Das OLG Köln hat am 12. Juni 2015 (Az.: 6 U 5/15) dem Urheberrecht den Vorzug vor der Pressefreiheit eingeräumt und die Verbreitung von Militärberichten über die Sicherheitslage in Afghanistan im Internet untersagt.

Rechtlicher Rahmen

Das Urhebergesetz (UrhG) schützt unter anderem sogenannte Sprachwerke. Voraussetzung ist lediglich, dass beispielsweise ein Text individuell gestaltet ist und eine schöpferische Leistung erkennen lässt. Die Anforderungen daran sind denkbar gering: Bereits die Auswahl und Anordnung der Worte, die Ausdrucksweise oder die Darstellungsart können einen Text zu einem Sprachwerk machen. Einmal geschaffen, darf der Urheber darüber entscheiden, ob und in welcher Form sein Werk veröffentlicht wird (§ 12 UrhG).

Die Befugnisse des Urhebers sind allerdings nicht grenzenlos. Das UrhG durchbricht den Schutz von Werken im Interesse der Allgemeinheit. So ist es beispielsweise zulässig, ein ganzes Werk oder Teile eines Werks zu zitieren, sofern sich der Zitierende mit dem Werk inhaltlich auseinandersetzt und beispielsweise eigene Ideen und Kritik daran zum Ausdruck bringt (Zitatrecht, § 51 UrhG).

Sachverhalt

Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) hatte im November 2012 im Internet vollständige Lageberichte des Verteidigungsministeriums aus den Jahren 2005 bis 2012 über die Gefahrenlage in Afghanistan veröffentlicht. Diese Berichte waren als Verschlussache für den Dienstgebrauch (der niedrigsten Geheimhaltungsstufe) klassifiziert und sollten an sich nur einem eng begrenzten Personenkreis zugänglich gemacht werden. Daneben veröffentlichte das Ministerium inhaltlich gekürzte Fassungen der Lageberichte für jedermann. Das Ministerium verlangte von der WAZ, die Lageberichte aus dem Netz zu entfernen und konnte sich dabei nicht etwa auf die Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften stützen, sondern auf § 12 UrhG.

Entscheidung

Das OLG Köln gab der Klage statt und bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz.

Nach Auffassung der Richter sind sämtliche Berichte urheberrechtlich als Sprachwerke geschützt. Durch Aufbau und die persönliche Einschätzung der Bedrohungslage erfüllten sie die Mindestanforderungen an die Schöpfungshöhe.

Damit durfte das Ministerium als Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte auch darüber entscheiden, ob die vollständigen Lageberichte von der WAZ veröffentlicht werden durften. Anders als die Kurzfassungen waren die vollständigen Berichte der Öffentlichkeit nämlich noch nicht zugänglich gemacht worden.

Eine Berufung der WAZ auf das Zitatrecht lehnten die Kölner Richter vor allem deshalb ab, weil von der WAZ die vollständigen Berichte veröffentlicht worden waren, ohne sich mit deren Inhalt näher auseinanderzusetzen. Selbst bei einer von der WAZ verlangten weiten Auslegung von § 51 UrhG wegen des Informationsinteresses der Allgemeinheit sei die Vorschrift nicht einschlägig, weil die WAZ die vollständigen Berichte nicht journalistisch bearbeitet und analysiert habe, etwa durch eine Gegenüberstellung von gekürzten und vollständigen Berichten.

Anmerkung

Das Urteil des Oberlandesgerichts verdeutlicht, dass zumindest die vollständige Veröffentlichung von bislang unveröffentlichten Texten sehr riskant ist. Wenn solche Inhalte veröffentlicht werden, dann sollte dies lediglich in Auszügen und verbunden mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Zitat geschehen. Selbst dann verbleibt bei unveröffentlichten Werken aber ein Risiko.

Das Urteil ist hier abrufbar.

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