Was plant die Ampel-Koalition im Bereich der Umsatzsteuer? Das Wichtigste ist sicherlich, dass der Steuersatz unverändert bleibt. Die Mehrwertsteuer soll nicht erhöht werden. Daneben gibt es zahlreiche Veränderungen im Umsatzsteuerrecht, die momentan ausgearbeitet werden und 2022 den Weg in das Gesetzgebungsverfahren finden könnten. 

Auf Seite 167 (von insgesamt 177 Seiten) des Koalitionsvertrags nimmt die Koalition zur Umsatzsteuer Stellung. So soll ein elektronisches Meldesystem bundesweit einheitlich eingeführt werden, das für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen verwendet wird. Im Rahmen der Einführung dieses Meldesystems ist zu erwarten, dass die elektronische Rechnung weiter an Bedeutung gewinnen wird. Insgesamt verdeutlicht der Koalitionsvertrag, dass viele kleine "Baustellen" und Reformvorhaben im Umsatzsteuerrecht, oftmals angestoßen durch EU-Rechtsprechung, schrittweise in den nächsten Jahren umgesetzt werden sollen. Mit einer „umsatzsteuerlichen Reformwelle" durch den Arbeitseifer einer neuen Regierung ist 2022 nicht zu rechnen. Im Einzelnen heißt es im Koalitionsvertrag insbesondere wie folgt:

  • Wir werden weiterhin den Umsatzsteuerbetrug bekämpfen. Dieser Weg soll in Zusammenarbeit mit den Ländern intensiviert werden.
     
  • Wir werden schnellstmöglich ein elektronisches Meldesystem bundesweit einheitlich einführen, das für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen verwendet wird. So senken wir die Betrugsanfälligkeit unseres Mehrwertsteuersystems erheblich und modernisieren und entbürokratisieren gleichzeitig die Schnittstelle zwischen der Verwaltung und den Betrieben.
     
  • Wir werden uns auf EU-Ebene für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem einsetzen (z. B. Reverse-Charge).

Die zweite Jahreshälfte 2021 stand im Eindruck des zum 1. Juli 2021 in Kraft getretenen MwSt-Digitalpakets der Europäischen Union (ESCHE blog v. 28. Mai 2021: Das Mehrwertsteuerdigitalpaket tritt in Kraft: Umsatzsteuerliche Neuregelungen beim Fernabsatz und für Onlinehändler ab dem 01.07.2021), das für weitreichende Änderungen im Bereich der Fernverkäufe und bei der One-Stop-Shop-Regelung gesorgt hat. 

Änderungen ab 01.01.2022

  • Änderung für die Durchschnittssatzbesteuerung der Land- und Forstwirte
  • Anpassungen bei der Besteuerung von Reiseleistungen nach § 25 UStG

Gastronomiedienstleistungen

2022 bleibt der ermäßigte Umsatzsteuersatz i. H. v. 7 % für Speisen- und Verpflegungsdienstleistungen weiterhin bestehen. Dieser wurde bereits im Juni 2021 im Rahmen des Dritten Corona-Steuerhilfegesetzes befristet bis zum 31. Dezember 2022 verlängert.

Weitere Themengebiete

Tankkarten 

Der Entwurf eines BMF-Schreibens zur steuerrechtlichen Behandlung von Tankkarten (ESCHE blog v. 11. November 2021: Neuerungen bei der umsatzsteuerlichen Behandlung von Tankkartenumsätzen) wurde von den Verbänden bisher mehr oder weniger stark kritisiert. Daraufhin hat die Finanzverwaltung signalisiert, eine Anpassung vorzunehmen, die allerdings noch Zeit in Anspruch nehmen wird. Mit einer Veröffentlichung des finalen BMF-Schreibens ist daher noch nicht zu rechnen. Unterdessen bleibt die bisherige Regelung zu Tankkarten gültig.

Mehrwegverpackungen

Zum Jahreswechsel ist zu erwarten, dass die sogenannten Mehrweg-Systeme durch das Verbot von Einwegverpackungen, insbesondere auch im Bereich der Gastronomie und der Veranstaltungsbranche, eine weitere Verbreitung erfahren werden. Daraus können sich spannende umsatzsteuerrechtliche Fragestellungen ergeben: Je nach Ausgestaltung des konkreten Sachverhalts stellen sich Fragen rund um das Thema Schadenersatz.

Um Rechtssicherheit zu erlangen, sollten Unternehmer, die im Zusammenhang mit dem zukünftigen Verbot von Einwegverpackungen die Installation eines Mehrwegsystems bzw. die Teilnahme an einem bestehenden Mehrwegsystem in Erwägung ziehen, die umsatzsteuerrechtlichen Implikationen einer genauen Prüfung unterziehen und ggf. im Vorfeld einen Antrag auf verbindliche Auskunft bei der zuständigen Finanzbehörde stellen.

Reform der umsatzsteuerlichen Organschaft

Der EuGH hat mit Urteil vom 15.04.2021 (C-868/19) entschieden, dass die deutsche Praxis der Organschaft gegen Art. 11 MwStSystRL verstößt und daher unionsrechtswidrig ist. Die Mitgliedschaft in einer umsatzsteuerlichen Organschaft darf nach europäischem Recht nicht von der Rechtsform abhängig sein. Dies hat zur Folge, dass Personengesellschaften nicht kategorisch als Organgesellschaften ausgeschlossen werden dürfen.

Aufgrund dieser Entscheidung muss der Gesetzgeber die Grundsätze zur umsatzsteuerlichen Organschaft in Deutschland im Hinblick auf die Einbeziehung von Personengesellschaften überarbeiten. Da aktuell noch zwei weitere Verfahren zum Konzept der umsatzsteuerlichen Organschaft anhängig sind (Rs. C-141/20, Vorlage des BFH vom 11.12.2019, XI R 16/18 und C-269/20, Vorlage des BFH vom 07.05.2020, V R 40/19), erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass diese Entscheidungen zunächst abgewartet werden. Auch die weiterhin bestehende Unsicherheit insbesondere bei der organisatorischen Eingliederung bleibt klärungsbedürftig.

Fahrzeugüberlassung

Leistungsort bei Fahrzeugüberlassung

Mit Urteil vom 20.01.2021 (Rs. C-288/19) entschied der EuGH über den umsatzsteuerlichen Leistungsort bei der Überlassung von Fahrzeugen an Arbeitnehmer. Der Leistungsort ist abhängig vom Vorliegen einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Überlassung.

Merkmale einer entgeltlichen Überlassung sind:

  • Geldzahlung
  • Fahrzeug ist Teil der Barvergütung
  • Vereinbarung über den Verzicht auf andere Vorteile

Liegen diese Merkmale nicht vor, handelt es sich um eine unentgeltliche Überlassung. Hier richtet sich der Ort der Leistung nach § 3a Abs. 1 UStG (Ausführung der Leistung an dem Ort, von dem der Unternehmer sein Unternehmen betreibt), bei einer entgeltlichen Überlassung richtet sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG, also an dem Ort, an dem das Fahrzeug dem Arbeitnehmer tatsächlich zur Verfügung gestellt wird.

Autoren: Melanie Weist und Dr. Rasmus Thönnessen.
Unter Mitarbeit von Denise Bunning.

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