Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales („BMAS“) hat am 16.04.2020 als Teil der Exit-Strategie vom derzeitigen Corona-Lockdown einen neuen Arbeitsschutzstandard veröffentlicht. Dieser Standard ist schon aus Compliance-Gründen von allen Unternehmen zu beachten, unabhängig davon, ob sie trotz der Beschränkungen ihren Betrieb offenhalten konnten oder ihren Betrieb alsbald wieder aufnehmen können.

Die Einhaltung des erforderlichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes ist eine zentrale Grundpflicht des Arbeitgebers. Die Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz sind auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls an geänderte Gegebenheiten anzupassen (vgl. § 3 Abs. 1 ArbSchG). Bei einer Verletzung dieser Schutzpflichten drohen nicht nur aufsichtsrechtliche Maßnahmen (z. B. Auflagen und Bußgelder), sondern im schlimmsten Fall sogar Schadenersatzansprüche der im Betrieb tätigen Personen oder Regressansprüche der Unfallversicherung.

Wesentliche Neuregelugen zusammengefasst

In dem jüngst veröffentlichten Arbeitsschutzstandard werden diese Pflichten im Hinblick auf die Corona-Pandemie konkretisiert. Weitere Konkretisierungen für die jeweilige Branche sind in Kürze seitens der zuständigen Unfallversicherungsträger zu erwarten. Zusammengefasst beinhaltet der neue SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandard insbesondere folgende Regelungen:

• Abstandsgebot von mindestens 1,5 Metern im Betrieb und an den Arbeitsplätzen 

• Bei unvermeidbarem Kontakt zu anderen Personen bzw. nicht einhaltbaren Schutzabständen ist vom Arbeitgeber ein Mundnasenschutz zur Verfügung zu stellen und von den Beschäftigten zu tragen

• Büroarbeit ist nach Möglichkeit im Homeoffice auszuführen, insbesondere, wenn das Abstandsgebot nicht eingehalten werden kann

• Dienstreisen und Präsenzveranstaltungen sollen auf das absolute Minimum reduziert werden, auf das Abstandsgebot muss geachtet werden

• Regeln zur Hygiene und Reinigung der Arbeitsplätze sowie Sanitärräume, Kantinen und Pausenräume, insbesondere in Pausenräumen und Kantinen müssen Schlangen vermieden werden und soll auf die Einhaltung des Abstandsgebotes hingewirkt werden 

• Regelungen zum Lüften in geschlossenen Räumen

• Infektionsschutzmaßnahmen für Baustellen, Landwirtschaft, Außen- und Lieferdienste, Transporte und Fahrten innerhalb des Betriebs

• Arbeitsmittel und Werkzeuge sollen nach Möglichkeit personenbezogen verwendet werden, bei Nutzung durch mehrere Personen ist vor der Übergabe eine Reinigung vorzusehen oder sind Schutzhandschuhe auszugeben

• Betriebsfremde Personen sind auf Schutzmaßnahmen hinzuweisen und Kontaktdaten sowie Zeitpunkt des Betretens/Verlassens des Betriebs ist zu dokumentieren

• Betriebliche Handlungsanweisung zur raschen Aufklärung von Verdachtsfällen auf COVID-19-Erkrankungen muss erstellt werden, u. a. Festlegung von Ansprechpartnern im Betrieb, Weisung zum Verlassen des Betriebs, Möglichkeit kontaktloser Fiebermessung usw. 

Der vollständige Text des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards in der vom BAMS veröffentlichten Version ist hier abrufbar.

Weil wir von einer länger andauernden Pandemie-Situation ausgehen müssen, kommt insbesondere der betrieblichen Handlungsanweisung zur raschen Aufklärung von (künftigen) Verdachtsfällen eine besondere Bedeutung zu. Diese muss dokumentiert werden. Es ist damit zu rechnen, dass die Gesundheitsämter oder Aufsichtsbehörden bei einer Häufung von COVID-19-Erkrankungen im Betrieb den Nachweis einer solchen betrieblichen Handlungsanweisung einfordern werden.  

Mitbestimmung des Betriebsrats

Bei den Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz ist die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu beachten, soweit die neuen Arbeitsschutzstandards dem Arbeitgeber einen Umsetzungs- und Handlungsspielraum einräumen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der ggf. zu ergreifenden alternativen Schutzmaßnahmen. Darüber hinaus wird die Einführung der betrieblichen Handlungsanweisung zur Aufklärung von Verdachtsfällen die Mitbestimmung bei der Einführung von Verhaltensregeln im Betrieb (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) berühren können. Ferner ist an die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Gestaltung der betrieblichen Arbeitszeit und Lage der Pausen (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) zu denken, wenn etwa Maßnahmen getroffen werden, um Warteschlangen in der Kantine zu vermeiden. In Unternehmen mit Betriebsräten bietet es sich an, die Vorgaben zur Einführung einer betrieblichen Handlungsanweisung zwecks Aufklärung von Verdachtsfällen und weitere mitbestimmte Angelegenheiten (z. B. Einführung von Kurzarbeit etc.) in einer sog. Pandemie-Betriebsvereinbarung zu regeln. 

In Betrieben ohne Betriebsrat kann der Arbeitgeber diese Arbeitsschutzstandards grundsätzlich einseitig einführen. Bei Fragen zur Einführung von Pandemie-Regelungen und insbesondere zur Einführung von Kurzarbeit und Beantragung von Kurzarbeitergeld unterstützt Sie unser 13-köpfiges Arbeitsrechtsteam sehr gerne. 

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