Implementierung eines Compliance-Management-Systems und Internal Investigation gewinnen an Bedeutung
Der im Hinblick auf eine Regierungsbildung von CDU/CSU und SPD vereinbarte Koalitionsvertrag sieht unter anderem eine weitreichende Reform des Sanktionsregimes für Unternehmen vor, die für das Fehlverhalten von Managern und Mitarbeitern in Anspruch genommen werden. Insbesondere dürfte in diesem Zusammenhang der straf- und bußgeldrechtliche Sanktionsrahmen substantiell erweitert und um weitere Ahndungsmöglichkeiten ergänzt werden. Zudem könnte es zu einem Paradigmenwechsel im Hinblick auf die behördliche Verfolgung unternehmensbezogener Ordnungswidrigkeiten und Straftaten kommen – hier zeichnet sich eine Tendenz zu einem verbindlichen Verfolgungsgebot und eine damit einhergehende Einschränkung der Möglichkeit ab, im Rahmen des Opportunitäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips gegebenenfalls sachgerechte Ermessensentscheidungen zugunsten der betroffenen Unternehmen zu treffen. Für Unternehmen der Privatwirtschaft wird hier in gewisser Weise eine Entwicklung angeschoben bzw. nachgeholt, die sich im Bereich des Kapitalmarktrechts in Bezug auf verschiedenste Finanzplatzakteure bereits in den letzten Jahren Bahn gebrochen hat. Andererseits dürften auch Banken und Finanzdienstleistungsinstitute im Rahmen der sich abzeichnenden Entwicklung mit weiteren „Segnungen“ des Gesetzgebers bedacht werden.
Richtet man den Blick „aufs Ganze“, so werden verschiedene spezialgesetzliche Sanktionsregime – genannt seien hier nur die Bereiche des Wertpapierhandels-, des Geldwäsche-, des Kartell- und des Datenschutzrechts – künftig um ein ähnlich strikt konzipiertes Geflecht von generellen Ahndungs- und Sanktionsregelungen ergänzt, die dann nahezu alle Bereiche unternehmerischer Tätigkeit erfassen. Ob und inwieweit hier dann bewährte Grundstrukturen des Ordnungswidrigkeits- und Strafrechts künftig einer schematisch strengen, aber weniger differenzierenden Verfolgungs- und Ahndungspraxis „weichen“, wird die weitere legislative Entwicklung zeigen.
Unternehmen dürften gut beraten sein, sich frühzeitig auf die skizzierte Entwicklung einzustellen und die internen Überwachungs- und Risikominimierungsstrukturen gegebenenfalls anzupassen und zu schärfen. Zentraler Baustein dürfte hier ein effizientes betriebliches Compliance-Management-System sein, das nicht nur im Bereich der Corporate Governance für eine verbesserte Marktwahrnehmung sorgt, sondern überdies im Falle etwaiger straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlicher Verfolgungsmaßnahmen die Funktion eines „Wellenbrechers“ übernehmen kann. Insoweit findet sich mittlerweile eine höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach die wirksame Implementierung prophylaktischer Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung bzw. Vermeidung rechtlichen Fehlverhaltens im Rahmen einer bußgeldlichen Ahndung gebührend mindernd zu berücksichtigen ist. Hier wäre es durchaus wünschenswert, dass auch die Rechtsetzung dieses Thema aufgreift und eine praktikable und rechtssichere Reglung etabliert.
Praxistipp
Mittelständische Unternehmen sollten im Rahmen des Auf- und Ausbaus ihrer Compliance-Strukturen insbesondere auch die Themen Hinweisgeber- bzw. Whistleblower-System und innerbetrieblicher Verhaltenskodex für Mitarbeiter „auf dem Radarschirm“ haben. Besonders positiv könnte sich überdies der Umstand auswirken, dass ein Unternehmen in etwaigen neuralgischen Bereichen („Verdachtsfällen“) bereits frühzeitig und selbstbestimmt „auf den Plan tritt“ und interne Untersuchungshandlungen in die Wege leitet, deren Ergebnisse dann gegebenenfalls auch bereits proaktiv den Aufsichtsämtern oder Verfolgungsbehörden mitgeteilt werden könnten. Angesichts eines zukünftig deutlich verschärften Unternehmensstraf- und -strafverfolgungsrechts sowie drohender Reputationsschäden im Falle einer sanktionsrechtlichen Inanspruchnahme dürfte sich der Aufwand für eine solche „Internal Investigation“ in aller Regel deutlich „amortisieren“. Ausweislich des Koalitionsvertrages sollen insoweit auch gesetzliche Anreize zur Aufklärungshilfe durch die betroffenen Unternehmen und zur anschließenden Offenlegung der hierbei gewonnenen Erkenntnisse ausdrücklich normiert werden.