Tarifliche Sonderzuwendungen, die an den Bestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft sind, können auch von einem Stichtag außerhalb des Bezugszeitraums abhängig gemacht werden. Erhält ein Arbeitnehmer eine tarifliche Sonderzahlung und scheidet dieser dann noch vor dem Stichtag aus dem Unternehmen aus, so kann der Arbeitgeber die Rückzahlung verlangen (BAG vom 27.06.2018 – 10 AZR 290/17).

Keine unverhältnismäßige Kündigungsbeschränkung
In dem zugrunde liegenden Sachverhalt findet ein Tarifvertrag durch einzelvertragliche Bezugnahme Anwendung. Dieser sieht vor, dass der Arbeitnehmer jährlich zum 01. Dezember einen Anspruch auf eine Sonderzuwendung hat, die jedenfalls auch geleistete Arbeit vergüten soll. Die Sonderzuwendung ist laut Tarifvertrag aber an einen Stichtag im Folgejahr gebunden und daher zurückzuzahlen, sofern das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag (hier: 31. März des Folgejahres) durch Verschulden des Arbeitnehmers oder auf dessen Wunsch endet.

Im konkreten Fall erhält der Arbeitnehmer die Sonderzuwendung im Dezember, hatte das Arbeitsverhältnis aber bereits zu Januar gekündigt. Mit Ende des Arbeitsverhältnisses verlangt der Arbeitgeber aufgrund der Rückzahlungsregelung, laut BAG zu Recht, die Rückzahlung der Sonderzuwendung. Entgegen der Auffassung des Arbeitnehmers sei diese Regelung keine unverhältnismäßige Kündigungsbeschränkung und verstoße weder gegen die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG noch gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG.

Unwirksamkeit im Rahmen von arbeitsvertraglichen AGB
Allerdings können solche Rückzahlungsregelungen, die einen Stichtag außerhalb des Bezugszeitraums festlegen, nur von Tarifvertragsparteien getroffen werden. Diese haben bei der Tarifsetzung zwar höherrangiges Recht zu wahren, allerdings kommt ihnen aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie eine gewisse Einschätzungsprärogative zu. Es muss demnach nicht immer die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gewählt werden, soweit ein sachlich vertretbarer Grund für die Regelung vorliegt. Des-halb können Tarifverträge dem Arbeitgeber weiter gehende Spielräume einräumen.

Ein solcher verfassungsrechtlicher Schutz und Gestaltungsspielraum kommt den Arbeits- und Betriebsparteien dagegen nicht zu. Arbeitsvertragliche Regelungen unterliegen im Gegensatz zu Tarifnormen nahezu immer einer strengeren Klauselkontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB (sog. AGB-Kontrolle). Eine arbeitsvertragliche Klausel über eine Sonderzahlung benachteiligt den Arbeitnehmer jedoch unangemessen und ist deshalb insoweit unwirksam, wenn die Sonderzahlung zumindest auch geleistete Arbeit vergütet, die Sonderzahlung jedoch zugleich voraussetzt, dass das Arbeitsverhältnis über den Bezugszeitraum hinaus bestehen muss (BAG vom 18.01.2012 – 10 AZR 612/10). Eine solche Bindung ist nur zulässig, wenn die Sonderzahlung alleine Betriebstreue honoriert, aber nicht (zugleich) Arbeit vergütet (BAG vom 18.01.2012 – 10 AZR 670/10), also etwa auch im ruhenden Arbeitsverhältnis gewährt wird. Diese Grenze gilt gem. § 75 BetrVG ebenfalls für Betriebsvereinbarungen (BAG vom 05.07.2011, 1 AZR 94/10).

Praxistipp
Besteht eine tarifliche Regelung, die den weiteren Regelungsspielraum ausschöpft, kann aufgrund des Arbeitsvertrages auf den gesamten Tarifvertrag Bezug genommen werden. Die Maßstäbe der AGB-Kontrolle gelten gem. § 310 Abs. 4 BGB ebenso nicht für tarifliche Regelungen, die aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme gelten. Bedeutung hat dies, wenn der Arbeitgeber selbst nicht tarifgebunden ist. Dann kann der nicht-tarifgebundene Arbeitgeber im Falle des Austritts eines Arbeitnehmers noch vor dem festgelegten Stichtag eine solche Sonderzahlung zurückverlangen.

Unter Mitarbeit von Aileena Müller.

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