Der aktuelle Lockdown stellt insbesondere Eltern vor große Herausforderungen. Die Kitas bieten – wenn überhaupt – nur eine Notbetreuung an und die Schulen sind geschossen. Im viel beachteten Bund-Länder-Beschluss vom 05.01.2021 wurde bereits die Absicht erklärt, Eltern durch eine Ausweitung des Kinderkrankengeldes zu entlasten. Gestern (14.01.2021) hat der Bundestag die Einführung des neuen § 45 Abs. 2a und 2b SGB V beschlossen. Darin sind eine Verdopplung der „Kind-Krank-Tage“ und eine leichtere Inanspruchnahme für die Kinderbetreuung vorgesehen – unabhängig von einer Erkrankung der Kinder.

Das neue Kinderkrankengeld

Die neue Regelung ist deutlich weiter gefasst als das bisherige Kinderkrankengeld. Wie bereits im Jahr 2020 wird die Anzahl der Kinderkrankentage nun auch für das Jahr 2021 verdoppelt. Jedem Elternteil stehen pro Kind nunmehr 20 „Kind-Krank-Tage“ zu, Alleinerziehenden 40 Tage. Gedeckelt ist die Regelung für sämtliche Kinder auf insgesamt 45 Tage im Jahr, für Alleinerziehende auf 90 Tage. Erstattet werden bis zu 90 % des Nettoeinkommens.

Der Anspruch besteht neuerdings auch, wenn die Kinder gesund sind, aber die Betreuung aufgrund von geschlossenen Schulen oder Kitas notwendig wird. Dies gilt auch dann, wenn lediglich das Betreuungsangebot eingeschränkt oder die Präsenzpflicht in den Schulen ausgesetzt ist. Notwendig ist die Betreuung gem. § 45 Abs. 1 SGB V aber nur, wenn sie nicht durch eine andere im Haushalt lebende Person übernommen werden kann. 

Ungeklärt bleibt hingegen weiterhin, ob der Anspruch auf Kinderkrankengeld auch von Eltern beansprucht werden kann, denen eine Tätigkeit im Homeoffice möglich ist. Aus der Gesetzesbegründung des neuen § 45 Abs. 2a SGB V geht deutlich hervor, dass der Anspruch unabhängig von einer Homeoffice-Möglichkeit bestehen soll. Da diese Aussage aber nicht Teil der Norm selbst geworden ist, bleibt die Klärung dieser Frage den Gerichten vorbehalten, die sich allerdings an der Gesetzesbegründung orientieren werden. Homeoffice dürfte aber bereits dann nicht möglich sein, wenn entweder der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer erklären, dem Homeoffice nicht zuzustimmen. Denn bislang kann Homeoffice ohne rechtlichen Anspruch nur einvernehmlich stattfinden.

Freistellungsanspruch für privat Versicherte 

Anspruchsberechtigt für das Kinderkrankengeld sind gesetzlich versicherte, berufstätige Eltern von gesetzlich versicherten Kindern unter 12 Jahren oder von Kindern, die aufgrund einer Behinderung betreuungsbedürftig sind. 

Privat Versicherte bzw. Eltern von privat versicherten Kindern haben keinen Anspruch auf Kinderkrankengeld. Mit dem Anspruch auf Kinderkrankengeld geht gem. § 45 Abs. 3 SGB V jedoch auch ein Anspruch auf unbezahlte Freistellung gegen den Arbeitgeber einher. Dieser Freistellungsanspruch gilt gem. § 45 Abs. 5 SGB V auch für privat versicherte Arbeitnehmer. Somit können auch privat versicherte Eltern zukünftig verlangen, unabhängig von einer Erkrankung ihres Kindes für die Kinderbetreuung unbezahlt von der Arbeit freigestellt zu werden. In einigen Fällen wird für privat Versicherte ein Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1a IfSG in Betracht kommen.

Krankengeld vs. Entschädigung nach dem IfSG 

Der neue § 45 Abs. 2b SGB V sieht vor, dass der Anspruch auf Kinderkrankengeld vorrangig gegenüber dem Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1a IfSG ist. Gem. § 56 Abs. 1a IfSG erhalten Arbeitnehmer, die wegen der Schließung von Schulen oder Kitas ein Kind unter zwölf Jahren (oder ein Kind, das aufgrund einer Behinderung betreuungsbedürftig ist) betreuen müssen, eine staatliche Entschädigung für den dadurch entstandenen Verdienstausfall. Bereits im Dezember wurde diese Regelung dahingehend erweitert, dass sie auch im Fall der Aufhebung der Präsenzpflicht an Schulen gilt. Voraussetzung für diesen Anspruch ist u. a., dass keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit besteht. Wenn z. B. Homeoffice-Möglichkeiten bestehen, wird die Entschädigung nicht gezahlt. Die Entschädigung wird pro Elternteil für einen Zeitraum von bis zu 10 Wochen gezahlt (bei Alleinerziehenden bis zu 20 Wochen) und umfasst 67 % des Verdienstausfalls, höchstens jedoch EUR 2016,00 monatlich – also erheblich weniger als das Kinderkrankengeld.

Während ein Elternteil Kinderkrankengeld in Anspruch nimmt, ruht für beide Elternteile der Entschädigungsanspruch. Die Entschädigung nach dem IfSG kann also erst nach Ausschöpfung der „Kind-Krank-Tage“ beansprucht werden. 

Verhältnis zu § 616 BGB

Weiterhin unklar bleibt das Verhältnis des Kinderkrankengeldes zum Anspruch auf bezahlte Freistellung gemäß § 616 BGB. Danach haben Arbeitnehmer, die unverschuldet für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ ihrer Arbeitsverpflichtung nicht nachkommen können, unter bestimmten Umständen einen Anspruch auf Fortzahlung ihres Gehalts. Bei der Erkrankung von Kindern wird regelmäßig ein Zeitraum bis zu fünf Tagen als „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ angesehen. Fraglich ist nun beim aktuellen Wegfall von Betreuungsmöglichkeiten, ob nicht regelmäßig die Schwelle der Erheblichkeit von ca. fünf Tagen überschritten und ob nicht die Inanspruchnahme einer Notbetreuung oder eine Kinderbetreuung während einer Tätigkeit im Homeoffice zumutbar ist. 

Es ist in jedem Fall ratsam, den Anspruch im Arbeitsvertrag auszuschließen (oftmals nicht der Fall). Die Krankenkassen fragen dies in ihren bisherigen Anträgen auf Kinderkrankgeld, die der Arbeitnehmer ausfüllen muss, ab. 

Praxisfragen

Das Kinderkrankengeld wird bei der gesetzlichen Krankenkasse beantragt. Für den Nachweis der Betreuungsnotwendigkeit gegenüber der Krankenkasse genügt eine Bescheinigung der jeweiligen Einrichtung (z. B. Schule oder Kita).

Die neue Regelung wird Arbeitgeber insbesondere in Zeiten des Lockdowns vor enorme organisatorische Herausforderungen stellen. Immerhin wird das Kinderkrankengeld durch die Krankenkassen ausgezahlt, sodass Arbeitgeber – im Gegensatz zu der Entschädigung nach § 56 Abs. 1a IfSG – nicht den administrativen Aufwand einer Erstattung haben.

Unter Mitarbeit von Johanna Schaller.

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