EuGH-Urteil führt zu Unsicherheiten bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung von Zahlungen im Zusammenhang mit der Beendigung von Vertragsverhältnissen.
Wann löst eine Zahlung, die bei vorzeitiger Beendigung von Vertragsverhältnissen geleistet wird, Umsatzsteuer aus?
Problemstellung
Der Umsatzsteuer unterliegen (nur) Vorgänge, die im Rahmen eines Leistungsaustauschs gegen Entgelt erbracht werden. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen der erbrachten Leistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Wird eine Zahlung ausschließlich geleistet, um einen Schaden zu regulieren, fehlt es an einer Leistung desjenigen, der die Zahlung erhält bzw. den Schaden erlitten hat. Folglich hat der Empfänger der Zahlung keine Umsatzsteuer auszuweisen und an das Finanzamt abzuführen.
Die Abgrenzung zwischen nicht umsatzsteuerbarem Schadenersatz und umsatzsteuerbarem Leistungsentgelt ist nicht immer eindeutig. Insbesondere in Konstellationen bei denen letztlich die angebotene Leistung nicht in Anspruch genommenen wird, aber dennoch eine Zahlung erfolgt, stellt sich häufig die Frage, ob von einem umsatzsteuerbaren Entgelt oder von nicht umsatzsteuersteuerbaren Schadensersatzleistungen auszugehen ist.
Wird ein Sachverhalt insoweit umsatzsteuerlich unzutreffend eingeordnet, drohen empfindliche Konsequenzen.
Wurde unzutreffend ohne Umsatzsteuer fakturiert, ist es bei Massensachverhalten für den leistenden Unternehmer kaum realistisch, die Umsatzsteuer von den betreffenden Kunden nachzufordern. Zudem drohen Zinsrisiken nach § 233a AO.
Wird hingegen unzutreffend mit Umsatzsteuer fakturiert, stellt die Umsatzsteuer bei den Kunden (zunächst) einen Kostenfaktor dar, der Unternehmer hat einen Wettbewerbsnachteil. Die Umsatzsteuer wird aufgrund des fehlerhaften Ausweises gemäß § 14c UStG geschuldet. Eine Korrektur kann nicht rückwirkend und zudem nur unter Beachtung der hierfür von der Finanzverwaltung geforderten Bedingungen erfolgen.
Entscheidung des EuGH C-295/17 vom 22.11.2018
Der EuGH hat kürzlich einen Sachverhalt entschieden, bei dem bei vorzeitiger Beendigung eines mit einer Mindestbindungsfrist abgeschlossenen und monatlich abgerechneten Vertrages über Telekommunikations-, Internetzugangs-, Fernseh- und Multimedialeistungen die bis zum Ende der Mindestbindungsfrist auflaufenden Teilbeträge in einer Summe als Ablösebetrag zu entrichten waren.
Der Ablösebetrag wurde vom leistenden Unternehmer als nicht umsatzsteuerbar eingeordnet. Der leistende Unternehmer sah die Zahlung des Ablösebetrages für die vorzeitige Beendigung nicht als Gegenleistung für eine von ihm erbrachte Dienstleistung an.
Der EuGH wertet den Vorgang hingegen als umsatzsteuerbar. Der erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenwert wird nicht durch den Umstand beeinträchtigt, dass der Kunde die – abrufbare – Leistung tatsächlich nicht wahrnimmt. Die Kunden wurden in die Lage versetzt, die angebotene Leistung in Anspruch zu nehmen und hatten im entschiedenen Fall für den Zeitraum der Mindestbindungsfrist dasselbe Entgelt zu entrichten, unabhängig davon, ob sie die Leistung in Anspruch genommen haben oder nicht.
Darüber hinaus stellt der EuGH klar, dass die umsatzsteuerliche Qualifizierung eines Umsatzes nicht zwingend der vertraglichen Ausgestaltung entsprechen müsse. Die zivilrechtliche Einordnung als Vertragsstrafe hindere daher die Annahme eines Leistungsaustausches nicht. Vielmehr sei die wirtschaftliche Realität des betreffenden Umsatzes zu berücksichtigen.
Praxishinweis
Die Abgrenzung zwischen nicht umsatzsteuerbarem Schadensersatz und umsatzsteuerbarem Leistungsaustausch ist nicht immer eindeutig – insbesondere im Falle eines standardisierten Umgangs mit vorzeitiger Vertragsbeendigung gegen Entgelt ist eine genaue umsatzsteuerliche Analyse zu empfehlen.