Die Reichweite der Meinungsfreiheit beschäftigt die Gerichte regelmäßig. Und immer wieder muss das Bundesverfassungsgericht korrigierend eingreifen. Wie weit darf man bei der Äußerung seiner Meinung gehen? Wann handelt es sich um Schmähkritik, die sogar Straftatbestände erfüllen kann?

Kürzlich hat das oberste Gericht erneut die Bedeutung und den Stellenwert der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I GG in einer Demokratie hervorgehoben. Eine Meinung kann unberechtigt oder nicht nachvollziehbar sein oder von der Mehrheit als falsch empfunden werden – und dennoch von der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt werden. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich auf einen Fall, in dem ein in der DDR hingerichteter Bürger, für viele ein Held des Widerstands gegen das in der DDR begangene Unrecht, von einem Kritiker als Anführer einer terroristischen Vereinigung bezeichnet und mit Hetzschriften und einem erfolglosen Attentat in Verbindung gebracht wurde. Der Kritiker wandte sich mit seinen Äußerungen gegen einen auf den Widerstandskämpfer bezogenen Rehabilitationsbeschluss des Landgerichts Berlin. Darin sah der Kritiker eine „Legalisierung des Terrors gegen die DDR“. Das brachte ihm eine Verurteilung nach § 189 StGB ein, wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Dagegen erhob der Kritiker Verfassungsbeschwerde – und hatte Erfolg.

Die Verurteilung verletze den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, so das Gericht. Zwar sind auch der Meinungsfreiheit Schranken gesetzt. Diese Grenzen werden im Einzelfall im Rahmen eines Ausgleichs zwischen der Meinungsfreiheit des Äußernden einerseits und dem durch die Meinung betroffenen Rechtsgut andererseits bestimmt. Im zugrundeliegenden Fall ging es um das Andenken des zum Tode verurteilten Widerstandskämpfers, also dessen postmortalen Persönlichkeitsschutz. Da sein Tod bereits über 60 Jahre zurückliegt, konnte ihn die Äußerung dem Bundesverfassungsgericht zufolge lediglich noch als historische Figur treffen. Das Landgericht habe diesen Umstand bei der Verurteilung des Kritikers zu wenig beachtet. Dessen Ziel sei weniger das Diffamieren des Verstorbenen gewesen (das Kennzeichen von Schmähkritik), sondern eine Auseinandersetzung mit den vermeintlichen Missständen in der DDR.

Unter Mitarbeit von Anna Laudenbach.

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