Im Jahre 2012 stellte der Bundesgerichtshof klar, dass die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen mit dem Einziehungsbeschluss wirksam wird, die Gesellschafter, die die Einziehung beschließen aber für die zu zahlende Abfindung haften. Nunmehr entschied das Landgericht Aachen eine Ausnahme von diesem Prinzip.
Lange Zeit war umstritten, ob Beschlüsse über die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen sofort mit Mitteilung an den Inhaber der eingezogenen Geschäftsanteile wirksam werden oder erst mit Leistung der Abfindung. Diese strittige Frage entschied der Bundesgerichtshof am 24. Januar 2012 (Az. II ZR 109/11) zugunsten der sofortigen Wirksamkeit der Einziehung mit Mitteilung der Einziehung an den betroffenen Gesellschafter. Gleichzeitig entschied der Bundesgerichtshof aber, dass die die Einziehung beschließenden Gesellschafter dem von der Einziehung betroffenen Gesellschafter für die Abfindung haften, wenn sie nicht dafür sorgen, dass die Gesellschaft die Abfindung zahlen kann. Basierend auf diesem Urteil entschied jüngst das Landgericht Aachen einen vergleichbaren Fall und machte eine durchaus relevante Ausnahme von dem Grundsatz des Bundesgerichtshofs (LG Aachen, Urteil vom 26. Mai 2015, Az. 41 O 41/14, zitiert nach juris).
Keine Gesellschafterhaftung bei Zustimmung zur Einziehung
Das Landgericht Aachen entschied, dass die die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen beschließenden Gesellschafter dann nicht (mehr) für die Abfindungszahlung haften, wenn der von der Einziehung betroffene Gesellschafter der Maßnahme zugestimmt hat.
Dem Urteil des Landgerichts Aachen lag – kurz gefasst – der folgende Sachverhalt zugrunde: ein Gesellschafter der C-GmbH kündigte die Gesellschaft im Einklang mit dem Gesellschaftsvertrag. Da die Kündigung der Gesellschaft ein im Gesellschaftsvertrag geregelter Einziehungsgrund bei der C-GmbH war, beschlossen die übrigen Gesellschafter die Einziehung der Geschäftsanteile des kündigenden Gesellschafters. In der Folge schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach die Geschäftsanteile des kündigenden Gesellschafters als „zwangseingezogen“ gelten sollten und er von der C-GmbH eine in mehreren Raten zu zahlende Abfindung in Höhe von ca. EUR 6 Mio. erhalten sollte. Bevor die Abfindung vollständig gezahlt wurde, kam es zur Insolvenz der C-GmbH.
Begründung des Landgerichts Aachen
Auf der Basis des oben zusammengefassten Sachverhalts lehnte das Landgericht Aachen eine subsidiäre Haftung der die Einziehung beschließenden Gesellschafter ab.
Das Landgericht Aachen begründete dieses Ergebnis damit, dass der ausscheidende Gesellschafter der Einziehung in dem Vergleich zugestimmt hatte und die Einziehung überhaupt nur erfolgte, weil der ausscheidende Gesellschafter die Gesellschaft gekündigt hatte. Weiter entschied das Landgericht Aachen, dass der ausscheidende Gesellschafter das Solvenzrisiko der GmbH tragen müsse, weil er eine gestreckte Auszahlung akzeptierte.
Während der erste Teil der Begründung überzeugend ist, da ein Gesellschafter, der die Gesellschaft eigenmächtig kündigt und dadurch eine Einziehung provoziert oder der Einziehung zustimmt, nicht schutzwürdig ist, erscheint der zweite Teil der Begründung problematischer und es bleibt abzuwarten, ob diese – einer Literaturmeinung folgende – Begründung auch vor Oberlandesgerichten oder dem Bundesgerichtshof Bestand haben wird.
Praxistipp
Auch wenn abzuwarten bleibt, wie höhere Gerichte die vom Landgericht Aachen entschiedenen Rechtsfragen bewerten werden, sollte das Urteil des Landgerichts Aachen bei der Beratung von Gesellschaftern, deren Geschäftsanteile zwangseingezogen werden, berücksichtigt werden. Sofern die Zahlung der Abfindung wegen der Solvenz der GmbH unsicher ist, sollte bei Vergleichen über die Wirksamkeit der Einziehung darauf geachtet werden, dass möglichst die Gesellschafter für die Zahlung der Abfindung mithaften.
Siehe auch: "HIF: Fallstricke beim Ausschluss eines Gesellschafters aus einer GmbH"; Urteil: Landgericht Aachen, 41 O 41/14"