Der Krimi um die Senkung der Umsatzsteuer im Eilverfahren geht in die letzte Runde. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat kurz nach dem Erlass von drei Entwürfen (vom 11., 23. und 26.06.2020) nun die endgültige Fassung eines begleitenden BMF- Schreibens mit Datum vom 30.6.2020 veröffentlicht. Neue Erkenntnisse und Hinweise für die praktische Umsetzung haben wir für Sie in unserem Update zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes zusammengefasst.

In unserem Blog vom 17.6.2020 haben wir zuletzt über die Senkung der Umsatzsteuer vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2020 berichtet. Der reguläre Steuersatz soll von 19 % auf 16 %, der reduzierte Steuersatz von 7 % auf 5 % sinken. Begleitend zu dem im Eilverfahren, mittlerweile abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren hat das Bundesministerium der Finanzen nun das begleitende BMF-Schreiben mit den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmt und am 30.6.2020 veröffentlicht. Wir nehmen dies zum Anlass, die wesentlichen Änderungen der finalen Fassung zu der ersten Entwurfsfassung vom 11.06.2020 für Sie zusammenzufassen.

Nichtbeanstandungsregelung für zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer im B2B-Bereich bis 1.8.2020
Das BMF-Schreiben stellt unter Beachtung der gesetzlichen Grundsätze erwartungsgemäß zunächst klar, dass ein Steuerausweis von 19 % bzw. 7 % auf Rechnungen über Leistungen, die nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.1.2021 erbracht werden, einen unrichtigen Steuerausweises nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 14c Abs. 1 UStG begründet. In der Folge ist ein Vorsteuerabzug für den Leistungsempfänger insoweit nicht zulässig. Eine Rechnungsberichtigung ist jedoch möglich.

Diesbezüglich sieht das BMF-Schreiben im B2B-Bereich für den Zeitraum vom 1.7.2020 bis 31.07.2020 eine Nichtbeanstandungsregelung vor, wenn für den ausgeführten Umsatz an einen anderen Unternehmer 19 % anstelle von 16 % bzw. 7 % anstelle von 5 % Umsatzsteuer ausgewiesen wird und dieser Steuerbetrag auch im Rahmen der Umsatzsteuer-Voranmeldung an das Finanzamt abgeführt wurde. Für Umsätze, für die der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG (Reverse-Charge Verfahren, Bauleistungen, etc.) schuldet, gilt dies entsprechend.

Einem zum Vorsteuerabzug berechtigten Leistungsempfänger wird aus Gründen der Praktikabilität aus derartigen unrichtigen Rechnungen auch für die nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.8.2020 seitens eines Unternehmers erbrachte Leistung ein Vorsteuerabzug in voller Höhe gewährt.

Senkung des Umsatzsteuersatzes für bestimmte land- und forstwirtschaftliche Produkte
Der erste Entwurf des BMF-Schreibens vom 11.6.2020 nahm ausschließlich zur Senkung der Umsatzsteuersätze gem. § 12 UStG von 19 % auf 16 % bzw. für ermäßigt besteuerte Umsätze von 7 % auf 5 % Stellung. Darin inbegriffen waren auch die Einfuhrumsatzsteuer, innergemeinschaftliche Erwerbe und das Reverse-Charge-Verfahren – beschränkt auf Lieferungen und Leistungen, die zwischen dem 1.7.2020 und 31.12.2020 vorgenommen werden. Nunmehr erweitert die finale Fassung des BMF-Schreibens den Anwendungsbereich auf den geltenden Steuersatz von 19 Prozent für die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG für Lieferungen bestimmter Sägewerkserzeugnisse, von Getränken und alkoholischen Flüssigkeiten und senkt auch für diese Umsätze den Steuersatz auf 16 %.

Umsatzsteuer-Voranmeldung
Die Bemessungsgrundlage für Lieferungen und sonstige Leistungen und innergemeinschaftliche Erwerbe zu 16 Prozent und 5 Prozent sowie der dazugehörige Steuerbetrag sind in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Voranmeldungszeitraum der Leistungsausführung im Jahr 2020 und in der Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr 2020 gesammelt in den Kennzahlen für Umsätze zu anderen Steuersätzen einzutragen (Zeilen 28 und 35 der Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. Zeilen 45, 84 und 96 der Umsatzsteuererklärung). Eine Differenzierung zwischen Umsätzen zum allgemeinen Steuersatz und Umsätzen zum ermäßigten Steuersatz ist dabei nicht vorzunehmen.

Für Umsätze land- und forstwirtschaftlicher Betriebe nach § 24 UStG gelten besondere Bestimmungen; insofern verweist das BMF-Schreiben auf die neu gefasste Anleitung zur Umsatzsteuer-Voranmeldung 2020.

Die Bemessungsgrundlage und die selbst ermittelte Umsatzsteuer für Umsätze, bei denen der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG schuldet, sind unabhängig vom anzuwendenden Steuersatz in den bestehenden Kennzahlen zu erfassen (Zeilen 48 bis 50 der Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. Zeilen 99 bis 101 der Umsatzsteuererklärung).

Darüber hinaus sieht das BMF-Schreiben für Anzahlungen, die vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung mit einem zu hohen Steuerausweis geleistet wurden und sich auf einen im Zeitraum nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.1.2021 ausgeführten Umsatz beziehen, keinen Eintrag in Zeile 62 vor.

Entstehung der Steuer bei Vorausrechnungen
Wird bereits vor Ausführung des Umsatzes eine Vorausrechnung gestellt und das Entgelt vereinnahmt, entsteht die Umsatzsteuer grundsätzlich in dem Umsatzsteuer-Voranmeldezeitraum der Vereinnahmung des Entgeltes. Der Steuersatz für Vorausrechnungen, die noch vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung vereinnahmt wurden, beträgt damit grundsätzlich 19 % bzw. 7 %.

Wird die Leistung im Zeitraum des abgesenkten Umsatzsteuersatzes erbracht, so muss der leistende Unternehmer sowohl eine Korrektur der Rechnung als auch der Umsatzsteuervoranmeldung im Voranmeldungszeitraum der tatsächlichen Leistungserbringung vornehmen. Dasselbe gilt nach Erhalt der korrigierten Rechnung für den Leistungsempfänger in Bezug auf seinen Vorsteuerabzug.

Entgeltminderungen und -erhöhungen
Tritt nach dem 30.6.2020 eine Minderung oder Erhöhung der Bemessungsgrundlage für einen vor dem 1.7.2020 ausgeführten Umsatz ein (z. B. durch Skonto, Rabatt oder einen sonstigen Preisnachlass oder durch Nachberechnung), hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Hierzu stellt das BMF-Schreiben vom 30.6.2020 klar, dass in den Fällen der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG der Leistungsempfänger die Berichtigung des Steuerbetrages vorzunehmen hat. Sowohl im Falle der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten als auch im Falle der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ist der bis zum 30.6.2020 geltende Umsatzsteuersatz von 19 % bzw. 7 % anzuwenden. Das Gleiche gilt für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs.

Anpassung der Vertragsgrundlagen bei Dauerleistungen
Verträge über Dauerleistungen, die als Rechnung anzusehen sind, sind an die nach dem 30. Juni 2020 und vor dem 1. Januar 2021 geltenden Umsatzsteuersätze anzupassen. Insoweit ist es möglich eine Anpassung des Vertrags durch ein von beiden Parteien zu unterzeichnendes, den Vertrag ergänzendes Dokument vorzunehmen. Dieses muss unter Bezug auf den Vertrag alle erforderlichen Anpassungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 enthalten. Darüber hinaus müssen für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers aus dem Vertrag und den ergänzenden Unterlagen alle erforderlichen Pflichtangaben einer Rechnung hervorgehen.

Gutscheine
Bereits in unserem Blog vom 17.6.2020 haben wir darauf hingewiesen, dass es fraglich erscheint, ob durch die zeitlich befristete Senkung der Umsatzsteuer im 2. Halbjahr 2020 derzeit überhaupt Einzweck-Gutscheine vorliegen können, da der im Zeitpunkt der Ausgabe der Gutscheine anzuwendende Steuersatz u.U. zum Zeitpunkt der Einlösung des Gutscheines nicht mehr gilt. In der finalen Fassung des BMF-Schreibens vom 30.06.2020 wurde insoweit nachgebessert. Während nunmehr die Grundsätze der Gutschein-Thematik unter dem Oberbegriff der „Preisnachlass- und Preiserstattungsgutscheine“ erläutert werden, nimmt das BMF jetzt auch gesondert zu der Problematik der Einzweck-Gutscheine Stellung und stellt deren Behandlung während der temporären Umsatzsteuersatzsenkung klar.

Bei Einzweckgutscheinen sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins entscheidend. Ändern sich die Verhältnisse im Nachhinein, ist dies irrelevant.

Aus der dem Gesetzeswortlaut entsprechenden Aussage, wonach für die Qualifikation als Einzweckgutschein die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins entscheidend sind, lässt sich das Folgende ableiten:

Wird ein Gutschein im Zeitraum 01.07.2020-31.12.2020 ausgegeben und kann dieser sowohl im laufenden Jahr 2020, als auch in späteren Jahren (2021, 2022 usw.) eingelöst werden, so kann dieser Gutschein keinen Einzweckgutschein darstellen, da im Zeitpunkt der Gutscheinausgabe der im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung anzuwendende Steuersatz nicht feststeht.

Es gilt allerdings zu beachten, dass in den Fällen, in denen bei der Einlösung eines vor dem 01.07.2020 ausgegebenen Einzweck-Gutscheins eine Zuzahlung durch den Gutscheininhaber erfolgt, die noch nicht versteuerte Differenz nach den zum Zeitpunkt der Gutscheineinlösung geltenden Umsatzsteuersätzen zu versteuern ist.

Fazit
Die finale Fassung des BMF-Schreibens vom 30.06.2020 zur befristeten Absenkung der Umsatzsteuersätze hat im Vergleich zum ersten Entwurf vom 11.06.2020 einige Lücken geschlossen. Dennoch bleiben weitere Fragen bei der praktischen Umsetzung offen. Wir halten Sie bezüglich der weiteren Entwicklungen in diesem Bereich auf dem Laufenden und stehen Ihnen bei individuelle Fragen und Beratungen gern zur Verfügung.

Autoren: Melanie Weist, Stefanie Dietrich

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