Der BFH hat mit Urteil vom 10.01.2019 betreffend den attac-Trägerverein entschieden, dass die Verfolgung politischer Zwecke steuerrechtlich nicht gemeinnützig ist.
Gemeinnützige Organisationen haben danach kein allgemeinpolitisches Mandat. Sofern gemeinnützige Organisationen unter Berufung auf die Förderung der Volksbildung (§ 52 Abs. 1 Nr. 7 AO) bzw. die Förderung des demokratischen Staatswesens (§ 52 Abs. 1 Nr. 24 AO) auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen Einfluss nehmen, so fördern sie nach Auffassung des BFH politische Zwecke und nicht gemeinnützige Zwecke. Möchten gemeinnützige Organisationen im Rahmen der Förderung der Volksbildung bzw. des demokratischen Staatswesens die politische Bildung fördern, so hat dies in geistiger Offenheit zu erfolgen. Nach Auffassung des BFH zielt die gemeinnützige politische Bildung u. a. auf die Schaffung und Förderung politischer Wahrnehmungsfähigkeit und politischen Verantwortungsbewusstseins ab. Dabei können auch Lösungsvorschläge für Problemfälle der Tagespolitik erarbeitet werden. Der Bereich der steuerbegünstigten politischen Bildung wird jedoch überschritten, wenn so entwickelte Ergebnisse durch Einflussnahme auf die politische Willensbildung und öffentliche Meinung mittels weiterer Maßnahmen durchgesetzt werden sollen.
BFH-Urteil führte zu Verunsicherung
Dieses BFH-Urteil hat bei vielen gemeinnützigen Organisationen zu großer Verunsicherung geführt. Manche befürchten, sich zukünftig nicht mehr zu „tagespolitischen Themen“ äußern zu können, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu gefährden.
Diese Befürchtung ist jedoch zumindest dann unbegründet, soweit die gemeinnützigen Organisationen die Kriterien berücksichtigen, die der BFH im sog. BUND-Urteil vom 20.03.2017 aufgestellt hat. Dieses Urteil hatten die Autoren von ESCHE news spezial für den BUND Landesverband Hamburg erstritten. Auf die Kriterien des BUND-Urteils weist der BFH nun auch in seinem aktuellen Urteil ausdrücklich hin. Danach kann eine gemeinnützige Organisation bei der Verfolgung ihrer steuerbegünstigten Zwecke im Sinne des § 52 Abs. 2 AO sehr wohl auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung Einfluss nehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der jeweilige Zweck zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist, so z. B. bei der Förderung des Umweltschutzes. Insbesondere können also gemeinnützige Organisationen im Zusammenhang mit ihrem jeweiligen gemeinnützigen Zweck sich sehr wohl politisch äußern bzw. auf die Politik Einfluss nehmen, soweit sich die Äußerung auf die Förderung ihres jeweiligen Zweckes bezieht und für dessen Förderung erforderlich ist. Die Äußerung muss, trotz zum Teil drastischer Sprache, objektiv und sachlich fundiert sein. Sie muss zudem parteipolitisch neutral sein, d. h. hier sind insbesondere das Betreiben von Parteipolitik sowie die Unterstützung politischer Parteien unzulässig. Die politische Einflussnahme darf zudem die anderen von der gemeinnützigen Organisation entfalteten Tätigkeiten nicht weit überwiegen.Die Tätigkeit darf schließlich auch nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung, d. h. nicht gegen geltende Rechtsnormen verstoßen.
Fazit
Sofern gemeinnützige Organisationen in ihren Satzungen sowohl die Förderung der politischen Bildung und des demokratischen Staatswesens einerseits als auch sonstige gemeinnützige Zwecke andererseits aufgenommen haben, sollten sie bei ihren öffentlichen Äußerungen bzw. der politischen Einflussnahme deshalb darauf achten, dass diese im Zusammenhang mit ihren sonstigen Zwecken und nicht im Zusammenhang mit der Förderung der politischen Bildung bzw. des demokratischen Staatswesens erfolgen.
Sofern gemeinnützige Organisationen diese Grundsätze befolgen, besteht kein Grund, einen Verlust ihres Gemeinnützigkeitsstatus aufgrund derartiger Äußerungen zu fürchten.
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