Seit dem 26.04.2019 gilt das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG). Eine Einbeziehung in den Schutzbereich als Geschäftsgeheimnis setzt seitdem u. a. voraus, dass geheimhaltungsbedürftige Informationen angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch den Inhaber unterliegen. Anderenfalls genießen sie grundsätzlich – in zwei jüngeren Fällen aus der Rechtsprechung etwa thematisiert zu einer Kundenliste oder einer Rezeptur für ein chemisches Produkt – keinen rechtlichen Schutz vor Weitergabe an und Nutzung durch Dritte. 

Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen als Voraussetzung des Geheimnisschutzes

Gem. § 2 Abs. 1 Ziff. 1 b GeschGehG ist es bereits dafür, ob überhaupt ein Geschäftsgeheimnis anzunehmen ist, Voraussetzung, dass eine geheimhaltungsbedürftige Information Gegenstand „von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber“ ist. Fehlt es daran, wird kein Geheimnisschutz gewährt. Die vormaligen Bestimmungen der §§ 17 ff. UWG über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen wurden mit Inkraftsetzung des GeschGehG aufgehoben.

Anforderungen an angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen zunächst offen

Nach Inkrafttreten des Gesetzes war es zunächst offen, was unter angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen zu verstehen ist (vgl. bereits ESCHE Blog vom 02.07.2018: Höchste Zeit, sich vorzubereiten – auf das neue Geschäftsgeheimnis-Gesetz). Zu erwarten war, dass eine einzelfallabhängige Beurteilung unter Rückgriff auf die Größe des Unternehmens und die Bedeutsamkeit einer zu schützenden Information maßgebend sein wird und zumindest eine angemessene vertragliche Geheimhaltungspflicht sichergestellt sein muss. Dabei war wegen der besonderen Anforderungen des GeschGehG zu erwarten, dass die bis zu seinem Inkrafttreten üblichen allgemein gehaltenen Verschwiegenheitsklauseln – insbesondere in arbeitsvertraglichen Regelungen mit Mitarbeitern – nicht mehr rechtswirksam sein würden, weil sie die Besonderheiten des GeschGehG an dessen erlaubte Handlungen im Zusammenhang mit Geschäftsgeheimissen nicht ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich ausnahmen.

Arbeitsvertragliche Klauseln als angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Az.: 12 SaGa 4/12) hat am 03.06.2020 darauf erkannt, das arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsreglungen Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen sein können. Das Gericht hat dabei allerdings festgestellt, dass – wie zu erwarten war – die bisherige Gestaltung allgemeiner Verschwiegenheitsregelungen mangels Bezug zur neuen Rechtslage nach dem GeschGehG zu weitgehend sind und damit den nunmehrigen Anforderungen nicht mehr genügen. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht zugleich festgehalten, dass der Begriff angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen nicht einen optimalen Schutz, sondern nach den konkreten Umständen des Einzelfalls im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu bewertende Maßnahmen fordere. Eine in einem Arbeitsvertrag enthaltene Rückgabepflicht des Arbeitnehmers konnte daher zu einer solchen Geheimhaltung beitragen. Allerdings hat es dem Arbeitgeber in jenem Falle für den Schutz seiner Kundenliste das Genick gebrochen, dass er von der Rückgabepflicht nicht rechtzeitig bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers Gebrauch gemacht hat – auf dieser Grundlage entzog das Landesarbeitsgericht dieser Kundenliste den vollständigen Geheimnisschutz. Der Fall zeigt, dass eine – den Anforderungen des GeschGehG genügende – Verschwiegenheitsklausel dringend zu empfehlen ist. (Siehe hierzu auch ESCHE Blog vom 12.11.2020: Ein Arbeitsvertrag als angemessene Geheimhaltungsmaßnahme). 

Neueste Konkretisierung der Anforderungen

Das Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 19.11.2020 – 2 U 575/19) hat nun jüngst die Anforderungen an angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen weiter konkretisiert. Ein Hersteller von Schaumsystemen und Klebstoffen nahm u. a. ein von ehemaligen Mitarbeitern gegründetes Unternehmen sowie den ehemaligen Geschäftsführer wegen der Verwendung von Rezepturen und Kundenlisten in Anspruch. 

Hinsichtlich der Anforderungen an angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen stellt das Oberlandesgericht die Mindestanforderung auf, dass

  • relevante Informationen nur Personen anvertraut werden dürfen, die die Informationen zur Durchführung ihrer Aufgaben zumindest potenziell benötigen und 
  • die zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. 

Darüber hinaus fordert das Oberlandesgericht, dass diese Personen 

  • Kenntnis von ihrer Verschwiegenheitspflicht Bezug auf die konkret in Rede stehenden Informationen haben. 

Ob darüber hinaus weitere Maßnahmen den Umständen nach zu ergreifen sind, richtet sich nach einer Gesamtbewertung des Einzelfalls. Als entscheidungserheblich für den Fall hat das Oberlandesgericht beispielsweise 

  • ein zugelassenes Speichern von Dateien mit Geschäftsgeheimnissen auf privaten Datenträgern,
  • eine fehlende Passwortsicherung,
  • eine Verwahrung von Papierdokumenten ohne Verhinderung eines Zugriffs unbefugter Personen,
  • einen fehlenden Verschluss der Unterlagen oder des Raums, in dem diese verwahrt werden oder
  • eine Erwartung zur Sicherstellung zeitnaher Beantwortung von Anfragen durch eine Vielzahl von Stellvertretern und damit einen größeren Kreis der in sensible Informationen eingeweihten Personen

als problematisch betrachtet. 

Fazit und Praxistipp

Den aufgestellten Mindestanforderungen kann und muss jedes Unternehmen genügen, damit sein Know-how nicht rechtlich ungeschützt dem Markt frei zur Verfügung steht. Ob darüber hinaus weitere Maßnahmen erforderlich sind, ist im Einzelfall zu entscheiden. 

In jedem Falle ist sicherzustellen, dass Verschwiegenheitsregelungen in Verträgen mit Mitarbeitern und Kunden der aktuellen Rechtslage entsprechen. Die vor Inkrafttreten des GeschGehG getroffenen Regelungen werden in aller Regel hierzu nicht genügen und sind anzupassen. 

Darüber hinaus erforderlich ist ein klares Berechtigungskonzept, nach dem nur diejenigen, die bestimmte Informationen für die Ausübung ihrer Funktion im Unternehmen bedürfen, auf diese Informationen Zugriff haben dürfen. 

Zur Umsetzung dieses Berechtigungskonzeptes sind die entsprechenden soft- und hardwaretechnischen Maßnahmen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in elektronischer Form einschließlich einer geeigneten Zugriffs- und Passwort-Policy und die entsprechenden physischen Barrieren zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in verkörperter Form zu treffen. Darüber sind die entsprechenden berechtigten Personen zu unterweisen.  

Nur wenn die geheimhaltungsbedürftige Information durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen entsprechend gesichert wurde und dadurch als geschütztes Geschäftsgeheimnis dem Anwendungsbereich des GeschGehG unterfällt, kann der Unternehmer im Verletzungsfall neben dem eigenen Mitarbeiter auch den Nutznießer (in der Regel ein unmittelbarer Wettbewerber) auf Unterlassung, Vernichtung, Rückruf, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch nehmen (§§ 6 ff. GeschGehG) und so weiteren Schaden von seinem Unternehmen abwenden.

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