Hintergrund

Bei Holdinggesellschaften stellt sich umsatzsteuerlich regelmäßig die Frage, ob aus Eingangsleistungen die Vorsteuer abgezogen werden kann. Die Antwort auf diese Frage ist zum einen davon abhängig, 

  • ob und ggf. inwieweit die Holdinggesellschaft im umsatzsteuerlichen Sinne unternehmerisch tätig ist und
  • zum anderen davon, inwieweit sich die konkreten vorsteuerbelasteten Eingangsleistungen dem unternehmerischen Bereich zuordnen lassen. 

Das Erwerben und Halten von Beteiligungen an Tochtergesellschaften stellt grundsätzlich keine unternehmerische Tätigkeit dar, weil es an einem umsatzsteuerlich relevanten Leistungsaustausch fehlt. Eine Holding, deren alleiniger Zweck das Halten von Beteiligungen ist (sogenannte Finanzholding), ist nicht Unternehmerin im umsatzsteuerlichen Sinne und damit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft einer Holding lässt sich aber dadurch begründen, dass die Holding aktiv in das operative Geschäft ihrer Tochtergesellschaften unterstützend eingreift und dafür eine angemessene Vergütung erhält (sogenannte Führungs- oder Funktionsholding).

So erkannte der BFH in seinem Urteil vom 06. April 2016 (Az.: V R 6/14) den im EuGH-Urteil „Larentia + Minerva“ festgestellten Grundsatz des vollen Vorsteuerabzugs einer Führungs-/Funktionsholding an, wonach die vorsteuerbelasteten Kosten für den Beteiligungserwerb zur wirtschaftlichen Tätigkeit dieser Holding gehören.

Sofern die Holding nicht für alle Tochtergesellschaften entgeltlich tätig wird und einzelne Beteiligungen lediglich als Gesellschafter verwaltet (gemischte Holding), ist nur ein anteiliger Vorsteuerabzug möglich.

Noch nicht höchstrichterlich geklärt war die Frage, ob eine Unternehmereigenschaft einer Holdinggesellschaft bereits durch die Weiterbelastung von Kosten gegenüber ihren Tochtergesellschaften begründet werden kann.

Aktuelle BFH-Entscheidung

Mit seinem Urteil vom 12. Februar 2020 (Az. XI R 24/18), welches am 04. Juni 2020 veröffentlicht wurde, hat der BFH diese Frage beantwortet.

Im Urteilsfall hatte eine Holdinggesellschaft Dienstleistungen von einem Dritten bezogen und belastete diese ohne Gewinnaufschlag an ihre Tochtergesellschaften verursachungsgerecht weiter. 

Der BFH verneinte zwar die vom Finanzgericht angenommene Dienstleistungskommission i.S.d. § 3 Abs. 11 UStG (weil einzelne Elemente der eingekauften Gesamtdienstleistung nicht den Tochtergesellschaften sondern der Holding selbst zu Gute kamen). Dennoch hält der BFH eine voll umfängliche  unternehmerische Tätigkeit der Holdinggesellschaft im umsatzsteuerlichen Sinne für möglich, wenn die Kostenweiterbelastungen an alle Tochtergesellschaften erfolgt und insoweit ein Leistungsaustausch vorliegt. Es kommt hierbei darauf an, ob die Weiterbelastung gegen gesondertes Entgelt erfolgt (dann Leistungsaustausch) oder als Gesellschafterbeitrag (dann kein Leistungsaustauch) einzuordnen ist. Dies ließ sich im Urteilsfall noch nicht abschließend bestimmen, weil keine schriftlichen Vereinbarungen vorlagen.

Erfolgt die Kostenverrechnungen gegenüber allen Tochtergesellschaften im Rahmen eines Leistungsaustauschs, kann für sämtliche Eingangsleistungen, die für das Unternehmen der Holding bezogen wurden, und zwar auch diejenigen, welche die Holding nicht im Interesse der Tochtergesellschaften bezogen hatte, sondern die ausschließlich ihre eigene Verwaltung betrafen (z. B. Steuererklärungen, Handelsregisteranmeldungen u. ä.) der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden.

Praxishinweis

Eine reine Kostenweiterbelastung kann eine unternehmerische Tätigkeit einer Holding begründen. Die Anforderungen an die gegenüber den Tochtergesellschaften zu erbringenden Leistungen sind durch das aktuelle Urteil weiter konkretisiert worden, was für die Praxis die Rechtssicherheit erhöht.   

  • Kein eigenes Personal erforderlich; Weiterbelastung von Dienstleistungen genügt
  • Kein bestimmter Inhalt der Leistung erforderlich (aber steuerpflichtig – keine steuerfreie Vermietung)
  • Kein Gewinnaufschlag erforderlich

Zu achten ist indes darauf, dass die Kostenweiterbelastung gegen gesondertes Entgelt auf Grundlage vertraglicher Vereinbarungen zur Tochtergesellschaft und nicht (nur) als Gesellschafterbeitrag ausgestaltet wird. Zu Dokumentationszwecken sind schriftliche Vereinbarungen zu empfehlen.

Die Dokumentation dahingehend, entgeltliche Leistungen gegenüber den Tochtergesellschaften erbringen zu wollen, sollten bereits im Zeitpunkt des Bezugs der Eingangsleistungen dokumentiert werden, da über den Vorsteuerabzug die Verwendungsabsicht bei Leistungsbezug entscheidet. Sollte beispielsweise ein Erwerb einer Tochtergesellschaft letztlich scheitern, wäre dennoch der Vorsteuerabzug aus (vergeblichen) Eingangsleistungen gegeben, wenn die Absicht bestand, gegenüber der zu erwerbenden Tochtergesellschaft im Rahmen eines Leistungsaustauschs tätig zu werden.  

Autoren: Thomas Schäffer, Steffen Kurpierz

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