Mit dem Urteil des FG Baden-Württemberg vom 11.06.2021 – 5 K 1996/19 wird erstmals von einem Finanzgericht entschieden, dass es sich bei einem Gewinn aus dem Verkauf von Kryptowährungen innerhalb eines Jahres nach Anschaffung um einen steuerbaren Vorgang handelt. Doch das Urteil sorgt für Kritik. Die Revision vor dem BFH war anhängig; das Verfahren hat sich durch Rücknahme der Revision durch den Kläger erledigt.
Mittlerweile gibt es mehr als 17.000 Kryptowährungen. Immer mehr Menschen investieren in Kryptowährungen und der Markt hierfür wird größer.
Bislang war die ertragsteuerliche Behandlung von Gewinnen aus Kryptowährungen noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Das BMF hat sich zur ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowährungen bereits mit dem Entwurf des BMF-Schreibens vom 17.06.2021 geäußert.
In Anlehnung an den Entwurf des BMF Schreibens vom 17.06.2021 handelt es sich bei dem Verkauf von Kryptowährungen innerhalb eines Jahres nach Anschaffung um steuerbare private Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 22 Absatz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Einzelfälle regelt das BMF Schreiben ebenfalls.
Mit dem o. g. Urteil des FG Baden-Württemberg stellt sich allerdings die Frage, ob die bisher vom BMF mit dem Entwurf des Schreibens vom 17.06.2021 vertretene Ansicht und die herrschende Meinung in der Literatur zur ertragsteuerlichen Behandlung von Gewinnen aus Kryptowährungen nach § 22 Absatz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 EStG korrekt ist.
FG Baden-Württemberg vom 11.06.2021 – 5 K 1996/19
In dem vorliegenden Sachverhalt des FG Urteils Baden-Württemberg vom 11.06.2021 erklärte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für 2017 Gewinne aus dem Handel mit Kryptowährungen als sonstige Einkünfte nach § 22 Absatz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.
Den Handel mit Kryptowährungen betrieb der Sohn des Klägers treuhänderisch für ihn. Er erwarb und veräußerte („trading“) und tauschte („swap“) die Kryptowährungen innerhalb eines Jahres nach Anschaffung. Die Gewinne aus dem Verkauf der Kryptowährungen berücksichtigte das Finanzamt als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Einkommensteuerbescheid 2017 des Klägers.
Nach Auffassung des Klägers liege kein „anderes Wirtschaftsgut“ i.S.d. § 23 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und damit kein Veräußerungsgeschäft vor.
Kryptowährungen seien kein Wirtschaftsgut. Außerdem gebe es bei der Besteuerung von Einkünften aus dem Handel mit Kryptowährungen ein strukturelles Vollzugsdefizit, das dem Gesetzgeber zurechenbar sei.
Das FG Baden-Württemberg wies die Klage ab. Die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen:
Die Gewinne des Klägers seien sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. Kryptowährungen seien immaterielle Wirtschaftsgüter. Der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts sei weit zu fassen und auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen. Er umfasse „sämtliche vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt“, „die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind“ und der „Erwerber des gesamten Betriebs in dem Vorteil einen greifbaren Wert sehen würde“.
Der Kläger habe beim Erwerb der Kryptowährungen zumindest einen vermögenswerten Vorteil erlangt. Im Blockchain der Kryptowährung werde dem Kläger verbindlich ein Anteil an der Währung zugerechnet.
Die technischen Details der Kryptowährungen seien für die rechtliche Bewertung des Wirtschaftsguts nicht entscheidend.
Ein strukturelles Vollzugsdefizit liege nicht vor, auch wenn sich die meisten Handelsplattformen für Kryptowährungen im Ausland befänden. Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug sei die Finanzverwaltung grundsätzlich auf eine erhöhte Mitwirkung der Steuerpflichtigen angewiesen
Steuerrechtliche Einordnung
In Anbetracht dessen und vor dem Hintergrund der steuergesetzlich noch immer nicht ausdrücklich geregelten komplexen neuen Materie, überrascht die teilweise fehlende Beurteilung des Sachverhalts, insbesondere auf die vom Kläger vorgebrachten technischen Details und Zurechnungsfragen bei Kryptowährungen, des Finanzgerichts Baden-Württemberg.
Die maßgebliche Frage, ob eine steuerpflichtige Veräußerung bei Kryptowährungen i.S.d. § 22 Absatz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorliegt, ist ob ein „anderes Wirtschaftsgut“ im Sinne dieser Norm vorliegt.
Auch das BMF geht in seinem am 17.06.2021 verfassten Entwurf zur ertragsteuerlichen Behandlung nicht näher auf die Frage des „anderen Wirtschaftsguts“ und die technischen Details und Zurechnungsfragen bei Kryptowährungen ein. Es wird das Vorliegen eines „anderen Wirtschaftsguts“ bei Kryptowährungen unterstellt.
Der Begriff des Wirtschaftsguts ist steuerrechtlich mit dem handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstandes identisch. Beide Begriffe umfassen nicht nur Sachen und Rechte im Sinne des BGB, sondern auch tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten, das heißt sämtliche Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung sich der Kaufmann etwas kosten lässt.
Unstrittig ist, die Software mit ihren darin vermerkten virtuellen Werteinheiten, den Kryptowährungen, sei weder eine Sache noch ein Recht. Die Software sei öffentlich frei zugänglich, ihr Quellcode sei offen und sie unterliege keinem Urheberrecht. Insbesondere werde kein Recht an dieser Software durch die Betreiber der sogenannten „Node-Rechner“ begründet.
Die „Node-Rechner“ stellen eine Kopie der gesamten jeweiligen Krypto-Blockchain dar, welche fortlaufend synchronisiert wird. Ohne diese „Node-Rechner“ würde die Software nicht funktionieren.
Der einzige Vorteil für den Betrieb, deren Erlangung sich der Kaufmann etwas kosten lasse, könnte die Kombination aus dem öffentlichen Schlüssel („public key“) und dem privaten Schlüssel („private key“) darstellen. Nur diese sogenannte Schlüsselkombination könnte als „sonstiges“ Wirtschaftsgut behandelt werden.
Zur Erläuterung:
Wenn Sie Ihre erste Kryptowährung kaufen, erhalten Sie zwei Schlüssel: Einen öffentlichen Schlüssel, der mit einer E-Mail-Adresse vergleichbar ist (d. h. Sie können ihn unbesorgt an andere Personen weitergeben, wodurch Sie Gelder senden und empfangen können) und einen privaten Schlüssel, der in der Regel aus Buchstaben und Zahlen besteht (der nicht mit anderen Personen geteilt werden darf). Stellen Sie sich den privaten Schlüssel als Passwort vor, das den virtuellen Tresor („Vault“) öffnet, in dem Ihr Geld verwahrt wird.
Solch eine oben genannte Schlüsselkombination würde sich allerdings kein Kaufmann etwas kosten lassen.
Letztlich habe er nur zwei Buchstaben- und Zahlenreihenkombinationen in der Hand, die nur in Kombination mit einer von ihm nicht beeinflussbaren Software einen am Markt reflektierten wirtschaftlichen Wert ergäben. Kein Dritter wäre bereit, Geld für ein Schlüsselpaar aus Zahlen und Buchstaben zu zahlen.
Erst die Kombination mit der Software der „Node“ Rechner schaffe hier einen wirtschaftlichen Wert. Diese Kombination aus Software, privater und öffentlicher Schlüssel ist aber nicht Eigentum des jeweiligen „Inhabers“ der Kryptowährung. Er kann darüber nicht verfügen, sodass es sich um keinen Wert handelt.
Für die Betrachtung des Begriffs „Wirtschaftsgut“ kommt es entscheidend darauf an, ob die Software für den „Inhaber“ der Kryptowährungen eine konkrete Möglichkeit darstelle, deren Erlangung sich ein Dritter etwas kosten lassen würde. Der „Inhaber“ erlange die Software unseres Erachtens allerdings nicht; er habe auch keinen Einfluss auf diese, sodass hier nicht von einem „anderen Wirtschaftsgut“ i.S.d. § 23 EStG für den Steuerpflichtigen ausgegangen werden kann.
Fazit
Wir empfehlen, bei in Einkommensteuerbescheiden berücksichtigten Gewinnen aus dem Verkauf von Kryptowährungen nach § 22 Absatz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, die Bescheide durch Einspruch offen zu halten.
Die Revision zur Entscheidung des Urteils vom FG Baden-Württemberg vom 11.06.2021 ist beim BFH nicht mehr anhängig. Allerdings ist davon auszugehen, dass aufgrund der zunehmenden Anwendungsfälle durch den Verkauf von Kryptowährungen der BFH auf lange Sicht nicht um die Beurteilung der Besteuerung von Kryptowährungen herum kommt.
Zur Beurteilung der Besteuerung von Kryptowährungen ist seit der Pressemitteilung des FG Köln vom 25.02.2022 bekannt, dass ein Revisionsverfahren beim BFH unter dem Aktenzeichen IX R 3/22 unter anderem zu der Frage, ob es sich bei Kryptowährungen um „andere Wirtschaftsgüter“ handelt, anhängig ist.
Es bleibt abzuwarten wie der BFH die ertragsteuerliche Behandlung von Gewinnen und Verlusten aus Kryptowährungen beurteilen wird. Eine Auseinandersetzung des Gerichts mit den technischen Details und Zurechnungsfragen von einzelnen Kryptowährungen wird unerlässlich für die ertragsteuerliche Bewertung von Kryptowährungen sein. Der Gesetzgeber wäre gut beraten, diesbezüglich eine ertragsteuerliche Anpassung vorzunehmen.
Autoren: StB Markus Konheiser, Niclas Henoch