Der BFH hat mit vier Urteilen vom 02.12.2015 und 03.12.2015 wesentliche Zweifelsfragen zur umsatzsteuerlichen Organschaft geklärt. Von besonderer Bedeutung ist die Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach Personengesellschaften keine Organgesellschaften einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein können.

Der BFH hat im Dezember 2015 vier Verfahren entschieden, die alle bis zur Entscheidung des EuGH in den verbundenen Rechtssachen Larentia + Minerva sowie Marenave ausgesetzt waren. Nach der Entscheidung des EuGH in diesen Verfahren im Sommer 2015 hat nun der BFH die dort anhängigen Verfahren fortgeführt und dabei zu wesentlichen Zweifelsfragen der umsatzsteuerlichen Organschaft Stellung genommen.

Personengesellschaften können Organgesellschaften sein

Mit der bedeutendsten Entscheidung hat der BFH entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch Personengesellschaften Organgesellschaften einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein können. Damit erweitert sich der Kreis der in die Organschaft einzubeziehenden Tochtergesellschaften.

Dem anderslautenden Gesetzeswortlaut begegnet der BFH dabei im Wege teleologischer Erweiterung. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG können nur juristische Personen Organgesellschaften sein. Diese Rechtslage wurde in der Vergangenheit mehrfach seitens der Steuerpflichtigen angefochten. Mit seinem Urteil in den Rechtssachen Larentia + Minerva sowie Marenave hat der EuGH im Sommer 2015 daraufhin entschieden, dass die europarechtlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie einer generellen Beschränkung der Organschaft auf juristische Personen entgegensteht. Nur soweit dies zur Vermeidung missbräuchlicher Praktiken und der Steuerhinterziehung erforderlich sei, dürften Einheiten von der Regelung zur Organschaft ausgeschlossen werden.

Diesen Grundsätzen folgend, hat der BFH entschieden, dass eine Personengesellschaft Organgesellschaft sein kann, falls Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur von diesem beherrschte Gesellschaften sind. Der BFH stützt diese Einschränkung darauf, dass eine Voraussetzung der Organschaft u.a. die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger ist. Der Organträger muss die Möglichkeit der Beherrschung der Organgesellschaft haben. In der Regel ist dazu das Halten der Anteilsmehrheit erforderlich. Es ergeben sich aber Unterschiede zwischen den Rechtsformen.

Bei juristischen Personen kann der Mehrheitsgesellschafter aufgrund des dort anzuwendenden Mehrheitsprinzips die Organgesellschaft jederzeit beherrschen. Bei Personengesellschaften gilt hingegen grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip. Die Anteilsmehrheit verschafft dem Mehrheitsgesellschafter daher nicht zwingend die Möglichkeit seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen.

Anders verhält es sich, wenn neben dem Organträger nur von ihm beherrschte Gesellschaften Gesellschafter der Personengesellschaft sind. Eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung ist in diesem Fall ausgeschlossen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH hat der BFH daher entschieden, dass eine solch beherrschte Personengesellschaft einer juristischen Person gleichzustellen ist und dementsprechend eine umsatzsteuerliche Organgesellschaft sein kann. Den ausdrücklich entgegenstehenden Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG überwindet der BFH unter Verweis auf die unionsrechtlich gebotene Rechtsformneutralität der Regelungen zur Organschaft im Wege einer am Gesetzeszweck orientierten Erweiterung der Norm.

Klargestellt hat der BFH jedoch, dass die Anerkennung von Personengesellschaften auf diese Fälle beschränkt bleibt. Aus Gründen der Missbrauchsvermeidung sind andere Personengesellschaften – im Einklang mit der jüngsten Rechtsprechung des EuGH – keine geeigneten Organgesellschaften, denn bei diesen ist die Beherrschung durch den Organträger nicht gewährleistet.

Keine Organschaft zwischen lediglich eng miteinander verbundenen Unternehmen


Mit einer weiteren Entscheidung hat der BFH eine Ausdehnung der umsatzsteuerlichen Organschaft auf lediglich eng miteinander verbundene Unternehmen abgelehnt.

Eine GmbH erbrachte Leistungen an ihre Schwestergesellschaft, eine KG, die diese für steuerfreie Ausgangsleistungen verwendete. Gesellschafter der GmbH waren zwei Gesellschafter. Eine Stimmrechtsvereinbarung gewährleistete jedoch ein einheitliches Stimmverhalten zugunsten des einen Gesellschafters. Dieser Gesellschafter war zugleich alleiniger Kommanditist und Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH der KG.

Die GmbH machte geltend, dass sie Organgesellschaft der KG gewesen sei. Infolgedessen habe sie mit ihren Leistungen nicht steuerbare Innenumsätze erbracht. Die GmbH stützte diese Sichtweise darauf, dass sie aufgrund der den beiden Gesellschaften übergeordneten Gesellschafterstruktur von der KG beherrscht worden sei. Das mangels ausreichender Anteilsmehrheit bei dem Gesellschafter der GmbH, der die KG beherrschte, keine finanzielle Eingliederung vorlag, war nach Auffassung der GmbH unbeachtlich. Nach Unionsrecht sei lediglich eine Verbindung zwischen den Gesellschaften erforderlich.

Der BFH trat dieser Auffassung entgegen. Er stützt seine Entscheidung auf das Erfordernis einer hinreichend sicheren Bestimmung der Voraussetzungen der Organschaft, da die Organschaft zur Verlagerung der Steuerschuld von der Organgesellschaft auf den Organträger führt. Bei einer Beteiligung mehrerer Gesellschafter an zwei Schwestergesellschaften sei nicht hinreichend sicher bestimmbar, unter welchen Voraussetzungen der Beteiligungsbesitz der Gesellschafter zusammengerechnet werden kann, um eine finanzielle Eingliederung der einen in die andere Schwestergesellschaft zu begründen. Diese Bestimmbarkeit sei wegen der sich aus der Organschaft ergebenden finanziellen Auswirkungen jedoch erforderlich. Es genüge daher nur eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers, um die Voraussetzungen der Organschaft ermitteln zu können.

In der Praxis bedeutet dies, dass eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen Schwestergesellschaften weiterhin ausgeschlossen bleibt.

Keine Organschaft mit einem Nichtunternehmer

In seiner dritten Entscheidung hat der BFH die klägerische Auffassung, dass eine Organschaft auch mit einem Nichtunternehmer begründet werden könne, ausdrücklich abgelehnt.

Der Kläger erbrachte Leistungen an eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person des öffentlichen Rechts und machte geltend, die Leistungen seien nicht steuerbar, da zwischen ihm und der Leistungsempfängerin eine umsatzsteuerliche Organschaft bestünde. Hierzu verwies er auf die Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH, welches einer Beschränkung der Organschaft auf Unternehmer entgegenstehe. Der EuGH hatte entschieden, dass der Einbezug von Nichtunternehmern in eine umsatzsteuerliche Organschaft nicht per se dem mit dieser Rechtsfigur verfolgtem Vereinfachungszweck entgegensteht. Allerdings schließt der EuGH Nichtunternehmer ausdrücklich von der Organschaft aus, wenn deren Einbezug zu Missbräuchen führen kann. Diese Einschränkung sah der BFH vorliegend als gegeben an.

Auswirkungen der Organschaft auf Betriebsveräußerungen

In seiner vierten Entscheidung hat der BFH zu möglichen Auswirkungen der umsatzsteuerlichen Organschaft auf Betriebsveräußerungen Stellung genommen.

Nach § 1 Abs. 1a UStG sind Geschäftsveräußerungen im Ganzen nicht umsatzsteuerbar. Wird ein Betrieb im Ganzen oder ein eigenständig fortzuführender Teilbetrieb auf einen Unternehmer zur Fortführung übertragen, fällt für diesen Veräußerungsvorgang daher grundsätzlich keine Umsatzsteuer an. Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass der Kläger seinen Betrieb aufgespalten und auf eine Besitzgesellschaft und eine Betriebsgesellschaft übertragen hatte, wobei die Besitzgesellschaft das Anlagevermögen unentgeltlich an die Betriebsgesellschaft überließ. Nur soweit Betriebsteile auf die Betriebsgesellschaft übertragen wurden, nahm der BFH eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen an. Die Übertragung von Betriebsteilen auf die Besitzgesellschaft war hingegen umsatzsteuerbar, da diese wegen der nur unentgeltlichen Überlassung des Anlagevermögens nicht selbst umsatzsteuerlicher Unternehmer war. Bei Annahme einer umsatzsteuerlichen Organschaft hätten Betriebs- und Besitzgesellschaft hingegen als ein umsatzsteuerlicher Unternehmer behandelt werden müssen. In dem Fall wäre der Betrieb also auf einen Unternehmer übertragen worden und die Veräußerung nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen gewesen.

Die umsatzsteuerliche Organschaft scheiterte jedoch aus mehreren in den vorstehenden Entscheidungen des BFH genannten Gründen. Insbesondere stellte der BFH fest, dass eine umsatzsteuerliche Organschaft nicht mit einem Nichtunternehmer und nicht zwischen Schwestergesellschaften begründet werden könne.

Autoren: Thomas Schäffer, Simon Pommer, LL.M.