+++ Update vom 09.06.2020 +++
Die Agentur für Arbeit hat zwischenzeitlich präzisierende interne Weisungen zur befristeten Erhöhung des Kurzarbeitergeldes ab dem 4. und 7. Bezugsmonat veröffentlicht. Dort heißt es insbesondere:
„Die Regelung sieht eine arbeitnehmerbezogene Betrachtung der Bezugsdauer vor. Insofern ist für jeden Beschäftigten für die Entscheidung über die Höhe des zustehenden Leistungssatzes zu prüfen, in welchem individuellen Bezugsmonat sich der /die Beschäftigte seit März 2020 befindet. Die Bezugsmonate müssen dabei nicht zusammenhängen, solange sie im Zeitraum von März bis Dezember 2020 liegen. Auf die Zahl der Bezugsmonate werden auch die Monate angerechnet, in denen die Nettoentgeltdifferenz weniger als 50 Prozent betragen hat.“
Damit ist nunmehr klargestellt, dass Arbeitnehmer Anspruch auf das stufenweise erhöhte Kurzarbeitergeld haben, wenn sie für mindestens vier bzw. sieben Monate in Kurzarbeit sind und im jeweiligen vierten bzw. siebten Bezugsmonat von Kurzarbeitergeld einen Entgeltausfall von mindestens 50 % erleiden. In den dem vierten bzw. siebten Monat vorausgegangenen Monaten kann die Nettoentgeltdifferenz auch geringer als 50 % ausgefallen sein. Zudem müssen die Monate in Kurzarbeit nicht lückenlos aneinander angrenzen.
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Bei wirksam angeordneter Kurzarbeit erhalten Arbeitnehmer für die ausgefallene Arbeitszeit Kurzarbeitergeld in Höhe von Arbeitslosengeld II. Ist z. B. ein Arbeitnehmer in „Kurzarbeit-Null“ erhält er insgesamt nur 60 bzw. 67 % seines (pauschalierten) Nettoverdienstes. Liegt sein Verdienst oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze, liegt das Kurzarbeitergeld sogar unterhalb dieser 60 bzw. 67 %. Um diese erheblichen wirtschaftlichen Einbußen bei länger andauernder Kurzarbeit abzufedern, hat der Gesetzgeber bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine stufenweise Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf bis zu 80 bzw. 87 % des bisherigen Nettoverdienstes bis zum 31.12.2020 beschlossen. Noch nicht geklärt ist, wer genau von dieser Erhöhung profitieren wird und wann die Anspruchsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen. Der insofern maßgebliche „jeweilige Bezugsmonat“ ist durch den Gesetzgeber nicht klar definiert, sodass es einer Klarstellung bedarf.
Allgemeine Voraussetzungen für erhöhtes Kurzarbeitergeld
Für einen Anspruch auf das erhöhte Kurzarbeitergeld ist nach dem neuen Gesetzeswortlaut des § 421c Abs. 2 SGB III notwendig, dass die Differenz zwischen dem Soll-Entgelt und dem Ist-Entgelt im jeweiligen Bezugsmonat mindestens 50 % beträgt. Für die Berechnung der Bezugsmonate sind dabei die Monate mit Kurzarbeit ab März 2020 zu berücksichtigen. Entscheidend ist also die Frage, in welchem Umfang im Unternehmen Kurzarbeit angeordnet wurde. Liegt eine Arbeitszeitreduzierung von mindestens 50 % vor, erhöht sich das Kurzarbeitergeld für die betroffenen Arbeitnehmer ab dem vierten Monat des Bezuges auf 70 bzw. 77 Prozent des bisherigen pauschalierten Netto-Entgelts, § 421c Abs. 2 Nr. 1 SGB III. Ab dem siebten Monat des Bezuges erhöht es sich sogar auf 80 bzw. 87 Prozent, § 421c Abs. 2 Nr. 2 SGB III.
Problem: Was ist der „jeweilige Bezugsmonat“?
Weitestgehend unklar bliebt allerdings bisher, wie das Tatbestandsmerkmal des „jeweiligen Bezugsmonats“ i.S.d. § 421c Abs. 2 SGB III zu verstehen ist; also die Frage, wann nach Auffassung von Gesetzgeber und Agentur für Arbeit die Anspruchsvoraussetzungen für das erhöhte Kurzarbeitergeld eigentlich vorliegen. Dabei kommen im Wesentlichen zwei verschiedene Varianten in Betracht:
- Mindestens 50 % Kurzarbeit in den vergangenen drei Monaten der Kurzarbeit?
Denkbar ist, dass Anspruch auf das erhöhte Kurzarbeitergeld nur solche Arbeitnehmer haben, die innerhalb eines Zeitraumes von vier bzw. sieben Monaten stetig mindestens eine Reduzierung ihres Entgelts um 50 % erleiden. Diese Auslegung erscheint vor dem Hintergrund naheliegend, dass der Gesetzgeber ausweislich der Begründung der Gesetzesänderung solche Arbeitnehmer gezielt unterstützen möchte, die durch einen hohen Entgeltausfall besonders stark von den Folgen der Covid-19-Pandemie betroffen sind. Eine besonders starke Betroffenheit kann zwar grundsätzlich bereits ab dem ersten Monat mit einem hohen Entgeltausfall bestehen. Dass der Grad der Betroffenheit allerdings mit andauernder Kurzarbeitsphase steigt, ist ebenfalls nachvollziehbar.
- Mindestens 50 % Kurzarbeit im vierten bzw. siebten Monat der Kurzarbeit?
Da der neue Gesetzeswortlaut darauf abstellt, dass „im jeweiligen Bezugsmonat“ die Entgeltdifferenz mindestens 50 % beträgt, ist allerdings auch eine monatliche Betrachtungsweise denkbar. Danach hätten Arbeitnehmer einen Anspruch auf erhöhtes Kurzarbeitergeld, wenn sie für mindestens vier bzw. sieben Monate in Kurzarbeit sind und im jeweiligen vierten bzw. siebten Bezugsmonat von Kurzarbeitergeld einen Entgeltausfall von mindestens 50 % erleiden. Nach diesem Verständnis bestünde der Anspruch auch dann, wenn in den Vormonaten Kurzarbeit in einem geringeren Umfang als 50 % angeordnet wurde.
Praxishinweis
Die obigen Ausführungen zeigen, dass bisher nicht abschließend klar ist, unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer einen Anspruch auf das erhöhte Kurzarbeitergeld haben. Damit einher geht auch die Unsicherheit solcher Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern derzeit Aufstockungen gewähren und etwaige Einsparpotenziale durch ggfs. wegfallende Zahlungsverpflichtungen nicht berechnen können. Es ist indes davon auszugehen, dass die Agentur für Arbeit hier klarstellende Weisungen veröffentlichen wird. Bis dahin ist es für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber ratsam, direkte Rücksprache mit der zuständigen Agentur für Arbeit zu halten. Da in beiden Lesarten allerdings die 50 % Arbeitsausfall mit entsprechendem Entgeltausfall eine zentrale Rolle spielen, ist es für Arbeitgeber sinnvoll zu prüfen, ob die Anordnung von Kurzarbeit in diesem Umfang im jeweiligen Betrieb bzw. der Betriebsabteilung möglich ist, um so für die Arbeitnehmer die Möglichkeit des Bezuges von erhöhtem Kurzarbeitergeld zu wahren. Hier kommt es allerdings entscheidend darauf an, in welchem Umfang ein Arbeitsausfall tatsächlich besteht.
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