Beweisverwertungsverbote stehen vor allem im Strafrecht prominent auf der Tagesordnung und fristen im Arbeitsrecht eher ein Schattendasein. Sie entpuppen sich dennoch – oder gerade deshalb – zunehmend zu einem gefährlichen Fallstrick in arbeitsgerichtlichen Verfahren, wobei die fortschreitende Digitalisierung und die sog. „Compliance-Welle“ dazu beitragen. Greift eine Maßnahme unzulässig in das Persönlichkeitsrecht oder Privat- und Familienleben des Arbeitnehmers ein, kann sich ein Beweisverwertungsverbot zulasten des Arbeitgebers im Prozess ergeben. Kann das dazu führen, dass auch weitere, daraus abgeleitete Beweise als „Früchte des verbotenen Baumes“ nicht verwertbar sind? Darf z. B. ein Arbeitgeber, der unzulässigerweise den Spind seines Arbeitnehmers durchsucht, woraufhin der Arbeitnehmer den Diebstahl gesteht, das Geständnis vor Gericht verwerten?

Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote

Im Arbeitsrecht ist die Beweisführung von entscheidender Bedeutung. Jeder Kündigungsprozess steht und fällt mit ihr. Da ist es unglücklich, dass es an ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen für Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote fehlt. Dennoch existieren ungeschriebene Verbote, die die Rechtsprechung entwickelt hat. Ein Beweiserhebungsverbot besteht dann, wenn bereits der Beweis nicht erhoben werden darf. Dies ist der Fall, wenn ein Zeuge von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. Ein Beweisverwertungsverbot oder auch ein Verbot, unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position zwingend geboten ist.

Eine Abwägungsfrage, sagt die Rechtsprechung

Die vom Arbeitgeber z. B. durch Überwachungsmaßnahmen erhobenen Beweise werden im Streitfall vor Gericht in einer Interessenabwägung an den Maßstäben des grundgesetzlichen Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG, in seiner Ausprägung als Recht auf ein faires Verfahren, bewertet. Ein Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers aus der Verfassung (Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG), der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) muss dabei durch schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Ist dies nach der Abwägung des Gerichtes nicht der Fall und die Verwertung bedeutet einen erneuten Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers, führt das in der Praxis häufig zur Unverwertbarkeit des Beweises im Prozess. Beispiele hierfür sind: 

  • Ergebnisse aus unzulässiger Telefon-, E-Mail- oder Internetüberwachung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber
  • Aufzeichnungen nicht öffentlicher Gespräche, die ein Gesprächspartner ohne Kenntnis des anderen getätigt hat, genauso wie
  • Aussagen von Zeugen, die ein vertrauliches Gespräch heimlich mitgehört haben (BAG v. 02.06.1982 - 2 AZR 1237/79)
  • heimlich getätigte Videoaufzeichnungen durch den Arbeitgeber, die sich nicht durch schutzwürdige Interessen oder datenschutzrechtliche Vorschriften rechtfertigen lassen
  • Ermittlungsergebnisse aus einem unzulässigen Detektiveinsatz
  • Ergebnisse aus der heimlichen, unzulässigen Kontrolle des Spinds, der dem Arbeitnehmer persönlich zugeordnet ist

Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten 

Was aber passiert mit einem vom sachnächsten Beweis abgeleiteten Sekundärbeweis, zum Beispiel in Form eines freiwilligen Geständnisses des Arbeitnehmers, nachdem diesem eine unrechtmäßig aufgenommene Videoaufzeichnung vorgespielt wurde? Im US-amerikanischen Strafrecht hat der Supreme Court unter dem biblischen Namen die „fruit of the poisonous tree doctrine“ entwickelt. Ein rechtswidrig erlangter Beweis verliert demnach nicht nur seine eigene Beweiskraft und wird vor Gericht unverwertbar, er entfaltet als „Frucht des verbotenen Baumes“ auch eine Fernwirkung auf von ihm abgeleitete Sekundärbeweise. Gilt im deutschen Arbeitsrecht ein ähnliches Prinzip, welches auch dieses Geständnis unbrauchbar macht?

Ob und wie weit auch solche Sekundärbeweise durch die Rechtswidrigkeit des Primärbeweises unverwertbar werden, ist von der deutschen Rechtsprechung nicht eindeutig entschieden. Bereits im deutschen Strafrecht  nimmt das Gericht ein Verwertungsverbot nur ausnahmsweise und abhängig vom Schutzbereich der verletzten Vorschrift sowie der Schwere der Straftat an, z. B. wenn der Beschuldigte ohne den Vorhalt des unzulässigen Beweises nicht zu einem Geständnis hätte bewegt werden können. Diese Prüfung eines hypothetischen Kausalverlaufes geht meist zulasten des Beschuldigten aus.

Das BAG zur unzulässigen Videoüberwachung

In der arbeitsgerichtlichen Spruchpraxis findet sich dieser Grundsatz wieder. In einem Fall überwachte der Arbeitgeber einen Kassierer rechtswidrig. Die Videoaufzeichnungen veranlassten den Arbeitgeber zu einer wiederum rechtmäßigen Kassenprüfung, bei der das Fehlverhalten der Angestellten zu Tage trat. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) urteilte: Es käme nicht darauf an, ob der Arbeitgeber ohne die Videoaufzeichnung auf den fraglichen Kassenauszug gestoßen wäre. Einer Prozesspartei kann die Möglichkeit, für sie günstige Tatsachen mit rechtlich unbedenklichen Mitteln nachzuweisen, nicht deshalb versagt werden, weil sie das Wissen von der Geeignetheit eines solchen Mittels auf rechtswidrige Weise erlangt habe. Dies galt im entschiedenen Fall insbesondere, weil der Vertrauensbruch des Arbeitnehmers stark war (BAG v. 16.12.2010 - 2 AZR 485/08).

Beispiel aus der Instanzenrechtsprechung

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein erteilte einer möglichen Fernwirkung sogar eine generelle Absage. Im entsprechenden Fall wurde dem Beklagten eine Videoaufnahme seines betriebsinternen Diebstahls vorgespielt und dieser gestand daraufhin. Als Beweis verwertet wurde jedoch die Aussage von Zeugen, die seinem Geständnis nach Vorspielen der Aufnahme beiwohnten. Eine Rechtswidrigkeit der Videoüberwachung könne in einem solchen Fall dahingestellt bleiben, auch wenn diese ursächlich für die Identifizierung des Arbeitnehmers war (LAG Schleswig-Holstein v. 16.11.2011 - 3 Sa 284/11).

Das BAG zur unzulässigen Spindkontrolle

Jedoch näherte sich das BAG im Fall einer heimlichen Spindkontrolle einer faktischen Fernwirkung wieder an. Im Fall öffnete der Geschäftsleiter eines Großhandelsmarktes im Beisein eines Betriebsratsmitglieds während der Arbeitszeit den verschlossenen Spind eines Arbeitnehmers und fand dabei wie vermutet entwendete Damenwäsche. Da die Kontrolle des Spindes allerdings auch in Anwesenheit des Arbeitnehmers möglich gewesen wäre, war die Durchsuchung im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten im vorliegenden Fall unverhältnismäßig. Die Verwertung der Zeugenaussagen unterlag aufgrund eines damit verbundenen erneuten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einem Beweiserhebungsverbot. Das Verwertungsverbot impliziere hier ein Erhebungsverbot und schließe es aus, Personen, die die Schrankkontrolle selbst durchgeführt haben oder zu ihr hinzugezogen wurden, als Zeugen zu vernehmen. Somit bestand in diesem Fall zumindest eine mittelbare Fernwirkung (BAG v. 20.06.2013 – 2 AZR 546/12).

Fazit und Empfehlungen für die Praxis

Die Rechtswidrigkeit des Primärbeweises entfaltet im Arbeitsrecht nur in Ausnahmefällen eine Fernwirkung auf Sekundärbeweise, kann aber nicht ausnahmslos für alle Konstellationen ausgeschlossen werden. Berücksichtigt werden muss insbesondere das Verhältnis zwischen der Schwere der vorgeworfenen Pflichtverletzung und des Eingriffs in die Rechte des Beschuldigten, sowie die alternative Möglichkeit, das vorgeworfene Verhalten anhand von rechtmäßig erlangten Beweisen nachzuweisen.

Voraussicht lohnt sich! Unternehmen sollten bereits im Vorfeld einer Beweiserhebung rechtliche Fallstricke identifizieren, um Beweise später auch verwerten zu können. Sollte eine Beweiserhebung, etwa in Form einer Überwachungsmaßnahme, dann notwendig werden, kann sie unter Berücksichtigung der grund- und datenschutzrechtlichen Belange der Betroffenen in einem rechtssicheren Rahmen durchgeführt werden. 

Dieses Fingerspitzengefühl wird sich später in Form einer gerichtsfesten Beweisführung auszahlen und ist dem Ärger über einen unverwertbaren Beweis, der im schlimmsten Fall eine Fernwirkung auf Sekundärbeweise entfaltet, in jeder Hinsicht vorzuziehen. 

Unter Mitarbeit von Robin Averesch

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