Verschiedene große Handelsketten, wie Adidas, H&M und Deichmann, haben die Mietzahlungen für ihre Einzelhandelsfilialen wegen der Corona-Krise gestoppt. Adidas lenkte nach anhaltender Kritik schließlich ein, aber es bleibt die Frage, welche rechtliche Auswirkung die Corona-Pandemie auf die Mietzahlungspflicht hat.

Im Kern geht es darum, ob die behördlich angeordneten Schließungen der Filialen zur Eindämmung des Corona-Virus zivilrechtlich zu einem Mangel an der Mietsache oder einer Störung der Geschäftsgrundlage führen. Bei einem Mangel entfiele die Pflicht des Mieters zur Mietzahlung ganz oder teilweise. Läge ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor, müsste eine Anpassung des Vertrages an die geänderte Situation erfolgen, was im Ergebnis ebenfalls zu einem temporären (teilweisen) Wegfall der Mietzahlungspflicht führen könnte. Schlussendlich könnte es sich somit um einen akademischen Streit handeln.

Grundsätzliche Pflichten von Mietern und Vermietern
Grundsätzlich hat der Vermieter dem Mieter die Mietsache während der Mietzeit mangelfrei zu gewähren und der Mieter die vereinbarte Miete zu zahlen. Eine Mietminderung kommt bei einem Mangel der Mietsache in Betracht.

Ist die Mietsache mangelfrei und zahlt der Mieter trotzdem nicht, ist der Vermieter zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn der Mieter an zwei aufeinander folgenden Terminen mit der gesamten oder eines erheblichen Teils der geschuldeten Miete in Verzug ist oder über einen Zeitraum von mehr als zwei Terminen mit insgesamt zwei Monatsmieten in Verzug ist.

Behördliche Schließungen: Mangel an der Mietsache?
In den meisten Fällen dürften die behördlich angeordneten Schließungen von Einzelhandelsfilialen, z. B. der Adidas- und Deichmann-Filialen, aufgrund der Corona-Pandemie nach der bestehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu einem Mangel der Mietsache führen. Nach der Rechtsprechung muss sich ein Mangel auf die konkrete Beschaffenheit, den Zustand oder die Lage der Mietsache beziehen, und darf nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters seine Ursache haben.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung knüpfen die behördlich veranlassten Betriebsuntersagungen zur Eindämmung des Corona-Virus an die Art der Nutzung der Mietsache an, z. B. bei Gastronomiebetrieben, Frisörsalons oder Schuhgeschäften. Für die behördlich angeordneten Schließungen ist entscheidend, dass die Geschäfte üblicherweise von Publikum aufgesucht werden, sie aber für die Grundversorgung der Bevölkerung nicht relevant sind. Die konkrete Beschaffenheit, der Zustand oder die Lage der jeweiligen Mietsache ist für die Schließungsanordnung dagegen nicht ausschlaggebend. Das bedeutet, dass es sich bei den behördlich veranlassten Betriebsuntersagungen im März 2020 eher um betriebsbezogene hoheitliche Eingriffe handelt, die allein die Art und Weise der Betriebsführung der Mieter betrifft. Ein Mangel wäre demnach abzulehnen.

Einige Handelsketten scheinen dennoch zu argumentieren, dass die gemieteten Einzelhandelsfilialen aufgrund der behördlich angeordneten Schließungen einen Mangel aufweisen. Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof seiner bestehenden Rechtsprechung zu Mietmängeln treu bleibt oder diese in den Fällen der Corona-Pandemie aufweicht. Dies wäre im Hinblick auf die historische Dimension der Corona-Krise denkbar und entspräche der früheren Rechtsprechung des Reichsgerichtshofs. Dieser erkannte in ähnlichen Fällen, z. B. bei Tanzverboten während des Krieges, einen Mangel an der Mietsache an.

Behördliche Schließungen: Störung der Geschäftsgrundlage?
Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liegt vor, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändern und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten.

Der Bundesgerichtshof wendet die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) nur sehr restriktiv an. Bei gewerblichen Miet- und Pachtverhältnissen nimmt die Rechtsprechung an, dass der Mieter das Risiko, die Mietsache gewinnbringend zu nutzen, trägt (sogenanntes Verwendungsrisiko). Die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage finden auf Mietverhältnisse daher nur Anwendung, wenn sich der Vermieter ausdrücklich am Risiko des Mieters beteiligt.

Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wäre davon auszugehen, dass Mieter trotz der behördlich angeordneten Schließungen weiterhin zur Mietzahlung verpflichtet bleiben. Allerdings ist abzuwarten, ob die Rechtsprechung die restriktive Anwendung der Störung der Geschäftsgrundlage auch in den Fällen der Corona-Pandemie beibehält. Für eine Aufweichung der Rechtsprechung spricht, dass der Bundesgerichtshof bisher keine Situation beurteilen musste, die der Corona-Pandemie auch nur annährend vergleichbar ist. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen behördlich veranlassten Betriebsuntersagungen belasten die Mieter weit über das gewöhnliche Maß im Rahmen der vertraglichen Risikoverteilung hinaus.  Durch eine Vertragsanpassung als Folge der Störung der Geschäftsgrundlage ließe sich ein Ausgleich zwischen Mieter und Vermieter erreichen. Dieser würde vermutlich so aussehen, dass die Miete während der Dauer der behördlich angeordneten Schließungen reduziert würde.

Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie
Unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 (BT-Drs. 19/18110) das Recht des Vermieters eingeschränkt, Miet- oder Pachtverhältnisse wegen Mietrückständen zu kündigen. Diese Einschränkung gilt für zwischen dem 1. April bis 30. Juni 2020 entstandene Mietrückstände, die auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruhen. Der Vermieter ist erstmalig berechtigt, aufgrund dieser Zahlungsrückstände zu kündigen, wenn der Mieter diese Mietrückstände nicht bis zum 30. Juni 2022 begleicht.

Bestreitet der Vermieter, dass die Mietschulden auf den Auswirkungen der Corona-Krise beruhen, muss der Mieter diesen Umstand glaubhaft machen. Zur Glaubhaftmachung soll bei Mietern von Gewerbeimmobilien die Vorlage der behördlichen Verfügung ausreichen, mit denen ihnen der Betrieb untersagt oder erheblich eingeschränkt wird.

Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie hat damit generell keinen Einfluss auf die Pflicht zur Mietzahlung: Der Mieter ist weiterhin verpflichtet, fristgerecht seine Miete zu zahlen. Zahlt der Mieter nicht, kommt er mit der Mietzahlung in Verzug und der Vermieter erlangt einen Anspruch auf Verzugszinsen.

 

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