Das Finanzgericht Münster hat mit Urteil vom 04.11.2015 (9 K 3478/13 F) entschieden, dass körperschaftsteuerliche Verlustvorträge auch dann nach § 8c KStG entfallen, wenn die Anteile an der Kapitalgesellschaft unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen werden.

Rechtlicher Hintergrund

Werden innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals einer Kapitalgesellschaft an einen Erwerber oder eine diesem nahestehende Person übertragen (oder liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor; "schädlicher Beteiligungserwerb"), so sind die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten körperschaftsteuerlichen Verluste anteilig nicht mehr abziehbar (§ 8c Abs. 1 S. 1 KStG). Nach § 8c Abs. 1 S. 2 KStG gehen die Verluste vollständig unter, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals der Kapitalgesellschaft übertragen werden. Diese Abzugsbeschränkung des § 8c KStG wird von der Finanzverwaltung auf alle nicht ausgeglichenen und nicht abgezogenen negativen Einkünfte angewendet, insbesondere auch auf die Verluste im Rahmen von § 15 Abs. 4, 15a und 15b EStG sowie 4h EStG (Zinsvortrag) und auf die gewerbesteuerlichen Fehlbeträge.

Nach der Verwaltungsauffassung (BMF-Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 - S 2745 - a/08/10001, DStR 2008, 1436) soll jedoch weder im Erbfall noch im Fall der unentgeltlichen Erbauseinandersetzung oder im Fall der unentgeltlichen vorweggenommenen Erbfolge ein schädlicher Beteiligungserwerb vorliegen. Eine vorweggenommene Erbfolge ist nach Definition der Verwaltungspraxis regelmäßig dann gegeben, wenn Vermögen unter Lebenden mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge übertragen wird und der Übernehmer nach dem Willen der Beteiligten wenigstens teilweise eine unentgeltliche Zuwendung erhalten soll.

Entscheidung des FG Münster

Das Finanzgericht Münster folgt der Verwaltungsauffassung nicht. Auch Übertragungen im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge würden schon nach dem Wortlaut des § 8c KStG zum Ausschluss des Verlustabzugs führen. Aus den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens ergebe sich ebenfalls keine andere Auslegung, da insoweit ausschließlich der privilegierte Erwerb durch Erbfall oder durch Erbauseinandersetzung angedacht worden sei. Da der Zweck von § 8c KStG nicht auf die Vermeidung missbräuchlicher Gestaltung beschränkt sei, sei darüber hinaus eine Gleichbehandlung von Erbfall und vorweggenommener Erbfolge nicht notwendig. Im zugrunde liegenden Fall führte diese Wertung zum Verlust nicht verbrauchter körperschaftsteuerlicher Verluste in Folge einer Schenkung von GmbH-Anteilen vom Vater an den Sohn.

Das Finanzgericht Münster vertritt zudem die Auffassung, dass auch ein auf das BMF-Schreiben gestützter Billigkeitsantrag keinen Erfolg habe. Vielmehr verstoße die Auffassung der Finanzverwaltung zur Herausnahme der vorweggenommenen Erbfolge aus dem Anwendungsbereich des § 8c KStG gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts und könne daher keine Grundlage für eine Billigkeitsannahme bieten.

Ergänzend wies das Finanzgericht Münster darauf hin, dass der Anspruch auf eine Billigkeitsmaßnahme auch an der ermessensfehlerfreien Ablehnung durch die Finanzverwaltung scheitern könne. Im Streitfall lag nach Einschätzung des Finanzamtes keine vorweggenommene Erbfolge vor, da die Anrechnungspflicht auf die spätere Erbschaft (§ 2050 BGB) vertraglich ausgeschlossen wurde.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wurde zugelassen.

Fazit

Vor diesem Hintergrund muss aktuell stets zur Einholung einer verbindlichen Auskunft bei geplanter vorweggenommenen Erbfolge geraten werden, wenn nicht verbrauchte bzw. nicht genutzte Verlustvorträge bestehen und diese die im Inland steuerpflichtigen stillen Reserven des Betriebsvermögens übersteigen.

Dabei ist auch zu beachten, dass die Definition der "vorweggenommenen Erbfolge" von den Finanzämtern durchaus unterschiedlich verstanden werden kann. Im vom FG Münster entschiedenen Fall sollte trotz unentgeltlicher Übertragung auf den Sohn eine vorweggenommene Erbfolge aus Sicht des zuständigen Finanzamtes ausscheiden, weil im Zuge der Übertragung die Anrechnungspflicht nach § 2050 BGB ausgeschlossen wurde.

Autoren: Christian Hornburg, Iring Christopeit, LL.M.