Während der Kurzarbeit sind Neueinstellungen bekanntlich nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Aber was gilt bei einer Filialnetzerweiterung oder allgemein der Akquise neuer Betriebe oder Betriebsteile? Gelten die dadurch übergehenden Mitarbeiter als Neueinstellungen und gefährden die Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldes?
Das Thema Kurzarbeit ist in vielen Unternehmen seit nahezu einem Jahr ein Dauerbrenner. Durch den Lockdown wird das Thema für viele wieder aktuell – gleichzeitig besteht aber der Wunsch nach Expansion. Vielfach stellt sich daher die Frage, ob Unternehmen andere Betriebe oder Betriebsteile ohne ein Risiko für den Bezug von Kurzarbeitergeld (Kug) übernehmen können. Diese Frage wird sowohl für den bestehenden Betrieb relevant, in dem bereits Kurzarbeit (im ganzen Betrieb oder einzelnen Abteilungen) eingeführt wurde, als auch für den Betrieb(steil), der übernommen wird, in welchem die Arbeitnehmer ggf. bereits seit längerem „kurzarbeiten“.
Neueinstellungen während der Kurzarbeit
Voraussetzung für den Bezug von Kug ist unter anderem das Vorliegen eines unvermeidbaren erheblichen Arbeitsausfalls (aktuell: mind. 10 % der Beschäftigten sind von einem Entgeltausfall von mind. 10 % betroffen). Neueinstellungen sind während des Bezugs von Kug nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Es bedarf zumindest eines plausiblen Grundes, z. B. der Erforderlichkeit besonderer Qualifikationen für die Ausübung einer Position, die kein Bestandsmitarbeiter vorweisen kann. Wenn ein solcher Grund nicht vorliegt, besteht das Risiko, dass der „erhebliche Arbeitsausfall“ von der Agentur für Arbeit als vermeidbar angesehen wird und somit die Voraussetzungen für das Kug entfallen – mit der Folge des Verlusts von Kug für den gesamten Betrieb.
Der neu eingestellte Arbeitnehmer darf nur dann Kug beziehen, wenn seine Einstellung aus zwingenden Gründen erforderlich war (§ 98 Abs. 1 SGB III, Rn. 98.9 der noch aktuellen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit v. 20.12.2018).
Betriebsübergänge sind keine Neueinstellungen
Angesichts des hohen Risikos bei Neueinstellungen sind Personaler alarmiert: Bei Betriebsübergängen, z. B. durch Akquise einer neuen Filiale und Übernahme eines Betriebs(teiles) gehen gem. § 613a Abs. 1 BGB auch die Arbeitsverhältnisse als gesetzliche Folge auf den Erwerber über. Einer gesonderten Vereinbarung bedarf es hierfür nicht. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich hierbei nach derzeit überwiegender Meinung (gerichtlich ungeklärt) nicht um eine schädliche Neueinstellung handelt, die den grundsätzlichen Bezug von Kug im bestehenden Betrieb gefährdet. Rechtsgrund für die Übernahme der Filialen ist nämlich nicht die Neueinstellung eines oder mehrerer Arbeitnehmer, sondern der Kauf- und Übertragungsvertrag, der dem Betriebsübergang zugrunde liegt. Der Erwerb z. B. einer Filiale umfasst regelmäßig den Betrieb als Ganzes. Die gesetzliche Folge der Übernahme der Arbeitnehmer ist gem. § 613a Abs. 1 BGB zwingend, eine konkrete Einstellungsentscheidung wird also nicht getroffen. Der Arbeitgeber hat demnach keinen Ermessensspielraum, von der Übernahme der Arbeitnehmer abzusehen und stattdessen einen Bestandsmitarbeiter auf einem Arbeitsplatz des neu erworbenen Betriebs einzusetzen. Damit bleibt im bestehenden Betrieb der Arbeitsausfall unvermeidbar.
Auswirkungen und Praxishinweise
Wenngleich die Übernahme neuer Betriebe oder Betriebsteile wohl keine schädlichen Neueinstellungen bewirkt, so muss im Einzelfall dennoch die Auswirkung auf die Anspruchsvoraussetzungen des Kugs geprüft werden. Maßgeblich hierfür ist, ob die Kurzarbeit für einen einheitlichen Betrieb oder lediglich für einzelne Betriebsabteilungen angezeigt wurde. Übernimmt ein Unternehmen einen weiteren Betrieb, der eigenständig bleibt, so kann die Kurzarbeit in den einzelnen Betrieben wie zuvor fortgeführt werden. Dies gilt auch für den Fall, dass sich lediglich einzelne Betriebsabteilungen, z. B. einzelne Filialen in Kurzarbeit befinden – in diesem Fall kann eine neue Betriebsabteilung regelmäßig risikolos übernommen werden. Hier muss lediglich die Betriebsnummer geändert werden, da die neue Betriebsabteilung nunmehr dem alten Betrieb angehört. Sofern jedoch für den gesamten Betrieb Kurzarbeit eingeführt ist und der neue Betrieb in den vorhandenen Betrieb integriert wird, sollte bei der Akquise darauf geachtet werden, ob die Voraussetzungen der Kurzarbeit weiterhin – auf den gesamten Betrieb bezogen – vorliegen. Dies insbesondere, wenn auch für den neu erworbenen Betrieb(steil) Kurzarbeit in Betracht gezogen wird.
Bei Betriebsübergängen ist zu empfehlen, sich wegen des konkreten Sachverhalts vorab an die jeweils zuständige Agentur für Arbeit (oder den Rechtsberater) zu wenden, da es hier – wie in vielen Fragen der Kurzarbeit – regionale Unterschiede in der Betrachtung und Handhabung geben kann.
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