Hunderttausende Betriebe haben in Deutschland als eine Antwort auf den Einbruch der Auftragslage und behördliche Schließungsanordnungen im Zuge des nunmehr seit Mitte März andauernden Lockdowns wegen der COVID 19-Pandemie mit der Einführung von Kurzarbeit reagiert. Mit Stand vom 26.04.2020 haben die Unternehmen in Deutschland für 10,1 Millionen Arbeitnehmer Kurzarbeit beantragt. Aber was ist, wenn Arbeitgeber zwischenzeitlich zur Erkenntnis gelangen, dass diese Maßnahmen nicht mehr ausreichen, weil die Prognose für einen dauerhaften Wegfall von Arbeitsplätzen besteht? Mit der Frage, ob betriebsbedingte Kündigungen in Unternehmen und Betrieben möglich sind, die Kurzarbeit angemeldet haben, befassen wir in uns in diesem Teil unserer Blog-Reihe. In Teil 2 geht es dann um die Auswirkung von Kündigungen auf den Anspruch auf Kurzarbeitergeld.
Kann während Kurzarbeit gekündigt werden?
Grundsätzlich ja. Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 26.06.1997 – 2 AZR 494/96) sind nicht nur personen- und verhaltensbedingte Kündigungen, sondern auch Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen zulässig. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich der Arbeitgeber – etwa um die Zustimmung von Betriebsrat oder Arbeitnehmern zur Einführung von Kurzarbeit zu erlangen – zum Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen während der Kurzarbeitsphase verpflichtet hat.
Stellt ein Arbeitgeber nach Einführung der Kurzarbeit fest, dass sich die Beschäftigungssituation so sehr verschlechtert hat, dass der Arbeitsausfall nicht mehr vorübergehend ist, sondern Arbeitsplätze dauerhaft entfallen, kann er betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Zur sozialen Rechtfertigung der Kündigungen nach § 1 Abs 2 KSchG hat er die Tatsachen näher darzulegen, aus denen sich ergibt, dass zukünftig auf Dauer mit einem reduzierten Arbeitsvolumen und Beschäftigungsbedarf zu rechnen ist. Es muss sich dabei um andere bzw. weitergehende Gründe handeln als die bereits für die Glaubhaftmachung des erheblichen Arbeitsausfalls als Grundlage von Kurzarbeit herangezogenen und damit verbrauchten Gründe (BAG 23.02.2012 – 2 AZR 548/10).
Kann Kurzarbeit statt betriebsbedingter Kündigungen verlangt werden?
Weder Betriebsrat noch betroffene Arbeitnehmer können gegen die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung erfolgreich einwenden, der Arbeitgeber hätte zunächst versuchen müssen, den Arbeitsplatz über die Einführung von Kurzarbeit zu erhalten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitsausfall nach Prognose des Arbeitgebers dauerhaft ist (BAG 11.09.1986 – 2 AZR 564/85). Anders ist dies, wenn ein Arbeitgeber bereits Kurzarbeit eingeführt hat und sich dann zu betriebsbedingten Kündigungen entscheidet. Wurde durch die Einführung von Kurzarbeit der Umfang der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit auf ein Niveau abgesenkt, dass den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen gerade überflüssig macht, so kann ein dringendes betriebliches Kündigungserfordernis regelmäßig erst dann angenommen werden, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit zur Arbeitszeitreduzierung voll ausgeschöpft hat und gleichwohl noch ein Beschäftigungsüberhang besteht (vgl. BAG 23.02.2012 – 2 AZR 548/10).
Muss Kurzarbeit insgesamt beendet werden, wenn nur in einzelnen Betriebsabteilungen Kündigungen ausgesprochen werden?
Nein, Kurzarbeit kann in den nicht betroffenen Betriebsabteilungen fortgeführt werden, wenn in diesen zwar weiterhin ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall i.S.d. §§ 95 ff. SGB III besteht, sich aber an der positiven Fortführungsprognose nichts geändert hat. Der Arbeitsausfall dieser Arbeitnehmer muss also weiterhin vorübergehend sein. Das gilt sogar auch für andere Arbeitnehmer der von Kündigungen betroffenen Betriebsabteilung, z. B. wenn feststeht, dass bestimmte Aufgaben dauerhaft wegfallen oder sich dauerhaft reduzieren, andere aber verbleiben. Es ist dann eine Frage der – betriebsweiten – Sozialauswahl, wer gekündigt wird und welcher Arbeitnehmer in Kurzarbeit im Arbeitsverhältnis verbleibt.
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