Es ist vollbracht: Auf seinem 12. Treffen am 19. Oktober 2015 hat der Vorbereitende Ausschuss die Verfahrensordnung für das Einheitliche Patentgericht (VerfO) verabschiedet. Damit sind die jahrelangen Entwurfsarbeiten an dieser ersten europäischen Zivilprozessordnung abgeschlossen. Herausgekommen ist ein 382 Regeln umfassendes detailliertes Regelwerk, das die Einheitlichkeit des Verfahrens bei allen Spruchkörpern des künftigen Einheitlichen Patentgerichts sicherstellen soll. Seine Kennzeichen sind eine straffe Verfahrensleitung und ein strenges Fristenregime. Es enthält einige Neuerungen, die auch für eine Weiterentwicklung des deutschen Zivilprozessrechtes interessant sein können.

Grundsatz

Die VerfO zielt auf ein effizientes und schnelles Gerichtverfahren ab, welches zudem die gleichzeitige Klärung von Verletzungs- und Rechtsbestandsfragen herbeiführt, auch wenn hierfür zwei getrennte Klagen erhoben werden müssen. Die Präambel gibt das ambitionierte Ziel an, die letzte mündliche Verhandlung innerhalb eines Jahres nach Klageeinreichung durchzuführen.

Die Verfahrensabschnitte im Überblick

Das Verfahren gliedert sich in ein schriftliches Verfahren im Anschluss an die Einreichung der Klageschrift, ein Zwischenverfahren und ein mündliches Verfahren einschließlich mündlicher Verhandlung (Regel 10). An die Klageschrift schließt sich die Klageerwiderung an (Regel 23, 24), die ggf. verbunden werden muss mit einer Widerklage auf Nichtigkerklärung (Regel 25). Diese sind innerhalb von 3 Monaten nach Zustellung der Klageschrift einzureichen, was die beklagte Partei vor erhebliche Herausforderungen stellen dürfte. Für die Replik und die Verteidigung gegen die Nichtigkeitsklage hat der Kläger dann 2 Monate Zeit. Innerhalb eines weiteren Monats ist eine Duplik einzureichen. Während des schriftlichen Verfahrens ist bereits - auf Antrag der Parteien oder des Berichterstatters - über die Zuziehung eines technisch qualifizierten Richters zu entscheiden.  

Im Zwischenverfahren - eine Neuschöpfung weitgehend ohne Vorbilder in den nationalen Rechtsordnungen - übernimmt der Berichterstatter wie ein deutscher Einzelrichter die Verfahrensführung: Er kann weitere Schriftwechsel zu bestimmten Themen für nötig halten, den Parteien die Beantwortung von Fragen aufgeben, die Beweisführung vorbereiten und eine Zwischenanhörung durchführen.  Der Berichterstatter kann jede Angelegenheit zur Entscheidung an den Spruchkörper verweisen - der Spruchkörper kann seinerseits auch die Anordnungen des Berichterstatters von Amts wegen prüfen (Regel 102).

Abgeschlossen wird das Gerichtsverfahren durch das mündliche Verfahren, das vom Vorsitzenden geleitet wird. Die Sachentscheidung fällt unmittelbar nach Abschluss der mündlichen Verhandlung. Das Gericht ist gehalten, die Entscheidung innerhalb von sechs Wochen schriftlich abzusetzen und zu begründen.

Neues  

Neu sind auch Beschwerden gegen verfahrensleitende Entscheidungen des Berichterstatters oder des Spruchkörpers. Es handelt sich um einen Antrag auf informelle Überprüfung an den Spruchkörper oder das Berufungsgericht. Die Beschwerde kann vom Spruchkörper oder dem Berichterstatter des Berufungsgerichts ohne Gründe zurückgewiesen werden. Möglich ist dann noch eine Entscheidung durch den gesamten Spruchkörper des Berufungsgerichts. Die Beschwerde soll das Verfahren in erster Instanz jedoch nicht aufhalten können, was ebenfalls eine zeitliche Herausforderung für Richter und Parteien darstellen wird. Gerade am Anfang werden eine Vielzahl von Verfahrensfragen zu klären sein.

Inkrafttreten


Der Vorbereitende Ausschuss hat mit der Verabschiedung des 18. Entwurfs der VerfO seine Entwurfsarbeiten beendet. Der verabschiedete Entwurf ist auf der Website des Vorbereitenden Ausschusses veröffentlicht. Die VerfO muss nun noch durch den Verwaltungsausschuss angenommen werden. Dieser Verwaltungsausschuss existiert noch nicht und wird erst mit Inkrafttreten des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht gebildet.

Weiterführende Links: "Rules of Procedure (“Rules”) of the Unified Patent Court", "Rules of Procedure (“Rules”) of the Unified Patent Court - Draft"

Autor: Olaf Gelhausen

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