Das LG Bremen hat sich mit Urteil vom 12. Juli 2019 – 4 O 2083/16 mit der Haftung des Stiftungsvorstandes für die Schäden aus einer fehlgeschlagenen Investition aus Stiftungsmitteln befasst. Nach Ansicht des Gerichts hafte der Vorstand selbst bei riskanten Anlagegeschäften nicht, sofern nur ein kleiner Teil des Vermögens der Stiftung betroffen ist, das Konzept durch namhafte Mitdarlehensgeber geprüft wurde und das durch das Darlehen zu fördernde Projekt zu den Stiftungszielen passt.
Ihm lag folgender – vereinfachter – Sachverhalt zugrunde:
Sachverhalt
Die gemeinnützige Empfängerstiftung E betreibt Segelschulschiffe, um Jugendliche an das seemännische Brauchtum heranzuführen. Für Bau und Betrieb eines neuen Schulungsschiffes musste die E-Stiftung verschiedene Darlehenszusagen einwerben, da sie keine Banken als Finanzierer gewinnen konnte. Neben anderen Förderern gewährte die gemeinnützige Klägerstiftung K der E im Rahmen ihrer Satzungsvorgaben ein Darlehen i.H.v. 250.000 € zu einem Zinssatz von 6 % p. a., das mit einer vorbelasteten Schiffshypothek besichert wurde. Ziel der K-Stiftung ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie Bildung und Erziehung u. a. durch Förderungen auf dem Gebiet der Verkehrswirtschaft und Logistik. Im Folgenden ließen sich die laufenden Betriebskosten des Schiffes nicht durch Erlöse aus dem Schulungsbetrieb decken, die E-Stiftung bat um Aufschub des Tilgungsbeginns und wurde mit Zinsen rückständig. Der Jahreszins wurde auf 1,5 % herabgesetzt. Die K-Stiftung verlangt von ihrem ehemaligen Vorstand Ersatz des Darlehensausfallrisikos und der Anlagezinsverluste.
Mangels objektiver Pflichtverletzung des Vorstandes gegenüber der K-Stiftung verwarf das LG die Klage als unbegründet.
Entscheidung
Obwohl es sich bei der Darlehensvergabe auch aus Sicht des Gerichtes um ein Geschäft mit erhöhten Risiken für die Stiftung handelte, sei die Entscheidung für die Darlehensvergabe nicht pflichtwidrig gewesen. Sie hielt sich im Rahmen des Vorstandsermessens, bei dem die wirtschaftlichen Risiken und Chancen für Erfolg oder Misserfolg der Investition mit den besonderen Zwecken und Zielen der Stiftung abzuwägen seien (LG Bremen, Urteil vom 12. Juli 2019 – 4 O 2083/16 –, Rn. 80, juris). Nach dieser Argumentation kommt der Zweckverfolgung der Stiftung eine erhöhte Bedeutung für das Vorstandermessen zu.
Weiterhin hielt es das LG auch für unschädlich, dass der Vorstand sich trotz rechtlich anspruchsvoller Darlehenskonstruktion keinen externen Sachverstand zur Bewertung des Geschäftes eingeholt hat. Für die Frage, wann die Grenze der eigenen Beurteilungsfähigkeit erreicht ist, sei ein von dem Beklagten in seiner Eigenschaft als ehrenamtlich Tätiger nicht zu forderndes Maß an Fachkenntnis verlangt, sodass das Verkennen dieser Grenze ihm nicht als grob fahrlässig angelastet werden könne (LG Bremen, Urteil vom 12. Juli 2019 – 4 O 2083/16 –, Rn. 107, juris). Inwiefern diese Ansicht mit der Maxime vereinbar ist, dass der Vorstand in konkreter Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpfen und den erkennbaren Risiken Rechnung tragen muss, erläutert das Gericht jedoch nicht.
Daneben verneinte das LG auch einen Verstoß gegen den Vermögenserhaltungsgrundsatz. Wegen ihrer Ertragsungewissheit sei die Darlehensvergabe zwar kein erlaubtes Umschichtungsgeschäft, es könne aber berücksichtigt werden, dass das Projekt der E-Stiftung unmittelbar die Stiftungszwecke der K-Stiftung föderte und ihr als Ertragsäquivalent einen besonderen Werbeeffekt versprach (LG Bremen, Urteil vom 12. Juli 2019 – 4 O 2083/16 –, Rn. 93ff., juris). Dadurch, dass das LG auch Werbeeffekte zur Vermögenserhaltung zählt, erweitert es die Grundsätze der Ertragskrafterhaltung.
Damit enthält das Urteil einige neue Aspekte zu den Problemkreisen der Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers und dem stiftungsrechtlichen Gebot der Vermögenserhaltung, die Vorstände entlasten können. Insbesondere der Zweckverfolgung wird ein erheblicher Stellenwert eingeräumt. Bisher war sowohl zivilrechtlich als auch gemeinnützigkeitsrechtlich die zweckgetriebene Investition von Stiftungsmitteln (mission-related oder impact investing) nicht besonders privilegiert. Vor dem Hintergrund des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes entscheiden sich Stiftungen aktuell vermehrt für diese Form der Vermögensanlage, um über zielgerichtete Investitionen zum Erfolg der Verwirklichung ihrer Zwecke beizutragen. Auch wenn die Aussagen des vorliegenden Urteils wegen des besonderen Sachverhalts nicht verallgemeinerungsfähig sein dürften, zeigt sich doch: hier ist noch Einiges in Bewegung.
Unter Mitarbeit von Jessica Graeber.