In einem Urteil vom 15.07.2020 (Az. 3 Sa 736/19) hat das LAG Köln das Nachschieben von Kündigungsgründen im Kündigungsschutzprozess scheitern lassen. Dies vor dem Hintergrund, dass eine vorherige Mitteilung dieser, den schwerbehinderten Arbeitnehmer betreffenden, Kündigungsgründe an das Integrationsamt gefehlt habe. Von einer Nachholbarkeit der Mitteilung wurde – anders als bei der Betriebsratsbeteiligung – nicht ausgegangen.

Nachlegen beim Kündigungsgrund – besser spät als nie?
Dem zugrunde lag ein Rechtsstreit über die außerordentliche fristlose Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers, welchem mehrere Verstöße gegen das Verbot der Privatnutzung von Poolfahrzeugen vorgeworfen wurden. Im Verfahren auf Erteilung der Zustimmung zur Kündigung waren diese Verstöße Gegenstand sowohl der Beteiligung des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung als auch des Integrationsamtes gewesen.

Nachdem die außerordentliche Kündigung an der Interessenabwägung scheiterte, hatte der Arbeitgeber sich im Kündigungsschutzprozess anschließend auf weitere Pflichtverletzungen berufen, welche sich zwar zeitlich vor Ausspruch der außerordentlichen fristlosen Kündigung ereignet hatten, ihm allerdings erst später zur Kenntnis gekommen seien.

Das LAG Köln meint: manchmal bleibt es bei „zu spät“
Die nachgeschobenen Sachverhalte ließ das LAG mit dem Argument unberücksichtigt, dass diese nicht Teil des ursprünglichen Verfahrens vor dem Integrationsamt gewesen seien und ihnen damit dessen Zustimmung fehle. Hierfür könne auch ein fehlender Zusammenhang der Tatsachen mit der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers keine andere Bewertung ergeben. Vielmehr müsse die verfahrensmäßige Trennung von Verwaltungs- und Arbeitsgerichtsverfahren stringent durchgehalten werden. Da das LAG bei einer arbeitsrechtlichen Berücksichtigung von nicht zuvor dem Integrationsamt mitgeteilten Kündigungsgründen diese Stringenz gefährdet sieht, folgert es ein generelles Verbot des Nachschiebens von Kündigungsgründen bei vorausgegangenem Antrag beim Integrationsamt.

Rechtliche Würdigung
Der Weg, welchen das LAG Köln mit dieser Entscheidung geht, erscheint allerdings keinesfalls rechtlich zwingend. Das BAG hat bislang bei Gesichtspunkten, die nicht in Zusammenhang mit der Schwerbehinderung standen, ein Nachschieben von Kündigungsgründen zugelassen (BAG v. 19.12.1999, BeckRS 2009, 55110). Dem steht die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung kritisch gegenüber (vgl. VGH Baden-Württemberg NZA-RR 1998, 90). Die Literatur wiederum fährt in gewisser Weise einen Mittelweg und befürwortet damit teilweise die Möglichkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen. Allerdings nur unter erneuter Einschaltung des Integrationsamtes (Gallner, in: KR 12. Aufl. 2019, §§ 168-173 SGB IX, Rn.160).

Dieser Weg sollte richtig sein. Die bisherige Rechtsprechung des BAG hat zwar den Charme, dass ohne Zusammenhang der nachzuschiebenden Gründe mit der Schwerbehinderung keine neuen Gesichtspunkte relevant sein können, welche für die Zustimmung des Integrationsamtes eine Rolle gespielt hätten. Zuzugestehen ist der Entscheidung des LAG Köln aber wiederum, dass es konsequent die verwaltungs- und arbeitsgerichtliche Verfahrenstrennung durchhält. Die Abgrenzung der schwerbehindertenspezifischen Tatsachen ist eben nicht den Arbeitsgerichten sondern dem Verwaltungsverfahren zugewiesen.

Dennoch braucht ein Nachschieben bei einem Zustimmungserfordernis des Integrationsamtes nicht ausgeschlossen werden. Eine Beteiligung des Integrationsamtes zum Nachschieben von Kündigungsgründen kann ebenso erfolgen, wie dies für den Betriebsrat (und damit die Schwerbehindertenvertretung) anzuerkennen ist. Hierdurch wird die Kontrollfunktion des Integrationsamtes gewahrt und dem Arbeitgeber zusätzlich die Möglichkeit genommen weitgehend den Kündigungsgrund auszutauschen. Eine verbleibende Restunsicherheit für den Arbeitgeber ließe sich allerdings auch mit dieser Vorgehensmöglichkeit nicht ausräumen – bis hin zur Frage, ob die Behörde für ein ihr ggf. nicht geläufiges Nachschieben eine Zuständigkeit diskutiert. Ein relevanter Mehraufwand in der Praxis ist insofern nicht von der Hand zu weisen.

Praxistipp
Es bleibt abzuwarten, ob sich die Auffassung des LAG Köln auch höchstrichterlich durchsetzen kann. Arbeitgebern ist aus diesem Grund bei ähnlich gelagerten Fällen eine Prüfung dahingehend zu empfehlen, ob sie vorsorglich nicht eine weitere Kündigung aussprechen wollen. Dann unter Berücksichtigung sämtlicher – auch der im Nachhinein klar gewordenen – Gesichtspunkte.

Unter Mitarbeit von Eileen Kramer.