Die Vergabe eines Wegenutzungsvertrages für Strom und Gas stellt die zuständigen Gemeinden vor große Herausforderungen. Neben der Frage, nach welchen Auswahlkriterien der Vertrag vergeben werden soll, stellt sich regelmäßig die Frage nach der Neutralität der Gemeinde in Verfahren, an denen sich auch ein gemeindeeigener Bewerber beteiligt.  

Zahlreiche Gemeinden prüfen, ob sie im Rahmen einer Rekommunalisierung den Betrieb von Strom- und Gasversorgungsnetzen wieder in die eigene Hand nehmen können. Dazu gründen sie in der Regel einen Eigenbetrieb oder eine Eigengesellschaft, die sich selbst um die Konzession bewerben. Nicht selten sind dabei Mitglieder der verfahrensleitenden Stelle der Gemeinde oder Mitglieder der Gemeindevertretung zugleich auch in irgendeiner Form bei dem gemeindeeigenen Bewerber beschäftigt.

Die verfahrensleitende Stelle des Auswahlverfahrens wird meistens von einer Person innerhalb der Verwaltung der Gemeinde besetzt. Sie bereitet das Verfahren vor, schlägt die Auswahlkriterien vor, versendet die Verfahrensbriefe, ist Ansprechpartner für die Bewerber und erstellt einen Auswertungsvorschlag auf Basis der Angebote. Die Gemeindevertretung beschließt die Auswahlkriterien und entscheidet abschließend darüber, welches Angebot die festgelegten Auswahlkriterien am besten erfüllt und welcher Bewerber daher den Zuschlag erhält.

Dass ein Interessenkonflikt besteht, wenn Personen, die für den gemeindeeigenen Bewerber tätig sind, zugleich auch die Auswahlkriterien mitbestimmen oder sogar am Ende über die Erteilung des Zuschlags entscheiden, liegt auf der Hand. Gemeinden können aber Maßnahmen ergreifen, um diesen Interessenkonflikt zu verhindern. 

„Gasnetz Leipzig“ als Leitentscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Entscheidung “Gasnetz Leipzig” (Az.: EnZR 99/18 vom 28.01.2020) entscheidende Feststellungen dazu getroffen, wie Gemeinden diesen Interessenkonflikt verhindern können. 

Danach gebietet das aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgende Neutralitätsgebot eine organisatorische und personelle Trennung von Vergabestelle und Bewerber, um eine diskriminierungsfreie Vergabeentscheidung zu gewährleisten. Daraus ergibt sich ein grundsätzliches Mitwirkungsverbot am Verfahren für Personen, die bei einem Bewerber gegen Entgelt beschäftigt oder als Mitglied eines Organs tätig sind. 

Eine solche Trennung kann erfolgen, indem die Gemeinde die Vergabestelle einer personell und organisatorisch vollständig vom gemeindeeigenen Bewerber getrennten Stelle der Gemeindeverwaltung zuweist. Dadurch werden sowohl eine Beeinflussung des Auswahlverfahrens durch den gemeindeeigenen Bewerber als auch ein unzulässiger Informationsfluss von der Gemeinde an diesen ausreichend verhindert. Zudem besteht die Möglichkeit, dass Gemeindevertreter, die auch beim gemeindeeigenen Bewerber beschäftigt oder in dessen Organen tätig sind, ihre Tätigkeit für den Zeitraum des Auswahlverfahrens ruhen lassen. 

Wenn nun ein vom Mitwirkungsverbot betroffener Gemeindevertreter trotzdem bei der abschließenden Beschlussfassung über die Vergabe des Wegenutzungsrechts mitwirkt, führt dies aber nicht automatisch zu einem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot und zur Nichtigkeit des Wegenutzungsvertrages. Vielmehr muss der Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot auch die konkrete Möglichkeit eröffnet haben, dass dies die Entscheidung über die Vergabe des Wegenutzungsrechts beeinflusst hat. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn zweifelsfrei feststeht, dass sich die Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens nicht auf dessen Ergebnis ausgewirkt haben kann, weil derselbe Bewerber die Konzession auf jeden Fall auch ohne den Verfahrensfehler erhalten hätte. Das ist beispielweise dann so, wenn die Entscheidung in der Gemeindevertretung einstimmig getroffen wurde und nur wenige Gemeindevertreter, die dem Mitwirkungsverbot unterliegen, daran beteiligt gewesen sind. 

Anders verhält es sich, wenn ein vom Mitwirkungsverbot betroffener Gemeindevertreter in dem der abschließenden Beschlussfassung vorgelagerten Verfahren, insbesondere bei der Bestimmung der Auswahlkriterien, tätig geworden ist. Hier kann eine Begünstigung des gemeindeeigenen Bewerbers durch die Auswahlkriterien nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Dabei spielt es dann konsequenterweise keine Rolle mehr, ob bei der abschließenden Beschlussfassung einstimmig entschieden wurde, da bereits die Kriterien auf einen bestimmten Bewerber zugeschnitten sind. Ein neutrales Verfahren kann dann nicht mehr gewährleistet werden. Wenn die betroffenen Gemeindevertreter ihre Tätigkeit für den gemeindeeigenen Bewerber allerdings ruhen lassen, ist das ausreichend, um auch in diesem Fall einen Interessenkonflikt zu vermeiden. 

Stets eine Frage des Einzelfalls

Der BGH hat seine Rechtsprechung seit der „Gasnetz Leipzig“-Entscheidung in jüngeren Fällen, bei denen das Neutralitätsgebot auf verschiedenen Ebenen eine Rolle gespielt hat (so bspw. „Gasnetz Berlin“ – KZR 55/19 oder „Stadt Bargteheide“ – EnZR 43/20), weiter konkretisiert. Dabei kam es stets darauf an, welche Personen zu welchem Zeitpunkt im Verfahren und auf welcher Seite tätig waren. In den beiden genannten jüngeren Fällen beanstandete der BGH, dass dort sogar die verfahrensleitende Stelle und die Leitung des gemeindeeigenen Bewerbers in der Gemeindeverwaltung an der gleichen Stelle zusammengefasst waren.

Dabei ist zu berücksichtigten, dass die Gemeinden bei der Gestaltung des Auswahlverfahrens einen weiten Spielraum haben, sodass es stets eine Frage des Einzelfalls ist, ob eine ordnungsgemäße organisatorische und personelle Trennung vorliegt und das Neutralitätsgebot damit gewahrt ist.