Der EuGH hat die Schlussanträge der Generalanwältin Laila Medina in der Rs. C-141/20 "Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie" veröffentlicht. Es geht insbesondere um die Grundsatzfrage, ob die deutschen Regelungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft, bei der der Organträger (und nicht der Organkreis) zum Steuerpflichtigen bestimmt wird, mit unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist. Dazu hatten sowohl der XI. Senat als auch der V. Senat des BFH den EuGH zur Vorabentscheidung angerufen.
Die Ausführungen der Generalanwältin gehen dahin, dass der Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht mit Unionsrecht vereinbar ist.
Konkret schlägt die Generalanwältin dem Gerichtshof vor, die unionrechtlichen Bestimmungen zur Organschaft dahingehend auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die nur das die Gruppe beherrschende Mitglied [Organträger] unter Ausschluss der übrigen Mitglieder der Gruppe [Organgesellschaften] als Vertreter der Mehrwertsteuergruppe und als Steuerpflichtigen dieser Gruppe bestimmt.
Sollte der EuGH der Rechtsauffassung der Generalanwältin folgen, stünde im Raum, dass Umsatzsteuerfestsetzungen gegenüber dem Organträger den falschen Steuerschuldner bezeichnen und daher – soweit verfahrensrechtliche möglich – aufzuheben wären, wenn sich der Organträger unmittelbar auf das für ihn günstigere Unionsrecht berufen kann.
Steuerschuldner wäre unionsrechtlich die Mehrwertsteuergruppe, wobei sich eine Besteuerung dieser Gruppe mangels Existenz im nationalen Recht zumindest für die Vergangenheit als schwierig erweisen dürfte.
Praxishinweis
Es ist empfehlenswert, Umsatzsteuerbescheide gegenüber umsatzsteuerlichen Organträgern verfahrensrechtlich offen zu halten, um den Ausgang des EuGH-Verfahrens abzuwarten.
Bereits seit mehreren Jahren wird eine gesetzliche Änderung der umsatzsteuerlichen Organschaft diskutiert, insbesondere die Ablösung der Organschaft durch eine sogenannte Umsatzsteuergruppe. Die Anträge der Generalanwältin sollten hier den Handlungsdruck erhöhen, zumindest in die Zukunft gerichtet die deutschen Regelungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft zu reformieren.
Autoren: Thomas Schäffer und Dr. Rasmus Thönnessen