Hintergrund 
Bereits mit Urteil vom 16. Oktober 2019 (Az. 5 K 309/17) hatte das Finanzgericht Niedersachsen entschieden, dass eine umsatzsteuerliche Organschaft auch den nichtunternehmerischen Bereich des Organträgers umfasst und somit die Leistungen der Organgesellschaft an den nichtunternehmerischen Bereich des Organträgers als Innenumsätze nicht der Umsatzbesteuerung unterliegen. Mittlerweile ist unter dem Aktenzeichen V R 40/19 ein Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof anhängig. Dieses Verfahren ist derzeit ausgesetzt, da der Bundesfinanzhof die oben dargestellte Rechtsfrage mit Datum vom 07. Mai 2020 dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt hat (ECLI:DE:BFH:2020:VE.070520.VR40.19.0; Aktenzeichen C 269/20).

Die nun vom Europäischen Gerichtshof und vom Bundesfinanzhof zu beurteilende Rechtsfrage hat in der Praxis sowohl Bedeutung für die öffentliche Hand (hoheitliche Tätigkeiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts), für gemeinnützige Einrichtungen (unentgeltliche Tätigkeiten eines Vereins aus ideellen Vereinszwecken) sowie für gemischte Holdings (bspw. in Unternehmensgruppen). 

In diesen Bereichen stellt sich im Rahmen von umsatzsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnissen häufig die Frage, ob Leistungen an den nichtwirtschaftlichen Bereich im engeren Sinne der Umsatzsteuer unterliegen. Dies hat nicht selten den Hintergrund, dass die Verneinung der Zugehörigkeit zur umsatzsteuerlichen Organschaft bei Leistungen an den nichtwirtschaftlichen Bereich, sowohl in den Fällen der entgeltlichen, als auch der unentgeltlichen Leistungserbringung, zu einer unerwünschten umsatzsteuerlichen Definitivbelastung führen kann. 

Im Urteilsfall handelte es sich um die Trägerin einer Universität (eine Stiftung des öffentlichen Rechts), die neben der universitären Lehre mit ihrem Universitätsklinikum auch steuerbare Dienstleistungen ausführte und insoweit als umsatzsteuerrechtliche Unternehmerin tätig war. Die Stiftung war Alleingesellschafterin einer GmbH, die Reinigungs- und Hygienearbeiten in der medizinischen Fakultät der Stiftung ausführte. Zwischen den beiden Rechtssubjekten bestand unstreitig eine umsatzsteuerliche Organschaft. Die gereinigten Räumlichkeiten entfielen zum einen auf den unternehmerischen Bereich (Versorgung von Patienten im Universitätsklinikum) als auch auf den nichtunternehmerischen (hoheitlichen) Bereich (Hörsäle und Labore) der Organträgerin.

Das Finanzamt betrachtete die Reinigungsdienstleistungen als umsatzsteuerbare unentgeltliche Wertabgaben (§ 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG) soweit diese auf den nichtunternehmerischen Bereich entfielen. Aus Sicht der Finanzbehörde war die Geldzahlung der Organträgerin an die Organgesellschaft unbeachtlich, da diese innerhalb des organschaftlichen Unternehmens erfolgt war. Zudem sah das Finanzamt die Leistung an den nichtunternehmerischen Bereich der Organträgerin als unternehmensfremde Verwendung an.

Im Gegensatz dazu kam das Finanzgericht Niedersachsen im oben genannten Urteil zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Reinigungsdienstleistungen um nicht umsatzsteuerbare Innenumsätze handelt. Dies gelte laut den Ausführungen des Gerichts sowohl für Leistungen an den unternehmerischen, als auch an den nichtunternehmerischen Bereich der Organträgerin. Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft beschränke sich danach nicht auf den unternehmerischen Bereich der Organträgerin.

Weiter begründete das Finanzgericht seine Entscheidung damit, dass eine Organgesellschaft nicht partiell selbständig sein (in Bezug auf die Leistungserbringung an den nichtunternehmerischen Bereich) und damit auch nicht einer partiellen Umsatzsteuerpflicht unterliegen könne, da eine derartige Beurteilung systemwidrig sei. Es liege auch keine unentgeltliche Wertabgabe vor, da zum einen ein Entgelt durch die Organträgerin an die Organgesellschaft gezahlt wurde und zum anderen keine unternehmensfremde Verwendung stattgefunden habe. Es handele sich bei dem hoheitlichen (nichtunternehmerischen) Bereich der Organträgerin nur um eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit im engeren Sinne und nicht um einen unternehmensfremden Bereich, da durch die hoheitliche Tätigkeit der Organträgerin keine außerhalb des Unternehmens liegenden Zwecke verfolgt würden.

Umsatzsteuerrechtliche Einschätzung 
Die Gerichtshöfe werden zunächst klären müssen, ob die Leistung an den nichtwirtschaftlichen Bereich im engeren Sinne eine unentgeltliche Wertabgabe darstellt. Hierzu hatte der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 12.02.2009 (Az. C-515/07, VNLTO) bereits entschieden, dass ein hoheitlicher Tätigkeitsbereich für die Frage des Vorsteuerabzugs nicht als unternehmensfremd angesehen werden kann. Ob er diese Sichtweise auch auf den Tatbestand des § 3 Abs. 9a UStG (Art. 26 MwStSystRL) überträgt, bleibt abzuwarten. Zudem stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wer „der Unternehmer“ ist, der die sonstige Leistung im Rahmen des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG erbringt. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG wäre dies die Organträgerin, da die GmbH als Organgesellschaft „nicht selbständig“ tätig ist (§ 2 Abs. 2 S. 1 UStG). Die Organträgerin wird vorliegend aber gerade nicht selbst tätig, sondern ist die Leistungsempfängerin.

Unabhängig von den beiden vorgenannten Fragestellungen gilt, dass bei Bezug von vorsteuerbelasteten Eingangsleistungen durch eine Organgesellschaft, die diese dann entgeltlich an den nichtwirtschaftlichen Bereich im engeren Sinne ihrer Organträgerin weiterbelastet, der Vorsteuerabzug bereits bei Bezug durch die Organgesellschaft zu kürzen ist (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Im Urteilsfall stellte sich die Frage der Vorsteueraufteilung für Eingangsleistungen gemäß § 15 Abs. 4 UStG nur deshalb nicht, da die Organträgerin selbst nur steuerfreie Ausgansleistungen erbrachte, die den Vorsteuerabzug ohnehin ausschließen.

Autoren: Dr. Julia Runte, LL.M., Steffen Kurpierz

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