Der BFH hat mit Urteil vom 23.07.2019 (Az. XI R 2/17, DStR 2019, S. 2426) entschieden, dass die Umsätze, die ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Wohlfahrtswesens aus Gastronomieleistungen und der Zurverfügungstellung einer öffentlichen Toilette erzielt, selbst dann nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG ermäßigt zu besteuern sind, wenn diese Leistungen der Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke gedient haben.

Sachverhalt
Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wohlfahrtspflege, der mildtätige Zwecke i.S.d. § 53 AO durch Unterstützung von körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftigen Personen verfolgt. Zur Erfüllung des Satzungszwecks betreibt der Verein eine anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen. Daneben betreibt der Verein ein Bistro und eine öffentliche Toilette, die nicht Betriebsteil der Behindertenwerkstatt sind. Dort beschäftigt der Kläger unter anderem auch behinderte Arbeitnehmer.

Der Kläger beurteilte das Bistro und die öffentliche Toilette als Zweckbetrieb und unterwarf die Umsätze dem ermäßigten Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG, während das Finanzamt den Regelsteuersatz anwandte. Einspruch und Klage des Vereins blieben erfolglos (Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 07.11.2016 – Az. 5 K 5372/14, EFG 2017, S. 1396).

Entscheidung des BFH  
Der BFH entschied, dass die Umsätze des Klägers aus dem Bistro und der öffentlichen Toilette dem Grunde nach nicht in den Anwendungsbereich des ermäßigten Umsatzsteuersatzes fallen und verwies die Sache zurück an das FG, da nicht abschließend geprüft werden könne, ob eine Umsatzsteuerermäßigung aus anderen Gründen in Betracht kommt.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer von 19 % auf 7 % für Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke i.S.v. §§ 51 bis 68 AO verfolgen. Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes erbracht werden. Eine Rückausnahme gilt hier jedoch für Leistungen im Rahmen von Zweckbetrieben, wenn die Leistungen nicht im unmittelbaren Wettbewerb mit Unternehmern erbracht werden, für die der allgemeine Steuersatz gilt, oder wenn die Körperschaft durch die Leistungen ihre satzungsmäßigen Zwecke selbst verfolgt.

Bei der Auslegung der Vorschrift ist nach dem BFH Unionsrecht, hier Art. 98 i.V.m. Anhang III Nr. 15 MwStSystRL zu beachten. Danach dürfen die Mitgliedsstaaten „nicht auf alle gemeinnützigen Leistungen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anwenden […], sondern nur auf diejenigen, die von Einrichtungen erbracht werden, die sowohl gemeinnützig als auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig sind“ (EuGH vom 17.06.2010 – C 492/08, Kommission/Frankreich, BeckRS 2010 90753). Andere als originär gemeinnützige Leistungen sind vom Anwendungsbereich der Steuerermäßigung ausgeschlossen. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG sei daher nicht mit Unionsrecht vereinbar und der Anwendungsbereich des Regelsteuersatzes bei gemeinnützigen Körperschaften weit auszulegen.

Nach Auffassung des BFH handelt es sich im Streitfall bei dem Betrieb des Bistros und der öffentlichen Toilette durch den Kläger ertragsteuerlich zwar um einen Zweckbetrieb i.S.v. § 68 Nr. 3 Buchst. c) AO. Die Leistungen dienen aber nicht der eigentlichen Zweckverwirklichung, sondern im Wesentlichen den Zwecken der Besucher der Behindertenwerkstatt. Die Beschäftigung behinderter Arbeitnehmer im Bistro reiche insoweit nicht aus. Der Kläger erziele mit dem Zweckbetrieb in erster Linie zusätzliche Einnahmen und trete in Wettbewerb mit anderen Unternehmern, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Die Wettbewerbsneutralität müsse daher einem etwaigen sozialen Lenkungszweck vorgehen.

Bedeutung der Entscheidung
Die Entscheidung reiht sich ein in die jüngere Rechtsprechung des BFH, nach der der Anwendungsbereich des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für gemeinnützige Organisationen eng auszulegen ist und dürfte viele ähnliche Integrationsbetriebe betreffen.

Gemeinnützige Organisationen sollten daher prüfen, ob ihre Zweckbetriebe weiterhin dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, zumal Umsatzsteuerthemen ein Dauerbrenner in Betriebsprüfungen gemeinnütziger Organisationen sind. Nach der Rechtsprechung des BFH ist der ermäßigte Steuersatz nur anwendbar, wenn keine Wettbewerbssituation zu regelbesteuerten Unternehmern eintritt oder der originäre Satzungszweck unmittelbar durch den Zweckbetrieb selbst verwirklicht wird. Die  im Urteilsfall gegebene Möglichkeit der Teilhabe behinderter Arbeitnehmer allein reiche nicht aus.

Autorin: Nadine John von Zydowitz

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