Neueinstellungen und Kurzarbeit scheinen auf den ersten Blick unvereinbar zu sein. Bei einer wohlmöglich länger andauernden Kurzarbeit lassen sich Personalaustritte im Unternehmen aber nicht vermeiden. In diesem 3. Teil unserer Blog-Reihe behandeln wir, was Sie bei Neueinstellungen während der Kurzarbeit beachten müssen.

In dem nachfolgenden 4. Teil der Blog-Reihe widmen wir uns dann dem Fahrplan einer Restrukturierung.

Prognose des erheblichen, nicht vermeidbaren Arbeitsausfalls
Der angezeigte Arbeitsausfall basiert auf einer Prognose. Wegen wirtschaftlicher Gründe oder eines unabwendbaren Ereignisses sieht sich der Arbeitgeber gezwungen, vorerst die Arbeitszeit entsprechend des verminderten Arbeitsanfalls zu reduzieren und verfolgt damit zumeist auch das Ziel, die Personalkosten zu senken. Für eine wirksame Anordnung von Kurzarbeit und den damit ggfs. verbundenen Bezug von Kurzarbeitergeld muss es sich nach dem Gesetz dabei allerdings um einen vorübergehenden und nicht vermeidbaren Arbeitsausfall handeln. Ob diese Voraussetzungen tatsächlich vorlagen, überprüft die Agentur für Arbeit erst viel später im sog. Leistungsverfahren, wenn das Kurzarbeitergeld längst ausgezahlt wurde. Ein kurzfristig erlassener positiver Anerkennungsbescheid unmittelbar nach Anzeige des Arbeitsausfalls ändert daran nichts.

Nach § 96 Abs. 4 S. 1 SGB III ist ein Arbeitsausfall nicht vermeidbar, wenn in einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Bedeutet dies, dass der Arbeitgeber auf die Nachbesetzung einer freigewordenen Stelle verzichten muss, wenn es ebenso möglich ist, den Personalbedarf dadurch abzudecken, andere Arbeitnehmer ganz oder teilweise aus der Kurzarbeit zurückzuholen? Gilt dies auch, wenn die anderen Arbeitnehmer nur einen Teil der Aufgaben übernehmen können oder hierfür nicht gleichermaßen qualifiziert sind, wie ein Bewerber für die freigewordene Stelle. Das Gesetz und auch die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit schweigen hierzu.

Zumutbare Personalmaßnahmen – Wahlmöglichkeit?
Es gilt zu unterscheiden:

  1. Zeitweise Umsetzung in vollarbeitende Abteilungen
    Kann Kurzarbeit in einer Abteilung vermieden werden, indem einzelne Arbeitnehmer in rechtlich zulässigerweise (hier sind insofern die arbeitsvertraglichen Regelungen maßgeblich) in einer anderen vollarbeitenden Abteilung desselben Betriebs vorübergehend zur Unterstützung eingesetzt werden können, kann dies eine für den Arbeitgeber zumutbare Umsetzung des ansonsten von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmers sein. Ist das der Fall, ist eine solche Umsetzung vorzunehmen, um nicht das Vorliegen der Voraussetzungen für Kurzarbeit für die übrige Abteilung zu gefährden.
  2. Teilweise Rückkehr zur Vollarbeit statt Neueinstellung
    Rechtlich problematisch ist hingegen folgendes Beispiel: In einer Abteilung, beispielsweise dem Vertrieb mit einem 5-köpfigen Team, wurde die Arbeitszeit im Rahmen der Anordnung von Kurzarbeit auf 50 % der Vollarbeit reduziert. Infolge der Eigenkündigung eines Arbeitnehmers wird ein Arbeitsplatz frei. Der Arbeitsplatz könnte entweder nachbesetzt werden oder durch eine neue Aufteilung der Kunden bzw. Umverteilung der Aufgaben könnte die Arbeitszeit der vier verbliebenen Arbeitnehmer auf jeweils 75 % der Vollarbeit zurückgeführt werden. Muss der Arbeitgeber in diesem Fall auf die Nachbesetzung der freien Stelle verzichten und die Kurzarbeit bei den verbliebenen vier Arbeitnehmern zumindest teilweise zurückfahren?

Die letztgenannte Fallkonstellation wurde soweit ersichtlich bislang in der Rechtsprechung nicht behandelt. In der Fachlichen Weisung der Bundesagentur für Arbeit zum Kurzarbeitergeld finden sich ebenfalls keine Hinweise, wie der Fall zu behandeln wäre. Die Grenze der Zumutbarkeit wird in beiden Fällen jedenfalls der Arbeitsvertrag der übrigen vier Mitarbeiter setzen. Es kann vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, rechtlich unzulässige Umsetzungen oder Versetzungen vorzunehmen. Ob die Umsetzung oder Versetzung rechtlich zulässig ist, bemisst sich nach der Reichweite des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts oder eines vereinbarten Versetzungsvorbehaltes.

Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers 
Möglich wäre auch, die Grenze der Zumutbarkeit nach dem Sinn und Zweck des Kurzarbeitergeldes zu bemessen. Kurzarbeitergeld soll betriebsbedingte Entlassungen vermeiden. Es wird teilweise vertreten, dass zumutbar nur solche Vorkehrungen sein können, die wirtschaftlich vernünftig und finanziell vertretbar sind. Insoweit käme dem Arbeitgeber wahrscheinlich ein Beurteilungsspielraum zu. Er müsste mit plausiblen Gründen darlegen können, weshalb die Neueinstellung eher zu einem Erhalt der Arbeitsplätze insgesamt beitragen würde als ein Verzicht auf die Neueinstellung.

Ob eine nur plausible Begründung hierfür ausreicht, werden im Zweifel die Sozialgerichte entscheiden müssen. Vorsichtige Arbeitgeber werden eher auf die Neueinstellung verzichten müssen, sofern nicht zwingende Gründe i.S.v. § 98 Abs. 1 Nr. 1 SGB III für die Neueinstellung sprechen.

Persönliche Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld
Grundsätzlich haben Arbeitnehmer, die erst nach Beginn des bereits angezeigten Arbeitsausfalls im kurzarbeitenden Betrieb eine Beschäftigung aufnehmen, keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Ausnahmsweise wird ein solcher Anspruch allerdings gemäß § 98 Abs. 1 Nr. 1b SGB III dennoch gewährt, wenn die Arbeitsaufnahme aus zwingenden Gründen geboten ist.

Weder im Gesetz noch in den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit sind diese „zwingenden Gründe“ näher umschrieben, sodass hier wohl verschiedenste Gründe Berücksichtigung finden können, soweit diese „einiges Gewicht“ haben. Die Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit vom 20.12.2018 (Randziffer 98.9 auf Seite 46) führen lediglich aus, dass derartige zwingende Gründe zur Aufnahme einer Beschäftigung vertraglicher, betrieblicher oder gesetzlicher Art sein können.

  1. Einstellung einer unentbehrlichen Fachkraft
    Anerkannt ist das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld, wenn eine nicht entbehrliche Fachkraft unumgänglich eingestellt werden muss, um die Weiterführung des Betriebes insgesamt zu gewährleisten. Wann genau ein Arbeitnehmer als Fachkraft in diesem Sinne gilt, ist indes nicht eindeutig geregelt. Alleine eine fachlich herausragende Qualifikation wird hierfür wohl nicht ausreichen – entscheidendes Prüfkriterium wird die – im Streitfalle vom Arbeitgeber darzulegende –  Unentbehrlichkeit sein.
  2. Rechtsverpflichtung des Arbeitgebers zur Einstellung
    Nach einigen Stimmen in der Fachliteratur kommt zudem eine Rechtsverpflichtung des Arbeitgebers aus einem vor Einführung der Kurzarbeit abgeschlossenen Arbeitsverhältnis in Betracht. Hier könne der Arbeitgeber zwar evtl. auch schon vor Arbeitsantritt – entweder gemäß arbeitsvertraglicher Vereinbarung oder aus betriebsbedingten Gründen – kündigen, dies müsse er aber nicht, sofern eine Vertragsauflösung im Einzelfall unzumutbar ist. Hier sei es auch im Sinne der Agentur für Arbeit, besser Kurzarbeitergeld als Arbeitslosengeld zu zahlen.
    Inwiefern sich diese Auffassung in einem etwaigen sozialgerichtlichen Prozess erfolgreich vertreten lässt, ist unklar.
  3. Gute Argumente – aber keine Rechtssicherheit
    Im Einzelfall ist mit guten Argumenten also ggfs. denkbar, dass auch Arbeitnehmer, die während laufender Kurzarbeit erstmalig eine Tätigkeit im Betrieb aufnehmen, kurzarbeitergeldberechtigt sind. Das ist jedenfalls dann ggfs. denkbar, wenn der zugrundeliegende Arbeitsvertrag vor der Aufnahme der Kurzarbeit abgeschlossen wurde, oder es sich um eine unentbehrliche Fachkraft handelt. In erstgenannter Konstellation dürfte allerdings maßgeblich sein, ob der Arbeitsausfall im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages bereits bekannt war.

Einstellungen ohne Bezug von Kurzarbeitergeld jederzeit möglich?
Nach den vielen aufgezeigten Unsicherheiten, die bei einer langfristigen Kurzarbeit und etwaigen Personalfluktuationen entstehen, könnten Arbeitgeber die Idee entwickeln, freigewordene Arbeitsplätze mit neuen Arbeitnehmern zu besetzen, diese aber zunächst nur in Teilzeit entsprechend der im Betrieb sonst geltenden Kurzarbeitszeit zu beschäftigten und auf die Beantragung von Kurzarbeitergeld für diese neuen Arbeitnehmer zu verzichten. Ob dieser Personalzuwachs der Agentur für Arbeit bei einer Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld auffällt und problematisiert wird, ist nicht sicher. Kurzarbeit muss für diese neuen Arbeitnehmer jedenfalls nicht unbedingt zwingend angezeigt werden. Vor dem Hintergrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist allerdings fraglich, ob ein solches Vorgehen vor dem Hintergrund drohender Individualrechtsstreitigkeiten mit kurzarbeitenden Arbeitnehmern ratsam ist.

Risiken eingehen – aber mit Vorsicht
Besondere Vorsicht ist bei der Neueinstellung von Arbeitnehmern während der Kurzarbeit in jedem Fall geboten. Im Zweifel sollte nach Ausarbeitung einer überzeugenden Prognose und Begründung, warum die Neueinstellung aus Unternehmersicht zwingend war, Rücksprache mit der örtlichen Agentur für Arbeit gehalten werden. Denn jede Neueinstellung kann unter Umständen, wie oben aufgezeigt, Zweifel am Vorliegen des Arbeitsausfalls insgesamt wecken, zumindest aber die Frage aufwerfen, ob dieser Arbeitsausfall vermeidbar war. Im Ergebnis wird damit das Kurzarbeitergeld für sämtliche im Betrieb betroffene Arbeitnehmer riskiert, was zu einer vollumfänglichen Haftung des Unternehmens für die ungekürzten Arbeitsentgelte führen kann, sofern das Kurzarbeitergeld mangels Vorliegen der Voraussetzungen verwehrt wird.

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