Schränken deutsche Gerichte die Meinungsfreiheit auf Bewertungsportalen durch das „Notice-and-Takedown-Verfahren“ zu stark ein?
Die Möglichkeit, seine Meinung frei zu äußern und damit ohne Furcht vor Konsequenzen Kritik zu üben, ist in einer freien und demokratischen Gesellschaft unerlässlich.
Vor neue Herausforderungen gestellt wird das Recht auf freie Meinungsäußerung durch Bewertungsportale, in denen Kritiker ihre Meinung über die ihrer Meinung nach guten oder schlechten Leistungen anderer anonym verbreiten können.
Der Bundesgerichtshof (BGH) und der Gesetzgeber stellen dieses „Recht auf Anonymität“ nicht in Frage. Es wird damit faktisch zum Bestandteil der Meinungsfreiheit.
Den mit der geschützten Anonymität verbundenen Risiken tragen die Gerichte dadurch Rechnung, dass Bewertungsplattformen in Fällen, in denen etwa der Verdacht besteht, dass die Bewertung frei erfunden ist, Mitwirkungspflichten unterliegen („Notice-and-Takedown-Verfahren“). Ziel dieser Mitwirkungspflichten ist es, unberechtigte Kritik aufspüren und entfernen zu können.
Ob die Gerichte dadurch die Meinungsfreiheit zu stark einschränken, wird immer wieder kontrovers diskutiert – beispielsweise im Zusammenhang mit einer Entscheidung des Landgerichts Lübeck vom 13. Juni 2018 (Az. 9 O 59/17), in dem ein Bewertungsportal nach Überzeugung der Richter seinen Pflichten nicht in ausreichender Weise nachkam. Auch wir haben uns mit dieser Thematik in einem Beitrag beschäftigt, der in der F.A.Z. vom 17.10.2018 erschienen ist und den Sie hier abrufen können.
Praxistipp
Das von deutschen Gerichten entwickelte sogenannte Notice-and-Takedown-Verfahren ermöglicht es Kritisierten, die Berechtigung anonymer Bewertungen zu überprüfen. Kritisierte müssen sich dazu an die Bewertungsplattform wenden und darlegen, dass die Bewertung aus ihrer Sicht unzulässig ist, weil es keine Grundlage für sie gibt. Im Anschluss muss die Bewertungsplattform den ihr bekannten Kritiker kontaktieren und um Belege für die Kritik bitten. Diese Belege sind dem Kritisierten anschließend (in anonymisierter Form) zur Verfügung zu stellen. Der Kritisierte kann dann seinerseits Belege dafür liefern, dass die Kritik dennoch unberechtigt ist. In diesem Fall muss die Bewertung vom Portal entfernt werden.