Wird das Arbeitsverhältnis gekündigt, erfolgt häufig auch eine Freistellung des Arbeitnehmers, weil der Vorgesetze den Arbeitnehmer endlich los sein will, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vermeintlich in Gefahr sind oder Unruhe an allen Ecken droht. Oft ist das dem Arbeitnehmer schlicht egal. Was aber passiert, wenn der Arbeitnehmer an seinen bisherigen Arbeitsplatz zurück will und der Arbeitsvertrag keine Freistellungsklausel enthält…

Vor dem LAG Hamburg hätte dieser Arbeitnehmer jetzt gute Chancen, im Wege der einstweiligen Verfügung schnell seinen Beschäftigungsanspruch vorläufig bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gerichtlich durchzusetzen (vgl. LAG Hamburg v. 23.08.2017 - 5 SaGa 2/17). Obsiegt er zudem in dem parallel laufenden Kündigungsschutzverfahren in 1. Instanz oder hat der Betriebsrat der Kündigung form- und fristgemäß widersprochen, kann der Weiterbeschäftigungsanspruch sogar bis zur rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzrechtsstreits fortbestehen (vgl. § 102 Abs. 5 BetrVG).

Beschäftigungsanspruch aus dem Arbeitsvertrag

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag nicht nur berechtigt ist, die vereinbarte Vergütung zu fordern. Der Arbeitgeber ist ebenso zur vertragsgemäßen Beschäftigung des Arbeitnehmers verpflichtet, wenn dieser es verlangt. Dieser Verpflichtung kann sich der Arbeitgeber nicht entziehen, indem er bezahlte Freizeit gewährt. Er muss den Arbeitnehmer tatsächlich beschäftigen. Ansonsten kann der Arbeitnehmer mithilfe rechtsstaatlicher Maßnahmen, notfalls durch Beitreibung von Zwangsgeldern oder ersatzweise Zwangshaft, seinen Beschäftigungsanspruch durchsetzen.

Landesarbeitsgerichte weichen von Grundsätzen des BAG ab

Abgesehen von dem Fall einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schützenswertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses. Es findet eine Interessenabwägung statt. Dabei überwiegt in der Regel das Interesse an der Nichtbeschäftigung bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht (vgl. BAG v. 27.02.1985 – GS 1/84). Von diesem Grundsatz sind zuletzt für den Zeitraum bis zum Ablauf der Kündigungsfrist mehrere Landesarbeitsgerichte und nunmehr auch das LAG Hamburg abgewichen. Es sei nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer sein Beschä̈ftigungsinteresse im Einzelfall gesondert begründet. Vielmehr bestehe es wegen der grundrechtlichen Herleitung des allgemeinen Beschä̈ftigungsanspruchs zunächst ohne weiteres, wenn der Arbeitgeber nicht überwiegende entgegenstehende Interessen an der Nichtbeschäftigung darlegen kann.

In dem Fall des LAG Hamburg hatte der Arbeitgeber die Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist erklärt, weil er befürchtete, der Arbeitnehmer würde gegenüber Kunden seinen Unmut über die Kündigung zum Ausdruck bringen oder seine Arbeit nicht mehr mit der gebotenen Sorgfalt verrichten. Dem widersprach das Gericht, denn konkrete Anhaltspunkte für diese bloße Vermutung hatte der Arbeitgeber zum einen nicht dargelegt. Zum anderen würde ein Arbeitnehmer nicht zusätzlich sein Arbeitsverhältnis dadurch gefährden, dass er durch Pflichtverletzungen neue verhaltensbedingte Kündigungsgründe oder gar Auflösungsgründe (§ 9 KSchG) schafft.

Freistellungsklausel im Arbeitsvertrag vereinbaren

In dem vom LAG Hamburg festgestellte Sachverhalt, auf dem die Entscheidung beruht, findet sich noch eine Besonderheit. Ausdrücklich stellte das Gericht fest, dass die Parteien im Arbeitsvertrag kein Freistellungsrecht des Arbeitgebers im Falle einer Kündigung vereinbart hatten. Solche Freistellungsklausel zählen, obwohl sie teilweise hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Wirksamkeit unterschiedlich beurteilt werden, mittlerweile zum Standardrepertoire eines jeden Arbeitsvertrags. Konsequent behandelt das LAG Hamburg dieses Freistellungsrecht, weil eben nicht vereinbart, nicht in den Entscheidungsgründen. Es lässt sich somit nur spekulieren, wie die Richter den Fall bei einer vereinbarten Freistellungsmöglichkeit entschieden hätten. Nach herrschender Auffassung kann im Fall der Kündigung ein Freistellungsrecht wirksam vereinbart werden. Der Fall zeigt exemplarisch, dass die Arbeitsvertragsmuster regelmäßig auf Vollständigkeit überprüft und aktualisiert werden müssen. Kurze oder unklare Arbeitsverträge können für den Arbeitgeber im Konfliktfall von Nachteil sein.

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