Anfang Juni sollen nun Arbeitgeber endlich damit beginnen können, durch die Betriebsärzte Impfungen im Betrieb anzubieten. Gleichzeitig starten nun in den Bundesländern die Schutzimpfungen mit erhöhter Priorität gemäß der Coronavirus-Impfverordnung („Prio-Gruppe 3“). Zur Prio-Gruppe 3 gehören neben Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, sowie solchen mit gewissen Krankheiten auch Personen, die in besonders relevanter Position in einem Unternehmen der sog. „Kritischen Infrastruktur“ beschäftigt sind. Unternehmen und Arbeitgeber sind deshalb jetzt dringend gehalten zu prüfen, ob ihre Arbeitnehmer ggf. priorisiert geimpft werden können und welche Rechtsfragen bei den Impfungen durch die Betriebsärzte zu beachten sind.

Unternehmen der „Kritischen Infrastruktur“

In Schleswig-Holstein hat die Impfung der Prio-Gruppe 3 bereits begonnen, Personen dieser Gruppe können seit dem 06.05.2021 Impftermine buchen. In Hamburg und Niedersachsen ist die Impfung der Prio-Gruppe 3 ebenfalls bereits angelaufen. 

Sämtliche Bundesländer haben Impfungen für die Prio-Gruppe 3 aber nicht umfassend freigegeben, sondern gehen bei den erfassten Personengruppen stufenweise vor. Zumeist können zunächst nur Impftermine für Personen Ü60 und solche mit spezifischen Krankheitsbildern gebucht werden. Erst in einem zweiten Schritt werden Impftermine vergeben an Personen, die in verantwortlicher Position für ein systemrelevantes Unternehmen der „Kritischen Infrastruktur“ tätig sind. Einige Bundesländer ziehen dabei einzelne Branchen zeitlich vor, aktuell z. B. Mitarbeiter des Lebensmitteleinzelhandels.

Zur „Kritischen Infrastruktur“ zählen Unternehmen mit besonderer Bedeutung für das Gemeinwesen, deren Ausfall oder Beeinträchtigung mit erheblichen Versorgungsengpässen oder Störungen der öffentlichen Sicherheit verbunden wäre. Erfasst werden folgende neun Sektoren: Energie, Gesundheit, Informationstechnik und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Medien und Kultur, Wasser, Finanz- und Versicherungswesen, Ernährung sowie Staat und Verwaltung.

Allein die Zugehörigkeit zu einem Sektor der „Kritischen Infrastruktur“ gewährt indes noch keine Impfpriorität, hinzukommen muss eine „Systemrelevanz“, d. h. die Einrichtung bzw. das Unternehmen muss unmittelbar oder mittelbar zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen, teils lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen beitragen. Allein Beschäftigte solcher Unternehmen fallen in die Prio-Gruppe 3. 

Die eine Impfpriorität bewirkende Systemrelevanz ist für jedes Unternehmen individuell zu prüfen, ebenso ob ein Beschäftigter in „verantwortlicher Position“ für ein solches Unternehmen tätig ist.

Arbeitgeberbescheinigungen je nach Bundesland

Der Nachweis der erhöhten Impfpriorität ist (erst) gegenüber dem Personal des Impfzentrums zu erbringen, nicht bereits im Vorfeld bei Buchung des Impftermins. Zum Impftermin hat der Beschäftigte mittels einer Arbeitgeberbescheinigung die Tätigkeit in einem Unternehmen der „Kritischen Infrastruktur“ und die eigene besonderes relevante Position in diesem Unternehmen zu belegen. Einige Bundesländer halten hierfür im Internet entsprechende Formulare und Vordrucke bereit. Sollte dies nicht der Fall sein, haben Arbeitgeber ein eigenes Muster für ihre Beschäftigten zu erstellen.

Zu beachten ist, dass eine etwaige Impfpriorität für Beschäftigte sich jeweils nach ihrem Erstwohnsitz und nicht nach ihrem Tätigkeitsort richtet; es kann sich deshalb ergeben, dass einige Beschäftigte eines Unternehmens bereits prioritär geimpft werden, während Kollegen, die in einem anderen Bundesland ihren Erstwohnsitz haben, noch warten müssen.

Impfungen durch den Betriebsarzt

Nachdem einige Unternehmen mit sog. Modellprojekten die Impfungen im Betrieb bereits begonnen haben, wird ab Anfang Juni 2021 die reguläre Impfung durch die Betriebsärzte im Betrieb starten können. Notwendig ist dafür eine Änderung der Corona-Impfverordnung, an deren Entwurf laut dem Gesundheitsminister Herrn Spahn derzeit gearbeitet wird. Die Betriebsärzte müssten den Impfstoff unmittelbar beim Pharmagroßhandel beziehen können. Bislang müssen die Ärzte den Impfstoff vom angegliederten Impfzentrum beziehen (§ 6 Abs. 1 S. 3 ImpfstoffV). Die Kosten für die Impfung werden sehr wahrscheinlich von den Krankenkassen übernommen werden, entweder über § 132e Abs. 1 S. 3 Nr. 2 SGB V oder Regelungen, die die Bundesregierung noch schaffen wird.

Arbeitsrechtliche Fragen rund um die Impfung im Betrieb

Fest steht, dass die Impfung freiwillig bleibt und der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer dazu nicht verpflichten kann (dazu bereits ESCHE Blogbeitrag „(K)eine Impfpflicht im Arbeitsverhältnis?“ v. 06.02.2021). Gleichzeitig muss der Arbeitgeber Impfungen im Betrieb nicht anbieten (Ausnahme: ggf. Impfanspruch wegen gefährdender Tätigkeit gemäß § 6 Abs. 2 S. 2 ArbMedVV). Was die Verteilungsgerechtigkeit angeht, so wird der Arbeitgeber – solange die Impfpriorisierung besteht – seine Arbeitnehmer gemäß dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechend die Impfungen anbieten müssen. Was die Haftung für Impfschäden oder Behandlungsfehler durch den handelnden Betriebsarzt anbetrifft, sollte der Arbeitgeber strengstens darauf achten, dass nicht er das Impfangebot ausspricht, sondern der Betriebsarzt. Denn das BAG hat für den Fall der Gruppeschutzimpfung entschieden, dass in dem Falle, dass der Behandlungsvertrag mit dem Arzt zustande kommt, der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer nur darauf haftet, den Art ordnungsgemäß und sorgfältig ausgewählt zu haben (BAG v. 21.12.2017 – 8 AZR 853/16). Er muss ihn dagegen nicht überwachen.

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