Der Europäischer Gerichtshof (EuGH) hat am 21. Mai 2015 (Az. C-352/13) die Rechte von Unternehmen gestärkt, die durch ein Kartell geschädigt wurden. Kartellschäden sollen gerichtlich leichter durchgesetzt werden können. Ein Schaden durch ein Kartell entsteht für Unternehmen beispielsweise dadurch, dass das Unternehmen über Jahre hinweg überhöhte Kartellpreise bei seinen kartellierten Lieferanten gezahlt hat.

Die geschädigten Unternehmen haben nunmehr die Möglichkeit, ihre Schadensersatzklagen gegen verschiedene Beklagte vor einem Gericht in der EU zu bündeln, in dem mindestens ein Beklagter seinen Sitz hat (sog. Ankerbeklagter). Sogar eine spätere Rücknahme der Klage gegen den Ankerbeklagten nach Rechtshängigkeit soll nach dem Urteil des EuGH keine Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Gerichts im Hinblick auf die übrigen Beklagten haben.

Das führt dazu, dass Unternehmen, die gegen Kartellanten zivilrechtlich Schadensersatzansprüche durchsetzen wollen, sich im gewissen Rahmen einen für sie günstigen Gerichtsstand "aussuchen" können, wenn z. B. einer der Kartellbeteiligten seinen Sitz am günstig erscheinenden Gerichtsstand hat. Darin liegt ein großer Vorteil für die Praxis, weil die Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen in den EU-Mitgliedstaaten bislang nicht einheitlich erfolgsversprechend ist.

Grund für die Entscheidung des EuGH ist Art. 6 Nr. 1 der "alten" Brüssel-I VO (Verordnung (EG) Nr. 44/2001). Die Regelungen in der "neuen" Brüssel-I-VO "Verordnung (EU) Nr. 1215/2012) sind insoweit allerdings gleichlautend, sodass auch für Fälle nach dem Inkrafttreten der "neuen" Brüssel-I-VO ab dem 15. Januar 2015 nichts anderes gilt. Diese Verordnung ermöglicht eine Klage gegen mehrere Beklagte vor den Gerichten eines jeden Mitgliedstaates, in dem mindestens ein Beklagter seinen Sitz hat. Der EuGH hat die Anwendbarkeit der Verordnung nun auch für Kartellschadensersatzklagen bestätigt.

Sogar Gerichtsstandklauseln, die in den Lieferverträgen zwischen den Kartellanten und den durch das Kartell geschädigten Unternehmen enthalten sein können, sollen an der Zuständigkeit nach Art. 6 Nr. 1 Brüssel-I-VO nichts ändern. Das könnte nur dann anders beurteilt werden, wenn sich eine solche Gerichtsstandklausel nicht nur abstrakt auf Rechtsstreitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis bezieht, sondern konkret auf Streitigkeiten aufgrund des Kartellrechts zielt.

Fazit: Für Lieferanten, die besonders leicht in Kartelle verwickelt werden können, wäre es bei dem Abschluss von Lieferverträgen zu überlegen, ob eine spezifische Schiedsklausel speziell für den Fall aufgenommen wird, dass der Abnehmer später Kartellschäden geltend macht. Das hätte den Vorteil für die Lieferanten, dass Streitigkeiten über die (behaupteten) Kartellschäden vor einem Schiedsgericht verhandelt werden. Schiedsgerichtsverfahren sind, anders als staatliche Zivilgerichtsverfahren, nicht öffentlich.

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