Das OLG Hamburg hat eine für internationale Lieferverträge wichtige Rechtsfrage geklärt und der Manipulation des Gerichtsstands („Forum Shopping“) durch Forderungsabtretung einen Riegel vorgeschoben.
Der Schuldner einer Geldforderung kann sich grundsätzlich gegen eine Abtretung einer Geldforderung an ein Unternehmen, das in einem anderen Land seinen Sitz hat als der ursprüngliche Gläubiger, nicht wehren. Muss der Schuldner deshalb in Kauf nehmen, dass er in Folge der Abtretung überall auf der Welt verklagt werden kann? Das wäre zu bejahen, wenn die internationale Gerichtszuständigkeit durch eine Abtretung der Kaufpreisforderung beeinflusst werden könnte.
Mit dieser Thematik hatte sich jüngst das OLG Hamburg zu beschäftigen.
Sachverhalt
Ein Unternehmen aus dem europäischen Ausland (hier: der Schweiz) kaufte einen Posten Spielwaren von einem Hersteller aus Taiwan.
Aus ungeklärten Gründen – wohl aufgrund krimineller Machenschaften – kam die Kaufpreiszahlung in Taiwan nicht an.
Der taiwanesische Produzent behielt daher das Konnossement (Frachtbrief, „bill of lading“) für die Waren ein.
Aufgrund eines internen Fehlers lieferte die den Transport ausführende Spedition mit Sitz in Deutschland den Container trotzdem bei der Käuferin in der Schweiz ab. Die Spedition musste daraufhin dem taiwanesischen Produzenten Schadensersatz leisten.
Im Gegenzug trat der taiwanesische Produzent die Kaufpreisforderung an die deutsche Spedition ab. Die Spedition klagte auf (erneute) Zahlung aus der abgetretenen Forderung. Aus Bequemlichkeit und aus Kostengründen erhob sie die Klage nicht in der Schweiz, sondern in Deutschland – ein folgenschwerer Fehler, wie sich herausstellen sollte.
Die Schweizer Käuferin verteidigte sich mit der internationalen Unzuständigkeit der deutschen Gerichte.
Grundsatz: Keine Klage im Drittstaat
Eine Zuständigkeit der Gerichte im Drittstaat Deutschland war nach den einschlägigen internationalen Regelwerken (Lugano-Übereinkommen bzw. Brüssel Ia-VO) zu verneinen.
Damit stellte sich die Frage, ob die Abtretung der Kaufpreisforderung an die Spedition mit Sitz in Deutschland etwas an der fehlenden Zuständigkeit ändern konnte. Diese Frage war bislang umstritten, wobei sich vor allem das OLG Celle (Urteil vom 11.11.1998, 9 U 87/98) für eine Zuständigkeitsänderung durch Abtretung ausgesprochen hatte.
Internationale Forderungsabtretungen – verklagt werden am anderen Ende der Welt?
Wenn man den Fall aus der Perspektive der hiesigen Käuferin betrachtet, wird schnell klar, dass die praktischen Konsequenzen der Fragestellung beachtlich sind. Da sich der Schuldner eine Geldforderung gegen eine Abtretung in ein anderes Land grundsätzlich nicht wehren kann, müsste er sich theoretisch überall auf der Welt verklagen lassen, wenn man die Auffassung des OLG Celle für richtig hält.
Die Auffassung des OLG Celle kollidierte also mit dem Grundsatz des Beklagtenschutzes, das die Vorschriften der Brüssel Ia-VO und des LugÜ durchzieht. Nichtsdestotrotz hatte sie bislang in der Rechtsliteratur durchaus Anhänger.
Die Lösung des OLG Hamburg
Das OLG Hamburg (Urteil vom 14.10.2021, 6 U 116/20) berief sich hingegen vorliegend auf den Europäischen Gerichtshof EuGH (Urteil vom 18.07.2013, C-147/12).
Dieser hatte bereits zur deliktischen Haftung entschieden, dass sich eine Forderungsabtretung nicht auf die internationale Zuständigkeit der Gerichte auswirken dürfe. Das OLG Hamburg übertrug diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall.
Im Ergebnis waren also die deutschen Gerichte trotz der Abtretung an die deutsche Spedition weiterhin nicht zuständig.
Das Ende vom Lied
Die Klage wurde als unzulässig abgewiesen. Der Spedition bleibt es aber unbenommen, ihr Glück aufs Neue in der Schweiz oder vielleicht auch in Taiwan zu versuchen.
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