Hintergrund

Am 01.07.2021 treten die gesetzlichen Regelungen zur Umsetzung der zweiten Stufe des europäischen Mehrwertsteuerdigitalpakets in Kraft. Die Änderungen stellen einen weiteren Schritt zur Umsatzbesteuerung von Leistungen im Bestimmungsmitgliedstaat dar (sog. Bestimmungslandprinzip). Die Anpassungen betreffen unter anderem Neuregelungen zum Fernabsatz gegenüber Endverbrauchern in der EU (Erweiterung des bestehenden Mini-One-Stop-Shops zur zentralen Anlaufstelle One-Stop-Shop (OSS) nebst Absenkung der Lieferschwellen) sowie die Einführung eines Import-One-Stop-Shops (IOSS) für Waren aus Drittstaaten. Weitere Maßnahmen sind die Besteuerung von Onlinemarktplätzen und elektronischen Schnittstellen bei Lieferungen aus dem Ausland sowie die Abschaffung der 22-Euro-Grenze bei der Einfuhrumsatzsteuer.

Insbesondere die deutschen Unternehmer, die Waren in andere Mitgliedstaaten an Kunden verkaufen, die keinen innergemeinschaftlichen Erwerb der Besteuerung unterwerfen müssen und die sich bisher wegen der hohen Lieferschwellen (mindestens 35.000 EUR pro Land) nicht um umsatzsteuerliche Konsequenzen in den jeweiligen Mitgliedstaaten kümmern mussten, müssen sich nun intensiv mit den neuen Regelungen auseinandersetzen. Denn bei Überschreiten der nun EU-einheitlichen Lieferschwelle in Höhe von insgesamt 10.000 EUR für sämtliche Fernverkäufe innerhalb der EU treten die Folgen des § 3c Abs. 1 UStG, und damit eine Umsatzbesteuerung im Bestimmungsland, ein.

Zur weiteren Präzisierung der gesetzlichen Neuregelungen erließ das BMF mit Datum vom 01.04.2021 ein 35-seitiges BMF-Schreiben. Doch auch nach dem Erlass dieses Schreibens sind nach wie vor einige praxisrelevante Fragestellungen unbeantwortet geblieben.

Praxishinweise zu den neuen Meldeverfahren

Während die Rechtswirkungen der Umsetzung des europäischen Mehrwertsteuerdigitalpaketes zum 01.07.2021 in Kraft treten, besteht für betroffene Unternehmen bereits seit dem 01.04.2021 die Möglichkeit, sich für die neu eingeführten Meldeverfahren (OSS und IOSS) zu registrieren. Dies erfolgt, unter Verwendung der USt-IdNr., über das Online-Portal des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt). Bei umsatzsteuerlichen Organschaften muss der Organträger die Registrierung unter der Verwendung seiner USt-IdNr. vornehmen. 

Der Antrag auf Registrierung muss grundsätzlich vor Beginn des jeweiligen Besteuerungszeitraums (für den OSS das Quartal, für den IOSS der Kalendermonat) beim BZSt gestellt werden. Möchte sich ein Unternehmen bereits ab dem 01.07.2021 registrieren, so muss es sich bis spätestens zum 30.06.2021 im Online-Portal des BZSt anmelden. Bei Verstreichen dieser Frist ist eine Anmeldung erst für das darauffolgende Quartal (OSS), bzw. für den darauffolgenden Kalendermonat (IOSS) möglich. Dies kann für das Unternehmen, insbesondere bei unter die Regelung des OSS fallenden Umsätzen, sehr ungünstig sein, da es seine in den anderen Mitgliedstaaten zu besteuernden Umsätze – zumindest für das Quartal der Fristversäumnis – jeweils in den einzelnen Mitgliedstaaten erklären muss.

OSS

Im Bereich des OSS kann ein Unternehmen, das erstmals unter diese Regelung fallende Umsätze erbringt oder die EU-weite Umsatzschwelle von 10.000 EUR erstmals überschreitet, eine Registrierung auch innerhalb des Quartals vornehmen. Hierfür muss die Anzeige beim BZSt bis zum 10. Tag des auf die erste Leistungserbringung folgenden Monats erfolgen. 

Unternehmen, die bereits für das nun ersetzte Mini-One-Stop-Shop-Verfahren registriert sind, nehmen automatisch am OSS-Meldeverfahren teil. Eine Abwahl dieses Verfahren muss in diesen Fällen aktiv ausgeübt werden. Die Erklärung/Meldung über den OSS ist bis zum letzten Tag des auf das Quartal folgenden Monats abzugeben (31.10., 31.01., 30.04., 31.07.). Die Fälligkeit der Umsatzsteuer tritt ebenfalls an diesen Tagen ein. Die fälligen Umsatzsteuerbeträge sind an das BZSt zu entrichten. Ein Lastschrifteinzug ist nicht möglich. Eine, wie bei den laufenden Umsatzsteuervoranmeldungen übliche, Dauerfristverlängerung gilt nicht für das OSS-Verfahren. Die vorgenannte Meldefrist kann insoweit nicht verlängert werden.

Für den Inhalt der Meldung über den OSS gilt es zu beachten, dass hierbei alle unter diese Regelung fallenden Umsätze zu erfassen sind. Eine Meldung dieser Umsätze in einer lokalen Voranmeldung ist hingegen nicht zulässig. Dies hat zur Folge, dass in der Buchhaltung eines Unternehmens getrennte Konten für Umsätze im Voranmeldungsverfahren sowie für Umsätze im OSS-Verfahren zu führen sind, soweit in einem Mitgliedsstaat auch eine umsatzsteuerliche Registrierung besteht. Bei der Abbildung über ein ERP-System bedarf es aus diesem Grund getrennter Steuerschlüssel. Zudem gilt es, mangels Möglichkeit einer Dauerfristverlängerung, zu beachten, dass die betreffenden Umsätze fristgerecht gemeldet werden können.

VAT short breakfast am 10.06.2021

Um einen Blick auf die vielfältigen Änderungen, die die Umsetzung der zweiten Stufe des Mehrwertsteuerdigitalpakets mit sich bringen, werfen zu können, veranstaltet ESCHE am 10.06.2021 eine weitere Ausgabe der kostenlosen Online-Vortragsreihe „VAT short breakfast“ , zu der wir Sie hiermit recht herzlich einladen möchten. In dieser Veranstaltung wird es insbesondere um praktische Fragestellungen in Bezug auf die neu eingeführten Meldeverfahren gehen.

Autoren: Melanie Weist, Steffen Kurpierz

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