Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das Bewertungsportal Yelp frei auswählen darf, welche Bewertungen von Nutzern bei der Gesamtnote berücksichtigt werden und welche nicht (Urteil vom 14.01.2020, Az. VI ZR 496/18). Gegen Yelp geklagt hatte die Betreiberin eines Fitnessstudios. Sie fühlte sich unfair behandelt. Der Grund: Eines ihrer Studios hatte lediglich die Gesamtnote 2,5 von fünf Sternen. Grundlage für diese schlechte Bewertung waren lediglich zwei Bewertungen. 24 weitere, überwiegend sehr positive Bewertungen hatte Yelp einfach nicht berücksichtigt. Der BGH sah in diesem Verhalten von Yelp weder eine „Kreditgefährdung“ der Klägerin (§ 824 BGB) noch eine rechtswidrige Beeinträchtigung in deren Unternehmenspersönlichkeitsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB).
Die Entscheidung, welche Bewertung für die Gesamtnote berücksichtigt wird, trifft bei Yelp ein Algorithmus. Alle Beiträge werden automatisiert gewichtet und nur von Yelp „empfohlene“ werden unmittelbar angezeigt. Die übrigen Bewertungen lassen sich zwar auch anklicken, fließen jedoch nicht in die Gesamtbewertung ein. Nach welchen genauen Kriterien der Algorithmus arbeitet, muss nach Auffassung von Yelp geheim bleiben, weil sonst die Gefahr besteht, dass man Manipulationen im Internet schutzlos ausgeliefert wäre. Der Rechtsprechung des BGH zufolge ist der Algorithmus als Geschäftsgeheimnis geschützt (vgl. Urteil vom 28.01.2014, Az. VI ZR 156/13), er musste im Verfahren also nicht offen gelegt werden.
Bewertungen im Internet sind heute allgegenwärtig. Gleich ob Ärzte, Hotels, Gaststätten, Einkaufsshops, Friseure, Automechaniker oder eben Fitnessstudios – jede Ware und jede Dienstleistung kann, meist noch anonym, bewertet werden. Bei vielen Portalen besteht das Problem darin, dass Bewertungen schlicht erfunden sind. Es gibt sogar auf Bewertungen spezialisierte Agenturen, die gute und schlechte Bewertungen verkaufen (siehe ESCHE blog v. 20.11.2019: Gekaufte Fake-Bewertungen unzulässig? Na klar!). Schlechte Bewertungen sind dann natürlich für die unliebsame Konkurrenz gedacht.
Yelp möchte solche Manipulationen nach eigenen Angaben durch seinen Algorithmus verhindern. Allerdings stand das US-amerikanische Unternehmen deswegen auch schon in der Kritik. Ihm wurde vorgeworfen, bei der Auswahl „empfohlener“ Bewertungen selbst nicht immer ganz neutral zu sein und sie etwa von dem Schalten von Anzeigen im eigenen Portal abhängig zu machen. Yelp selbst bestreitet das.
Die Betreiberin des Fitnessstudios im Prozess vor dem BGH begründete ihren Unterlassungsanspruch damit, dass nicht alle verfügbaren Daten in die Gesamtbewertung eingeflossen seien, das Verfahren sei intransparent und daher nicht überprüfbar.
Die Richter am BGH entschieden zugunsten von Yelp. Das Bewertungsportal suggeriere nicht, „dass es sich bei dem angezeigten Bewertungsdurchschnitt um das Ergebnis der Auswertung aller für das Fitnessstudio abgegebenen Beiträge handele“, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. Nutzerinnen und Nutzer könnten der Bewertung entnehmen, wie viele Beiträge die Grundlage für den Durchschnittswert bildeten. Deshalb war die von der Klägerin angegriffene Bewertung weder eine „unwahre Tatsachenbehauptung“, die der Tatbestand des § 824 Abs. 1 BGB (Kreditgefährdung) voraussetzt, noch ein Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin. Denn ein Unternehmer müsse Kritik an seinen Leistungen grundsätzlich hinnehmen.
Praxistipp
Die Entscheidung des BGH wäre vermutlich anders ausgefallen, wenn im Prozess der Fokus mehr auf die Frage gerichtet gewesen wäre, ob die Kriterien für die Auswahl einer Bewertung durch Yelp als „empfohlen“ tatsächlich lauter oder unlauter sind. Da der Algorithmus von Yelp als Geschäftsgeheimnis geschützt ist, wird die Klägerin insoweit ein Nachweisproblem gehabt haben. Auf andere Bewertungsportale lässt sich das Urteil des BGH schon deshalb kaum übertragen. Daher wäre es verfrüht, die BGH-Entscheidung als Stärkung von Bewertungsportalen zu bezeichnen, wie das in der Berichterstattung vereinzelt der Fall war.
Für Betroffene von Bewertungsplattformen besteht außerdem aufgrund der sogenannten P2P-Verordnung Grund zur Hoffnung. Die Verordnung tritt ab 12.07.2020 in allen EU-Ländern in Kraft. Sie soll Fairness und Transparenz bei großen Online-Plattformen herstellen. Auch Rankings sollen transparenter gemacht werden. Bewertungsportale sollen zum Beispiel dazu verpflichtet werden, offen zu legen, wenn das Ranking mit Zahlungen beeinflusst werden kann.