In der Praxis haben sich Systeme zur Erfassung der Arbeitszeit etabliert, die den Mitarbeiter mithilfe seines „Fingerabdrucks“ identifizieren. Die Fingerlinien erlauben eine sichere Identifikation und sind stets verfügbar. Aber kann ein Arbeitgeber die Nutzung eines solchen Systems erzwingen? Darüber hatte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zu entscheiden (LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Juni 2020, Aktenzeichen 10 Sa 2130/19).

Sachverhalt
Der beklagte Arbeitgeber hatte einen Arbeitnehmer zweimalig abgemahnt, nachdem dieser sich geweigert hatte, das neue Zeiterfassungssystem zu nutzen. Für die An- und Abmeldung war vorgesehen, dass der Arbeitnehmer einen Fingerabdruck scannen lassen musste, der dann zur Identifikation des Arbeitnehmers mit hinterlegten Daten aus dem Fingerabdruck abgeglichen wurde. Das eingesetzte Zeiterfassungssystem speicherte keine vollständigen Fingerabdrücke, sondern nur sogenannte Minutien (“Fingerlinienverzweigungen”). Der Arbeitnehmer meinte, dass die hierzu erforderliche Datenverarbeitung unzulässig und die Weisung des Arbeitgebers, das System zu nutzen, deshalb unverbindlich gewesen sei.

Der Arbeitgeber begründete die Erforderlichkeit des Einsatzes des biometrischen Zeiterfassungssystems im Wesentlichen mit dem Ausschluss von Manipulationsmöglichkeiten, die bei dem Einsatz einer Chipkarte (durch Weitergabe an einen Dritten) und erst recht bei einer manuellen Zeiterfassung gegeben wären. Außerdem sei das Verfahren kostengünstiger sowie wegen der Möglichkeit des Vergessens oder des Verlierens von Chipkarten zuverlässiger und einfacher zu nutzen.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg kam – wie schon die Vorinstanz – zu dem Ergebnis, dass die Anweisung, das biometrische Zeiterfassungssystem zu nutzen, für den Arbeitnehmer unverbindlich war, weil die Verarbeitung der Fingerabdruckdaten datenschutzrechtlich nicht zulässig gewesen sei.

Auch wenn Fingerabdrücke nicht vollständig gespeichert werden, handelt es sich bei den gespeicherten Daten um biometrische Daten i.S.d. Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO). Entsprechend der Definition der DS-GVO würden mit einem speziellen technischen Verfahren gewonnene personenbezogene Daten zu den physischen Merkmalen einer Person, die eindeutige Identifizierung dieser natürlichen Person ermöglichen oder bestätigen, verarbeitet (Art. 4 Nr. 14 DS-GVO). Da diese biometrischen Daten zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO gehörten, sei deren Verarbeitung grundsätzlich untersagt (Art. 9 Abs. 1 DS-GVO). Eine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten und damit auch biometrischer Daten sei nur zulässig, wenn ein Ausnahmetatbestand i.S.v. Art. 9 Abs. 2 DS-GVO vorliege. In Betracht kam hier eine Verarbeitung, die erforderlich sei, damit der Verantwortliche die ihm aus dem Arbeitsrecht erwachsenden Rechte ausüben könne (Art. 9 Abs. 2 b) DS-GVO). Entsprechend der Konkretisierung des Art. 9 mit § 26 Abs. 3 DS-GVO sei die Verarbeitung biometrischer Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses aber nur dann zulässig, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht erforderlich sei und kein Grund zu der Annahme bestehe, dass das schutzwillige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegen.

Das Gericht schloss zwar nicht aus, dass in Einzelfällen das Interesse des Arbeitgebers an der Vermeidung von Manipulationen ausreichen könne, um die Erforderlichkeit eines biometrischen Zeiterfassungssystems zu begründen.

Im vorliegenden Fall habe der Arbeitgeber aber nicht ausreichende Tatsachen vorgetragen, zum eine Interessenabwägung zu seinen gunsten zu begründen. Die Verarbeitung von Fingerabdruckdaten, die für eine Identifikation ausreichen, sei ein Eingriff in das allgemeine Pesönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers von “hoher Intensität”, so dass die allgemeine, nicht näher durch tatsächlicher Anhaltspunkte begründete Vermutung, dass es zu Manipulationen kommen könne, nicht ausreiche, um ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an einem biometrischen Zeiterfassungssystem mit Fingerabdruckdaten zu begründen.

Auswirkungen auf die Praxis
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg ist noch nicht rechtskräftig. Das Verfahren ist beim Bundesarbeitsgericht anhängig. Arbeitgeber müssen sich jedoch darauf einstellen, dass sie ohne besondere Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit einer biometrischen Zeiterfassung eine solche nicht gegen den Willen des Beschäftigten durchsetzen können.

Aus der Entscheidung lässt sich allerdings kein allgemeines Verbot biometrischer Zeiterfassungssysteme ableiten. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Dabei wird in Bezug auf die Intensität der Beeinträchtigung der Arbeitnehmerinteressen auch die jeweilige Ausgestaltung der Datenverarbeitung zu berücksichtigen sein (Qualität und Quantität der erhobenen Daten, Transparenz des Verfahrens; Maßnahmen zur Datensicherheit etc.). Für überwiegende Arbeitgeberinteressen, könnten dokumentierte Anhaltspunkte für Manipulationsvorgänge sprechen.

Möglich bleibt in jedem Fall die freiwillige Anwendung eines Zeiterfassungssystems mit biometrischen Daten, wobei dem Arbeitnehmer dann die echte Wahlmöglichkeit zwischen der Zeiterfassung mit biometrischen Daten und einer Zeiterfassung ohne biometrische Daten gegeben werden muss (§ 26 Abs. 2 BDSG).

Sofern in dem Betrieb ein Betriebsrat bzw. in der Dienststelle eine Personalrat gewählt ist, ist der Einsatz eines biometrischen Zeiterfassungssystems mitbestimmungspflichtig. In diesen Fällen bietet es sich an, zu prüfen, ob nach § 26 Abs. 4 BDSG i.V.m. Art. 88 Abs. 2 DS-GVO die Möglichkeit besteht, die Datenverarbeitung durch eine Regelung in der Betriebs- oder Dienstvereinbarung rechtlich abzusichern.

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