Führen aus Sicht des Arbeitgebers mehrere Gründe zum Ausspruch einer außerordentlich fristlosen Kündigung vor, von denen aber keiner für sich allein gesehen die Schwelle eines „wichtigen“ Grundes erreicht, sind die vorgetragenen Kündigungsgründe in ihrer Gesamtheit zu überprüfen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es um rechtlich nicht unterschiedlich behandelte Gründe wie z.B. mehrere Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers geht (LAG Hessen v. 17.10.2017 – 8 Sa 1444/16).

Mehrere verhaltensbedingte Kündigungsgründe

Der Kläger war Leiter einer Filiale der Beklagten, ein Tochterunternehmen einer Bank. Ein Mitarbeiter der Filiale führte zahlreiche Lastschriften in Höhe von insgesamt EUR 10,5 Mio. zulasten der Beklagten aus, obwohl die Konten der Kunden keine ausreichende Deckung aufwiesen und er die Lastschriften hätte an den Auftraggeber zurückleiten müssen. Dem Kläger wurde u.a. vorgeworfen, seine Aufsichts- und Überwachungspflichten bezüglich des Lastschriftenvorgangs verletzt, ohne Genehmigung einen Darlehensvertrag in Höhe von EUR 10,5 Mio. abgeschlossen und seine Kompetenzen bei der Beauftragung von Rechtsanwälten überschritten zu haben. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.

Kündigungsgründe in der Gesamtabwägung

Dem Gericht fehlte es bei den einzelnen Pflichtverstößen entweder an einer vorangegangen Abmahnung oder an einer ausreichenden Darlegung des Sachverhalts durch die Beklagte, weshalb die außerordentliche Kündigung nicht schon auf einen einzelnen Pflichtverstoß gestützt werden konnte. Daher prüfte das Gericht, ob die einzelnen Kündigungsgründe in ihrer Gesamtheit das Arbeitsverhältnis so belasteten, dass dem Kündigenden die Fortsetzung – selbst bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist – nicht zuzumuten war. Eine derartige Gesamtabwägung ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei rechtlich nicht unterschiedlich behandelten Gründen – wie hier mehreren verhaltensbedingten Gründen – zulässig, weil die Gesamtabwägung nicht zu einer unzulässigen Auflösung und Vermischung der Kündigungsgründe führt (BAG v. 10.12.1992 – 2 AZR 271/92). Im konkreten Fall reichten die Kündigungsgründe nach Auffassung des Gerichts allerdings auch in ihrer Gesamtheit nicht für eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung aus.

Praxistipp

Kommen für den Ausspruch einer Kündigung mehrere verhaltensbedingte Gründe in Betracht, ist zunächst zu prüfen, ob diese jeweils einzeln einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung bilden. Ist dies zu verneinen, sollte der Arbeitgeber es aber nicht versäumen, die verhaltensbedingten Kündigungsgründe in ihrer Gesamtschau zu beurteilen und in einem etwaigen Prozess vorzutragen. Dies gilt sowohl für die außerordentliche als auch für die ordentliche Kündigung. Vorsicht ist geboten, wenn in der Gesamtabwägung verhaltensbedingte Gründe mit personen- und/oder betriebsbedingten Gründen gebündelt werden. Hier steht eine höchstrichterliche Beurteilung noch aus, in der juristischen Literatur wird aber mitunter vertreten, dass es auf die Sphäre ankomme, aus der die Kündigungsgründe resultieren: Verhaltens- und personenbedingte Gründe aus der Sphäre des Arbeitnehmers sollen danach zusammengefasst werden dürfen, betriebsbedingte Gründe aus der Sphäre des Arbeitgebers müssten hingegen unbeachtet bleiben.

Weiterführende Links:
Urteil des LAG Hessen v. 17.10.2017 – 8 Sa 1444/16
Urteil des BAG v. 10.12.1992 – 2 AZR 271/92

Dazu passende Artikel