Bei einer patentverletzenden Vorrichtung, die sich aus mehreren Teilen zusammensetzt, stellt sich häufig die Frage, ob der Patentinhaber nach § 140a PatG die Vernichtung der gesamten Vorrichtung oder lediglich einzelner Teile davon verlangen kann. Hintergrund ist, dass durch den Vernichtungsanspruch der Patentverletzer daran gehindert werden soll, erneut patentverletzende Gegenstände in den Verkehr zu bringen. Zugleich geht mit der Vernichtung eine gewisse Abschreckungswirkung einher. Die Vernichtung der gesamten Vorrichtung kann jedoch im Einzelfall unverhältnismäßig sein, wenn bereits die Vernichtung einzelner Teile ausreicht, um künftige Patentverletzungen sicher auszuschließen. Das OLG Düsseldorf gibt in seinem Urteil vom 5. November 2020 (Az.: 2 U 63/19 - GRUR-RS 2020, 31003) Orientierung, wann ein solcher Fall anzunehmen ist.
Sachverhalt
Die Klägerin ist Inhaberin des deutschen Teils eines europäischen Patentes, welches Verbindungselemente für einen Bodenbelag schützt. Solche Bodenbeläge werden temporär in Festzelten, Veranstaltungsarenen etc. eingesetzt. Das patentgemäße Verbindungselement besteht aus zwei Teilelementen und einem Verbinder (z. B. einem Stahlteil). Die Teilelemente und der Verbinder können durch Schrauben oder andere geeignete Verbindungsmittel miteinander verbunden werden. Die Teilelemente sind u. a. dadurch gekennzeichnet, dass die Öffnung, durch die die Schrauben durchgeführt werden, als sogenannte Langlöcher, d. h. längliche ovale Öffnungen, ausgeführt sind.
In erster Instanz verurteilte das Landgericht Düsseldorf die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz sowie u. a. auf Vernichtung der angegriffenen Verbindungselemente (LG Düsseldorf, Urteil vom 7. November 2019, Az.: 4b O 70/17). Der Beklagten blieb vorbehalten, die Teilelemente, statt sie vernichten zu lassen, in der Form umzugestalten, dass sie an Stelle einer als Langloch ausgeführten Öffnung ein Rundloch aufweisen.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Die angegriffene Ausführungsform bestünde aus Einzelteilen, die als solche patentfrei seien. Die Beklagte sei aufgrund des Unterlassungsanspruches daran gehindert, diese Einzelteile zu einem patentgemäßen Produkt zusammenzufügen. Es bestehe auch nicht die Gefahr, dass Dritte dies tun würden. Denn die Beklagte veräußere die angegriffene Ausführungsform nicht, sondern vermiete sie lediglich an ihre Kunden. Dabei verlege die Beklagte den Bodenbelag mit den angegriffenen Verbindungselementen stets selbst, lasse ihn nicht von Kunden zusammenbauen und schließe einen Umbau durch ihre Kunden vertraglich aus. Im Übrigen wäre eine eventuelle Vernichtungsanordnung allenfalls auf den Verbinder zu richten, weil dieser einen erheblich geringeren Materialwert als die Teilelemente habe und damit Patenverletzungen bereits sicher ausgeschlossen werden könnten.
Entscheidung des OLG Düsseldorf
Die Berufung hat keinen Erfolg. Das OLG Düsseldorf weist sie mit folgender Begründung zurück:
In Bezug auf einzelne Teile des geschützten Verbindungselementes komme zwar nur eine mittelbare Verletzung des Klagepatents in Betracht, die grds. keinen Vernichtungsanspruch begründe (st. Rechtsprechung, s. nur BGH GRUR 2006, 570 - „extracoronales Geschiebe“). Darum gehe es vorliegend jedoch nicht. Vielmehr befänden sich sämtliche, das patentgemäße Verbindungselement darstellende Bauteile in Besitz der Beklagten. Sie seien lediglich (derzeit) nicht erfindungsgemäß zusammengesetzt. Das werde aber von Patentanspruch 1 auch nicht verlangt, sondern lediglich deren Eignung, zu der patentgeschützten Vorrichtung zusammengesetzt werden zu können. Befänden sich sämtliche Elemente einer unter Patentschutz stehenden Gesamtvorrichtung im Besitz oder Eigentum des Patentverletzers und bestünden Anhaltspunkte dafür, dass diese durch den Verletzer selbst oder – diesem zurechenbar – durch einen Dritten zum Erfindungsgegenstand zusammengesetzt werden sollen, unterlägen auch diese Einzelteile der Vernichtung. Letzteres sei jedenfalls dann der Fall, wenn der Patentverletzer bereits in der Vergangenheit eine entsprechende Gesamtvorrichtung in den Verkehr gebracht habe. Dies sei hier der Fall.
Die Vernichtung sei auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Beklagte bereits aufgrund des Unterlassungsanspruches an der Herstellung des patentgemäßen Erzeugnisses gehindert sei. Denn bei einer solchen Auslegung liefe der Vernichtungsanspruch regelmäßig ins Leere. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Beklagte tatsächlich daran gehindert sei, die Bauteile des Verbindungselementes in der patentgemäßen Weise zusammen zu fügen.
Die vom Landgericht ausgesprochene Beschränkung des Vernichtungsanspruches, wonach die Beklagte diesen durch das Ersetzen der Langlöcher in den Teilelementen durch Rundlöcher abwenden könne, sei angemessen. Dadurch könne eine Patentverletzung hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn lediglich bei den Verbindern die Rundlöcher durch Langlöcher ersetzt würden; denn bei diesen Verbindern handele es sich um gängige bzw. einfach zu beschaffende Ersatzteile. Würden lediglich die Verbinder abgeändert, bestünde daher weiterhin die Gefahr, dass zumindest die Kunden der Beklagten sich kostengünstig von dritter Seite Verbinder mit Langlöchern herstellen ließen, sodass der patentverletzende Zustand wieder hergestellt würde.
Ausblick
Im Falle einer Patentverletzung durch eine aus mehreren Einzelteilen bestehende Vorrichtung ist stets sorgfältig zu prüfen, welche Abwandlungen möglich sind, um eine Patentverletzung sicher auszuschließen. Denn für den Fall, dass solche patentfreien Alternativen bestehen, ist ein Vernichtungsanspruch entweder gar nicht gegeben oder aber dem Patentverletzer ist die Möglichkeit zu einer patentfreien Umgestaltung zu geben.