ausgenommen sind […]). Diese Allgemeinverfügungen gelten auch ohne individuelle Adressierung unmittelbar gegen jedes einzelne Mitglied  dieses Adressatenkreises. Daneben haben eine Reihe von Landesministerien zwischenzeitlich auf Grundlage des § 32 IfSG spezielle Corona-Landesverordnungen erlassen, die weitgehend deckungsgleiche Regelungen enthalten. Bei der Auswahl der Maßnahmen kommt den Behörden ein weites Ermessen zu, sie haben aber strikt das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Leitlinien der Bundesregierung sind dabei rechtlich unverbindlich, können aber Berücksichtigung finden.

Entschädigungsansprüche nach IfSG
Das IfSG sieht für spezifische Fälle Entschädigungsansprüche vor. Diese Ansprüche setzen behördliche Anordnungen voraus, freiwillige Schutzmaßnahmen werden hiervon nicht erfasst. Für Unternehmen, die von den aktuellen Beschränkungen betroffen sind, kommt ggf. eine Entschädigung auf Grundlage des § 65 Abs. 1 IfSG in Betracht, wonach z.B. eine Entschädigung zu leisten ist, soweit auf Grund einer behördlichen Anordnung ein „nicht nur unwesentlicher Vermögensteil verursacht wird“. Auch die aktuell angeordneten Schutzmaßnahmen könnten hierunter fallen; mangels entsprechender Präzedenzfälle ist dies indes nicht sicher einzuschätzen.

Weitere Entschädigungsansprüche
Daneben sind weitere Entschädigungsansprüche in Betracht zu ziehen, z.B. nach dem jeweiligen Gefahrenabwehrrecht der Länder, das durchweg Entschädigungen vorsieht für den Fall, dass ein nichtverantwortlicher Dritter durch behördliche Maßnahmen in Anspruch genommen wird. Auch können Amtshaftungsansprüche bestehen, wenn sich behördliche Maßnahmen als rechtswidrig erweisen. Schließlich kommen auch gewohnheitsrechtlich anerkannte Entschädigungsansprüche in Betracht, die darauf gerichtet sind das Sonderopfer auszugleichen, das ein betroffenes Unternehmen für die Aufrechterhaltung der Gesundheit anderer erbringt.

Rechtliche Schritte erforderlich
Grundsätzlich muss sich ein betroffenes Unternehmen vor Geltendmachung einer Entschädigung zunächst um eine (gerichtliche) Abwehr der betreffenden behördlichen Maßnahme bemühen. Dies gilt allerdings nur, soweit dies zumutbar ist. Jedoch ist die Rechtsprechung wenig konkret, wann rechtliche Schritte (un-)zumutbar sein sollen; auch zeigt sie sich hier tendenziell streng. Etwa müssen offensichtlich aussichtslose Rechtsbehelfe nicht ergriffen werden, wobei dies nicht von dem subjektiven Empfinden des Betroffenen abhängt, sondern mittels einer objektiven Rechtsprüfung zu bewerten ist.

In der gegenwärtigen Situation lässt sich keine generelle Aussage treffen, ob Rechtsmittel gegen die aktuellen behördlichen Verfügungen Aussicht auf Erfolg hätten. Erforderlich ist jeweils eine Prüfung des konkreten Einzelfalls. Eine Reihe von Gerichten haben in Eilverfahren, bei denen keine vertiefte Rechtsprüfung sondern nur eine kursorische Interessenabwägung zwischen den Aspekten „Volksgesundheit“ und „unternehmerische Belange“ stattfindet, bereits Rechtsmittel gegen Allgemeinverfügungen und Landesverordnungen zurückgewiesen, hierbei allerdings auch durchaus kritisch über die getroffenen Regelungen und deren Verhältnismäßigkeit im Einzelfall geurteilt. Es erscheint daher gut denkbar, dass in den noch ausstehenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren die Rechtswidrigkeit der ein oder anderen behördlichen Verfügung oder Verordnung festgestellt werden wird.

 

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